Die Pfarre Döllersheim
Abb. 285 Pfarrkirche Döllersheim, Postkarte
Die Pfarre zu den hl. Aposteln Petrus und Paulus war wahrscheinlich eine Gründung der Herren von Ottenstein aus dem 13. Jahrhundert. Die Mutterpfarre war Alt-Pölla. Der dortige Pfarrer hatte auch das Patronatsrecht über die Pfarre Döllersheim, von der freilich nicht genau gesagt werden kann, seit wann sie als vollrechtliche Pfarre gelten kann. 1313 wird ein "her Eberhart, der an pfarrer stat verweser ist" genannt. Für 1361 bis 1385 ist für Döllersheim ein eigener Pfarrer namens Simon bezeugt, der vor seiner Priesterweihe verheiratet war und zwei Söhne hatte. Am 25. November 1361 stiftete Pfarrer Simon bei der Kirche Döllersheim eine Bruderschaft zu Ehren unserer lieben Frau, in deren Stiftungsgut er seinen Hof und einen Weingarten in Langenlois einbrachte. Mit einem Meß-Kaplan sorgte er für mehrfachen Gottesdienst in Döllersheim. Die Stiftung erfreute sich des Wohlwollens vieler Adeliger, Priester und Laien aus der Umgebung.
Da Alt-Pölla 1487 der Propstei Zwettl überwiesen wurde, gelangte auch Döllersheim in dieses Abhängigkeitsverhältnis, das bis nach 1560 dauerte. Seither war Döllersheim landesfürstliche Patronatspfarre. Im 16. Jahrhundert ist ein häufiger Wechsel der Pfarrherren zu verzeichnen, womit die Zeitumstände und das Ringen zwischen katholischer und protestantischer Konfession auch in Döllersheim ihren Niederschlag finden. Sind z.B. Groß-Poppen und Franzen protestantisch dominiert, so kommen auch in Döllersheim 1592 nur 50 Personen zum Gottesdienst beim katholischen Pfarrer Jakob Sturm, bald steigt die Zahl auf 600. Gegen Ende des 30jährigen Krieges sind von den Pfarrkindern 965 katholisch, 300 evangelisch. Im "böhmischen Krieg 1619/1620 hausten die Niederländer, sächsische und nassauische Landsknechte furchtbar in dieser Gegend, plünderten, brandschatzten und mordeten. Der Markt brannte ab, der Kirche wurden die Meßkleider, sogar die Glocke und das Eisen aus der Uhr gestohlen."
1652 wurden unter Pfarrer Matthias Figo, Magister der Theologie und Philosophie, die Taufmatriken angelegt. Zwischen 1684 und 1686 wurde in Döllersheim auch eine aus Babylonien stammende türkische Familie mit einem 12jährigen Mädchen getauft, die 1683 bei der Türkenbelagerung vor Wien in Gefangenschaft geraten war, als Schloßdiener in Waldreichs Deutsch lernte und die christliche Religion annahm.
Ältester Komponist des Waldviertels ?
Am 20. Jänner 1696 wurde in Döllersheim Georg Honorius Freitag getauft, Sohn des Schulmeisters Johann Freitag - er wirkte von 1694 bis 1726 in Döllersheim - und seiner Ehefrau Elisabeth. Von seinem Vater erhielt Georg Honorius vermutlich seinen ersten musikalischen Unterricht, über seine weitere Ausbildung ist derzeit nichts bekannt. Aufgrund seiner künstlerischen Begabung erlangte er den bedeutenden Posten des Melker Stiftsorganisten. Seine Missa in honorem St. Caeciliae - eines der wenigen erhaltenen Werke dieser Epoche, das zum Namenstag der Schutzpatronin der Kirchenmusik komponiert wurde - erfreute sich einiger Beliebtheit, wurde doch noch 1787 in Göttweig eine Kopie davon angefertigt. Im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien wird ein aus seiner Feder stammendes Requiem verwahrt. Als sein Gehalt nach der Hochzeit im Jahre 1726 verdoppelt wurde, konnte Georg Honorius Freitag eine alte Weinschenke am Melker Hauptplatz erwerben. Der Kirchenmusiker, im Alter von 33 Jahren bei einem Schiffsunglück aus dem Leben gerissen, dürfte "einer der frühesten ... nachweisbar aus dem Waldviertel stammenden [weltlichen] Komponisten sein".
Pfarrer Leopold Spannagl erwirkte 1701 der Pfarrgemeinde einen ständigen zweiten Priester, worauf Weltpriester, Mönche aus Stift Zwettl und viele Franziskaner aus Langenlois in Döllersheim wirkten. Am 15. Mai 1732 firmte Josef Dominikus Graf von Lamberg, der von Ottenstein abstammende Bischof von Passau, in der Kirche Döllersheim 273 Personen.
Die Pfarre Döllersheim mußte 1759 Mannshalm und 1783 Schlagles, Rausmanns und Klein-Kainraths an die Pfarre Groß-Poppen abgeben. Den Ort Kühbach mußte die Pfarre Döllersheim 1785 an die Pfarre Oberndorf abgeben.
Der vom Kaiser zum Pfarrer von Döllersheim ernannte Theologieprofessor Dr. Anton Gürtler von Blumenfeld aus Brünn erwirkte 1784 die Erhaltung des Kooperators aus dem staatlichen Religionsfonds. Als großer Prediger zeichnete sich der in Stockerau geborene P. Josef Polykarp Schilcher, Franziskaner im Kloster zu Ybbs, aus: seine Werke wurden in Augsburg, Krems und Wien gedruckt. Die Priesterpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts förderten die Pfarre und Pfarrkirche u.a. mit mehrmaliger Innenrestauration der Kirche. Pfarrer Karl Gerjol, der zuvor in Oberndorf wirkte und von Bischof Memelauer zum Geistlichen Rat ernannt wurde, hielt 1928 eine Volksmission durch die Redemptoristen von Eggenburg.
Aus Döllersheim stammten zudem nicht wenige Geistliche, die als Priester, Ordensmänner und -frauen u.a. auch in der Mission in Afrika wirkten.
Die Pfarrkirche Döllersheim
Die Kirche, mit Schule und Pfarrhaus beherrschend auf einem Hügel über dem Marktort gelegen, bestand in romanischer Zeit (um 1200) nur aus einem schmalen Langhaus, wahrscheinlich mit rechteckigem Chor wie in Allentsteig. Nach 1350 wurde der Westturm erbaut. Der dreiseitige Innenabschluß des Südschiffes ist ein Überbleibsel der 1377 erbauten Nikolauskapelle. Das heutige Langhaus, die spätgotische, dreischiffige Hallenkirche mit ihrem vorgelagerten Westturm und dem bedeutend überhöhten Altarraum, wurde nach dem Hussiteneinfall des Jahres 1427 erbaut. Das breite Mittelschiff wurde getragen von 6 achteckigen Pfeilern, auf denen vier Netzgewölbejoche ruhten. Die beiden ebenfalls vierjochigen Seitenschiffe waren etwas niedriger und viel schmäler, das südliche besaß ein wertvolles Sterngewölbe (gutteils erhalten). Die Westempore erstreckte sich über alle drei Kirchenschiffe. Der Chor ist gleich breit, jedoch beträchtlich höher als das Mittelschiff. Ein um zwei Stufen erhöhter Fußboden, drei schmale hohe Spitzbogenfenster sowie fünf spitzbogige Stichkappen charakterisieren den Altarraum bis heute. Die Maße des Gotteshauses sind 24,5m in der Länge, 6,8 bis 14,3m Breite und 8,3 bis 10m Höhe.
Abb. 286 Die St. Petrus und St. Paulus-Kirche in Döllersheim, Grundriß
Abb. 287 Der Oberteil des gotischen Sakramentshäuschens ist erhalten geblieben.
Nach einem Inventar von 1599 hatte die Kirche fünf Altäre, 1620 - im Dreißigjährigen Krieg - wurde sie völlig ausgeraubt. Schon 1629 stiftete Hanns Albrecht Freiherr von Ottenstein einen neuen St. Nikolausaltar. 1859 wurde ein neuer Hochaltar errichtet. An der Nordwand des Triumphbogens befand sich die Kanzel (um 1770) aus Holz mit vergoldeten Zieraten. Die Brüstung zeigte den hl. Franziskus, der den Fischen predigt, seine Statue zierte auch den Baldachin der Kanzel.
Abb. 288 Das Innere der Pfarrkirche von Döllersheim im Jahre 1939. Diese Postkarte zeigt den Altarraum der Pfarrkirche zu den hl. Petrus und Paulus, mit dem Text links unten: "Döllersheim N.D. Inneres der Pfarrkirche. In dieser Kirche wurden die Eltern des Führers getraut."
Abb. 289 Inneres der Pfarrkirche Döllersheim, 1922, Spätgotisches, dreischiffiges Langhaus, Länge 24,5 m, Breite: 6,8 bis 14,33 m, Höhe: 10 bis 8,3 m. Die Kirche ist den hl. Aposteln Petrus und Paulus geweiht.
Die schöne, im Jahre 1543 aus Sandstein gehauene Renaissance-Kanzel von Döllersheim war 1797 nach Waldreichs verkauft worden.
Der Taufstein aus dem 15. Jahrhundert ist ein zylindrisches Becken auf einer achteckigen Basisplatte. Acht Grabsteine - u.a. der Herren Stodolick zu Ottenstein - waren in den Fußboden bzw. die Wände eingelassen. Auch ein spätgotisches Sakramentshäuschen hatte sich im Altarraum erhalten. Das Geläute der Pfarrkirche zu Döllersheim bestand zum Zeitpunkt der Aussiedelung aus einer Glocke aus dem Jahre 1752 und drei Glocken von 1889. Unter Pfarrprovisor Dr. Litschauer mußten die drei größeren Glocken für Kriegszwecke abgenommen werden. Die kleinste Glocke, die bis 1946 blieb, wurde "bald nach dem Krieg" für den Kirchturm in Neu-Pölla den Besatzungssoldaten abgekauft.
Am 22. Juli 1938 schrieb Pfarrer Anton Haller an das Dekanatsamt in Allentsteig: "Das gefertigte Pfarramt teilt mit, daß von der hiesigen Pfarre angeblich bis 5. August d.J. die beiden Ortschaften Söllitz und Dietreichs aufgehoben werden. Bis Herbst oder Frühjahr soll die ganze Pfarre Döllersheim aufgehoben werden" Dechant Kulmann schrieb am 25. Juli an das bischöfliche Ordinariat: "Im Herbst kommen daran von der Pfarre Döllersheim: Heinreichs... So soll der Pfarrort Döllersheim ... ganz erhalten bleiben."
Einen offiziellen Abschiedsgottesdienst hat es in Döllersheim nie gegeben. Der letzte Pfarrer von Döllersheim, Anton Haller, geboren am 4. Dezember 1889 in Ober-Plöttbach, getauft in seiner Heimatkirche Oberndorf, wirkte in Döllersheim vom 1. März 1932 bis 31. August 1938. Noch bevor die Katastrophe der Entsiedlung bekannt wurde, war es schon der Wunsch von Bischof Memelauer, daß Anton Haller Stadtpfarrer in Langenlois wird. Pfarrer Haller folgte dem Ruf des Bischofs, obwohl er nicht von Döllersheim gehen wollte, um nicht den Eindruck zu erwecken, er verlasse als feiger Hirte vorzeitig seine Herde. In der Pfarrchronik findet sich keine Stellungnahme zur Zwangsaussiedelung.
Am 31. Juli 1938 dürfte Pfarrer Haller die zur ersten Entsiedlungszone gehörenden Ortschaften Dietreichs und Söllitz verabschiedet haben. Er selbst hat die Pfarre Döllersheim am 31. August 1938 verlassen, denn am 1. September 1938 mußte er bereits in Langenlois sein. Er starb am 5. November 1976 als pensionierter Pfarrer von Langenlois.
Seelsorge in Döllersheim von 1938 - 1942
Viel zu wenig bekannt ist, daß die Seelsorge in Döllersheim nicht im Jahre 1938 endete, sondern bis 30. September 1942 fortgesetzt wurde. Die Pfarre wurde in dieser Zeit noch dreimal visitiert: am 30. März 1938 und 4. Juni 1939 durch Dechant Kulmann von Allentsteig und zum letzte Mal - einen Tag vor der Zwangsauflösung der Pfarre durch das NS-Regime - am 29. September 1942 durch Dechant Johann Flicker, Stadtpfarrer in Zwettl.
Der letzte Seelsorger von Döllersheim war Pfarrprovisor Dr. Matthäus Litschauer, zuvor Pfarrer in Eggern, der sich vermutlich am Sonntag, dem 4. September 1938, seiner neuen Pfarrgemeinde vorstellte. Er leitete die Pfarre bis zum 30. September 1942, dem Tag der Aufhebung der Pfarre Döllersheim, also mehr als vier (!) Jahre lang. In dieser Zeit mußte er nicht nur Pfarrkinder verabschieden, er konnte auch neue in seiner Pfarrgemeinde begrüßen: von 1940 bis 1942 war Döllersheim zum Großteil von Zweitsiedlern bewohnt - von Zwangsaussiedlern, die mit ihrer Ablösesumme keine neue Heimat mehr finden konnten. Zu diesen gehörte auch die Familie Tretzmüller aus Ober-Plöttbach. Laut Personalstand der Diözese St. Pölten 1940/1941 hatte die Pfarre Döllersheim damals noch 892 Einwohner, fast ausnahmslos Katholiken.
Abb. 290 Hans Tretzmüller, 1941-42, letzter Ministrant in Döllersheim, später Justizwachebeamter in Schwechat
Abb. 291 Der Text der Postkarten von Pfarrer Dr. Litschauer an Hans Tretzmüller: 11. Dezember 1942 aus Rottenschachen und 19. April 1943 aus Plan in Böhmen.
Abb. 292 Dr. Matthäus Litschauer, de letzte Seelsorger der Pfarre Döllersheim
Abb. 293 Döllersheim, 2. Nov. 1985 (nach der 28. Allerseelenfeier). v.l.n.r. neben mir stehen Anton Bednar aus Oberndorf 18, jetzt Allentsteig, Hans Tretzmüller aus Döllersheim 25, jetzt Schwechat und Franz Riegler aus Döllersheim 111, jetzt Allentsteig: ehemalige Ministranten von Döllersheim bzw. Oberndorf.
Abb. 294 Das Haus Wiesinger-Schmid, in dem die Familie Tretzmüller von Mai 1940 bis Oktober 1942 wohnte, nachdem sie von Ober-Plöttbach hatten wegmüssen
Ein Brief von Pfarrprovisor Dr. Litschauer aus dem Sommer 1942 nennt als Schätzungsergebnis für Pfarrkirche und Friedhof 35.000,- Reichsmark, für die Pfarrpfründe Döllersheim 62.934,- RM. Interessant ist, daß Kirche und Friedhof zusammen genannt werden - die Pfarrkirche Döllersheim dürfte damit keine weiteren Grundstücke besessen haben. Ob die Diözese St. Pölten diese Gelder tatsächlich erhalten hat, läßt sich aus den bisher bekannten Urkunden im Diözesanarchiv nicht nachweisen.
Im Antwortschreiben des bischöflichen Ordinariats heißt es: "Nach eine Mitteilung der Kommandantur Allentsteig vom 13.7.1939 sind die Räumungstermine für Döllersheim und Franzen der 31. Dezember 1940. Da nach dem Bericht des hochw. Pfarramtes Döllersheim die Pfarrgrundstücke nicht verpachtet werden konnten und kein Erträgnis aus denselben zu erzielen ist, wolle beim Finanzamt in Allentsteig bzw. Zwettl um Stundung der Steuern angesucht werden. Erst am Schluß des Jahres bei Auflassung der Pfarre wäre dann eventuell um Abschreibung der Steuern anzusuchen. Die besseren Paramente und Gegenstände werden für die kirchlichen Neubauten reserviert, die übrigen Sachen aber zur Abgabe an bedürftige Kirchen."
Abb. 295 Die letzten Eintragungen in der Pfarrchronik von Döllersheim: "Wann wird das Leiden ein Ende haben?"
Am 27. September 1942, einem Sonntag, dürfte sich auch Dr. Litschauer von seiner Pfarrgemeinde verabschiedet haben, er wirkte später im Sudetenland. Die Bewohner der Ortschaft Flachau wurden der Pfarre Friedersbach zugeteilt, Klein-Motten wurde nach Franzen eingepfarrt. Döllersheim und die übrigen Orte wurden für immer entsiedelt, deshalb mußte die Pfarre mit 30. September 1942 aufgelöst werden.
Der letzte Täufling in Döllersheim war Rosa Ploderwaschl, Flachau Nr. 42, am 20. September 1941. Die letzte Trauung: Josef Wukics und Juliana Kulowic, beide Landarbeiter in Ottenstein Nr. 13, am 9. August 1942. Das vorletzte Begräbnis: Stefan Edelmaier, Schüler aus Döllersheim, 12 Jahre alt, Todesursache: Handgranatenverletzung, am 6. April 1942. Als allerletzter wurde Ludwig Sekyra, Landwirt in Döllersheim 48, Vater des aus Döllersheim stammenden Priesters Hofrat P. Dr. Wilhelm Sekyra, nach der Einsegnung durch Pfarrer Ledl von Rastenfeld auf dem Friedhof der Pfarre Döllersheim bestattet. Es war dies am 28. Oktober 1942, als die Pfarre schon seit 28 Tagen aufgelöst war. Sein Sohn feierte für ihn am folgenden Tag in der intakten Pfarrkirche die Seelenmesse.
Im St. Pöltner Diözesanblatt heißt es im Oktober 1942: Auflassung der Pfarre Döllersheim. Die Pfarre Döllersheim wurde mit Ausnahme der Ortschaften Flachau und Klein-Motten mit 30. September 1942 endgültig entsiedelt. Der hochwürdigste Herr Ordinarius hat darum folgende Verfügung getroffen: Die Pfarre Döllersheim wird mit 30. September 1942 aufgehoben. Die Stelle des Pfarrers und Kaplans von Döllersheim wird aus dem Stellenplan der Diözese gelöscht. Die Betreuung der Katholiken von Flachau wird der Pfarre Friedersbach, die der Katholiken von Klein-Motten der Pfarre Franzen, die der übrigen, die etwa noch im Pfarrgebiet der ehemaligen Pfarre Döllersheim wohnen, der Pfarre Rastenfeld zugewiesen. Die Matrikenbücher und Archivalien der ehemaligen Pfarre Döllersheim sind nach Rastenfeld zu bringen und vom dortigen Pfarramte zu betreuen. Der hochwürdige Herr Pfarrer Franz Ledl von Rastenfeld wird zumRector ecclesiae der aufgelassenen Pfarrkirche von Döllersheim ernannt. Somit war die Kirche während der NS-Zeit von 1942 bis Mai 1945 de facto Filialkirche von Rastenfeld. In solchen dürfen hl. Messen zelebriert und - falls ein Friedhof vorhanden ist - auch Begräbnismessen mit anschließender Beisetzung auf dem Friedhof gehalten werden, was in Döllersheim auch geschah. Die Pfarrkirche Döllersheim wurde jedenfalls von keinem Priester profaniert.
Die Volksschule in Döllersheim war schon im Juli 1941 geschlossen worden. Die Kinder mußten nun in die Volksschule nach Franzen gehen. In Brugg gab es noch mehrere Erstsiedler. Döllersheim selbst hatte zum Großteil Zweitsiedler. Eine Zweitsiedlerfamilie war die Familie Tretzmüller aus Ober-Plöttbach Nr. 20, die von Mai 1940 bis Oktober 1942 in Döllersheim Nr. 25 (Wiesinger-Schmied) wohnte. Ihr Sohn Hans, der letzte Ministrant von Döllersheim, hatte von der Notwohnung seiner Eltern in Franzen Nr. 13 aus noch im Jahre 1943 Kontakt zu Dr. Litschauer. Nach der Auflösung der Pfarre Döllersheim wurde Pfarrer Ledl von Rastenfeld Rektor der Kirche in Döllersheim. Auch sein Nachfolger, GR Wiesinger, hat sich für die Kirchenruine in Döllersheim zuständig gefühlt.
Am 30. September 1942 waren die Orte Flachau und Klein-Motten noch besiedelt. Flachau wurde der Pfarre Friedersbach und Klein-Motten der Pfarre Franzen zur Seelsorge zugeteilt. Dr. Litschauer war von 1942 bis zur Vertreibung aus dem Sudetenland Seelsorger in Rottenschachen und in Plan bei Marienbad. Er starb am 14. September 1946 als Administrator von Scheideldorf.
Eine weitere bedeutende Priesterpersönlichkeit aus Döllersheim war Hofrat P. Dr. Wilhelm Sekyra OSB. Er hat das Licht der Welt am 3. Juli 1895 in Döllersheim Nr. 48 erblickt und wurde in der Pfarrkirche in Döllersheim getauft. Am 25. Juli 1920 wurde er im Dom zu St. Stephan in Wien von Kardinal Friedrich Gustav Piffl zum Priester geweiht und war später Senior im Schottenstift in Wien. Wer ihn und viele Heimatvertriebene reden hörte, der verspürte mit der Zeit, welch kostbares Gut die Heimat ist. Er starb am 15. März 1986 in Wien.
Abb. 296 Hofrat P. Dr. Wilhelm Sekyra, im Juni 1980
1984 schrieb mir Hofrat P. Dr. Wilhelm Sekyra OSB, im 65. Priesterjahr und im 90.(!) Lebensjahr stehend, in einem handschriftlichen Brief, datiert Wien, 3. April 1984:
Lieber hochw. Mitbruder !
Sehr innigen Dank für die herrliche Arbeit, die Sie geleistet haben! Ich danke Ihnen für die Zusammenfassung! Es ist mir ein liebes, wertvolles Geschenk über unsere in Trümmern liegende, entweihte und entfremdete Heimat. Mein Vater - Ludwig Sekyra, Landwirt - wurde als letzter nach Jahrhunderten am 28. 10. 1942 im Friedhof zu Döllersheim beerdigt. Konzelebrierende Priester waren: Prior P. Joseph Leutgeb SOCist (Stift Zwettl) und der Pfarrer von Rastenfeld, später Dompfarrer in St. Pölten, Ledl. Ich selber habe in der intakten Pfarrkirche am folgenden Tag die hl. Seelenmesse für meinen verstorbenen Vater (Priestervater!) gefeiert. Auf seinem Grab steht die Fichte, die damals als kleines Bäumchen auf sein frisches Grab gesetzt wurde. R.I.P. (...) Es grüßt und segnet Sie ...
P. Dr. Wilhelm Sekyra OSB
Was geschah mit dem Inventar der Pfarrkirche in Döllersheim?
P. Prior Josef Leutgeb von Stift Zwettl sagte im September 1955: Zu Kriegsende war Döllersheim noch Döllersheim. Ab 1946 wurde das Inventar der Kirche - darunter auch die Kanzel - gestohlen bzw. von russischen Besatzungssoldaten als deutsches Eigentum verschachert. Johann Leidenfrost sen. berichtete mir im November 1983: Die Pfarre Neu-Pölla kaufte bald nach dem Krieg von den Russen die einzige Glocke, die noch am Turm hing. Sie ist nicht schwer. Wir konnten sie mit einem Strick herablassen.
Abb. 297 Die Glocken der Kirche von Döllersheim, nachdem sie im Jahre 1942 vom Turm heruntergenommen worden waren
Ein einzige Stück Inventar, das sich heute noch in der Kirche(nruine) befindet, ist das Taufbecken aus dem 15. Jahrhundert. Pfarrer GR Leopold Wiesinger gab mir im August 1983 folgende Auskunft: "Anfang der 50er Jahre hatte das Hauptschiff der Kirche noch ein Gewölbe. Einige Teile waren schon ein wenig eingebrochen. Das Dach war halt schon hin. Die Kircheneinrichtung ist bald nach dem Krieg mitsamt der Orgel verwüstet worden. Die Russen haben drinnen fürchterlich gehaust. Von den Paramenten und kirchlichen Geräten ist nichts Besonderes bei uns. Sie haben ja nicht viel gehabt in Döllersheim. Die Matriken der letzten Zeit der Pfarre Döllersheim sind in Rastenfeld. Die Altmatriken sind im Diözesanarchiv in St. Pölten, auch das berühmt gewordene Taufbuch (VII/7/10/1837), das die Eintragung der Geburt und Taufe des Kindes Aloys Schicklgruber aus Strones 13 und seine spätere Legitimierung auf Aloys Hitler enthält." Seit April 1995 weiß ich, daß doch fast alle Paramente, kirchlichen Gefäße und Geräte von Döllersheim nach Rastenfeld gerettet werden konnten.
(Anmerkung 2002: Neue Nachforschungen sind näher beschrieben im Post Scriptum)
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