Stadtpfarre Allentsteig
Durch die Aussiedelung verlor die Stadtpfarre Allentsteig zwei Ortschaften, die Stadt büßte ihre jahrhundertealte Funktion als Zentralort ein.
Wurmbach
Abb. 450 Edelmannssitz Wurmbach 1672 nach dem Stich von Georg Vischer
Die Ortschaft Wurmbach war ein Angerdorf in einer Senke etwa 4km östlich von Allentsteig. Die Gehöfte zogen sich beiderseits des Angers an Abhängen hinauf, die Straße wurde gequert vom Wurmbach, der dem Ort den Namen gab. Schon 1171 erhielt das Stift Zwettl mehrere Höfe in Wurmpach als Schenkung, Anfang des 14. Jahrhunderts besaß das Kloster hier 9 Lehen und drei Felder. 1530 verkaufte das Stift Güter an Sigmund Leisser, der hier einen Edelmannssitz, einen Freihof, erbaute. 1658 ging dieser in den Besitz des Joachim Freiherrn von Windhag über. Ein Brand im Jahre 1679 verschonte nur drei Häuser des Ortes, der Herrensitz wurde daraufhin aufgelassen. Bei der Entsiedlung bestand Wurmbach aus 35 Häusern, 199 Menschen verloren ihre angestammte Heimat.
Abb. 451 Ansichtskarte von Wurmbach, um die Jahrhundertwende
Abb. 452 Wurmbach bei Allentsteig, 1961. Der Ort wurde 1171 – eine Generation nach der Gründung der Klöster in Zwettl und Altenburg – erstmals urkundlich erwähnt. Die endgültige Entsiedlung erfolgte nicht durch die Deutsche Wehrmacht, sondern erst durch österreichische Behörden in den 1960er Jahren.
Der zur Pfarre Allentsteig gehörende Schicksalsort Wurmbach wurde sogar zweimal entsiedelt: zum ersten Mal mit Wirkung 1. April 1939, die zweite Entsiedlung im Jahre 1961 - also in der 2. Republik, 6 Jahre nach Abzug der sowjetischen Besatzung - betraf die sogenannten Zweitsiedler. Wiederholt haben mir Erst-Aussiedler, die heute in Allentsteig beheimatet sind, erzählt, wie brutal mit den Zweitsiedlern umgegangen wurde. Im Deckerhaus bei Stift Zwettl sollen sogar vorzeitig die Fensterstöcke herausgerissen worden sein, obwohl Familien mit Kindern dort wohnten.
In der Ortsmitte stand bis 1959 der stattliche Rest des barocken Landschlosses, das der Vischer-Stich als Teil einer mehrteiligen, schön geschlossenen Anlage darstellt. Der ehemelaige barocke Schüttkasten neben der Kapelle wurde erst um 1989 abgetragen.
Abb. 453 Wurmbach 1961
Abb. 454 Wurmbach 1961
Die Kapelle wurde bereits im Jahr 1753 erbaut und besitzt im Norden und Süden je zwei Rundbogenfenster. Über dem Ostgiebel befindet sich ein hölzerner Dachreiter, der später mit Blech beschlagen wurde. Der Fußboden ist mit Keramikziegeln gepflastert. Die ursprüngliche einfache Stuckdecke gibt es nicht mehr. Man sieht den Dachstuhl mit dem Eternitdach.
Durch eine Filmgesellschaft wurde im August 1985 das Eternitdach der Kapelle abgedeckt und der Dachstuhl in der Mitte durchbrochen. Anschließend dürfte in der Kapelle ein Feuer angezündet worden sein, sodaß der Rauch durch das zerstörte Dach, durch die Fenster und die Tür drang.
Abb. 455 Die Kapelle in Wurmbach, Ansicht von Süden, Sommer 1984
Abb. 456 Die Apsis der Kapelle in Wurmbach, Sommer 1984
Abb. 457 Meierhof südwestlich der Kapelle, 1985. Das Dach ist bereits ausgebrannt.
Abb. 458 Häuser rechts des Weges Richtung Allentsteig, 1985
Heute ist zwar die Kapelle von Wurmbach roh verputzt, besitzt eine Stahltüre und Fensterläden aus Holz; Dach wie auch Turm sind neu gedeckt. Doch alle anderen Gebäude sind völlig verschwunden, sie wurden abgebrochen. Die Spuren sind verwischt.
Abb. 459 Südostseite des zerstörten Daches des Hauses in Wurmbach Nr. 2 (Schiefer) – des ehemaligen Meierhofes, September 1985
Abb. 460 Schändung der Kapelle durch die Filmgesellschaft Bavaria im Jahr 1985
Noch 1986 hatte der damalige Übungsplatz-Kommandant in einem Radio-Interview gesagt: Das sind Wohnhäuser der Ortschaft Wurmbach, die bis jetzt instandgehalten wurden. Das soll in Zukunft eine Ortskampfanlage werden, also Instandsetzung von alten Häusern für Übungen im Ortsgebiet. Später hatte man es sich anders überlegt. Im Sommer 1989 wurden alle Gebäude abgebrochen, einzig und allein die Ortskapelle wurde verschont.
Abb. 461 Das Haus nördlich der Kapelle in Wurmbach, August 1984
Abb. 462 Dasselbe Haus im September 1985, also kaum 13 Monate später
Abb. 463 Im Sommer 1989 wurden zwar das Dach und das Mauerwerk der Kapelle in Wurmbach repariert, jedoch der Abbruch aller noch vorhandenen Häuser vorgenommen.
Abb. 464 Das Haus gegenüber der Kapelle, der ehemalige Meierhof, fehlt seit 1989
Abb. 465 Wegkreuz zwischen Wurmbach und Neunzen, 1984
Abb. 466 Marterl an der Straße von Wurmbach nach Allentsteig. 1984
Abb. 467 Die Faltner-Waldhäuslkapelle, nördlich der Straße von Wurmbach nach Allentsteig. Franz Oberleitner, Obstit, war mein ortskundiger Begleiter. 1984
Steinbach
Benannt nach dem Bach, der das Längsangerdorf durchfließt, liegt Steinbach in einer Talmulde 2 km südwestlich von Allentsteig. Bereits 1175, also sehr früh, wird der Ort als kuenringische Siedlung eines Heinrich von Steinpach genannt, 1258 erhält hier das Kloster Zwettl 2 Huben als Schenkung. Zu Ende des 14. Jahrhunderts sind die Herrschaften Allentsteig und Maissau hier begütert. Die Besitzungen des Stiftes Zwettl in Steinbach sowie das Gut Neunzen kaufte 1530 Sigmund Leisser, 1658 gingen sie an Joachim Freiherrn von Windhag über. Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Ort von den Schweden verwüstet.
Abb. 468 Die Kapelle von Steinbach von Südost, 1984
Abb. 469 Die Kapelle von Steinbach von Nordosten, 1984
Steinbach gehörte zur Gemeinde Bernschlag und zur Pfarre Allentsteig. Zum Zeitpunkt der Entsiedelung - 130 Waldviertler verloren ihre Heimat - umfaßte es 22 Häuser, von denen heute einige vom Bundesheer als Biwak-Bauten erhalten und genutzt werden.
Die gotisierende Thomas-Kapelle von Steinbach ist ein Bau aus 1858 (als Erneuerung der 1781 erbauten Kapelle) und hat derzeit kein Inventar. 1984 wurde sie von unten auf gründlich saniert, da sie sehr unter Feuchtigkeit litt und das Regenwasser sogar bei der Eingangstür eindrang. Leider wird die Kapelle nie gelüftet.
Allentsteig
Die Entsiedelung des Truppenübungsplatzes Allentsteig war ein gewaltsamer und gewaltiger Eingriff in eine Region, die sich seither nicht mehr davon erholen konnte. Allentsteig hat seine Mittelpunktfunktion verloren. (...) Das Gebiet um Allentsteig wurde genau gesehen 1938 das erste Opfer des nationalsozialistischen Regimes. So formulierte Othmar K. M. Zaubek in einem Artikel im Gedenkjahr 1988 die historisch bedingte Situation. Allentsteig, früher Zentralort und einer der 50 wichtigsten Marktorte der Donaumonarchie, wurde durch die Errichtung des NS-Schießplatzes schwer getroffen, verlor rund drei Viertel seines Hinterlandes
Abb. 470 Die Stadt Allentsteig 1940 – in der Zeit der Entsiedlung des Umlandes. Die Schloßbesitzerin konnte das Schloß nicht mehr halten, nachdem ihr die Ländereien durch Beschlagnahmung verloren gegangen waren. Eine indirekte Vertreibung.
und ist seither an drei Seiten vom Sperrgebiet eingeschlossen. In der Folge verlor die Stadt ... Ämter, Genossenschaften und Lagerhäuser sowie Notariats- und Rechtskanzleien. Die Stadt Allentsteig war sämtlicher Einkommensquellen beraubt und zum Dorf degradiert. Die Stadt hatte einen jährlichen Steuerausfall von 118.000 Reichsmark. Die Gewerbetreibenden legten reihenweise ihre Betriebe still. Kein Sommerfrischler ließ sich mehr in dieser Fremdenverkehrsregion blicken. Der Gerichtsbezirk Allentsteig war zertrümmert, die Zufahrt nur noch über große Umwege möglich.
Abb. 471 Kirche und Stadt Allentsteig, 1910.
Allentsteig ist die älteste urkundlich erwähnte Siedlung des mittleren Waldviertels.
Seither kämpft die Stadt im Zentrum des Waldviertels mit ständig wachsenden Strukturproblemen. Hatte Allentsteig um das Jahr 1910 rund 4.300 Einwohner, sind es heute etwa 2.500. Im Jahre 1940 beherbergte Allentsteig noch 165 Betriebe - 1990 waren es nur mehr 51 . Durch die Aussiedelung selbst mußten mindestens 95 Menschen aus 24 Häusern und dem Schloß ihre Heimatstadt verlassen.
Das Gebiet um Allentsteig wurde Mitte des 11. Jahrhunderts durch eine Königsschenkung der Babenberger an das Geschlecht der Kuenringer übertragen. Bereits in dieser Zeit entsteht die Burg, die 1150 erstmals urkundlich erwähnt und 1430 als herzogliches Lehen bestätigt wird. Von Zeiten kriegerischer Einfälle legt der Münzfund des Jahres 1934 Zeugnis ab, bei dem in einem Tongefäß rund 3.000 Silbermünzen aus der Babenbergerzeit (1170/75) entdeckt wurden.
Aus dem bedeutenden Geschlecht der Hager, das (mit Unterbrechungen) rund 250 Jahre die Herrschaft Allentsteig innehatte, gingen wiederholt hochrangige kaiserliche Beamte hervor, u.a. war Hans Hager kaiserlicher Falknermeister, Sigismund Hager NÖ Landmarschall und Julie Marie Christine Hager Hofdichterin des Hauses Habsburg. Nach den Familien Rappach und Falkenhain waren im 19. Jahrhundert die Freiherren von Pereira-Arnstein neben Krumau, Dobra-Wetzlas, Waldreichs und Schwarzenau auch im Besitz der Herrschaft Allentsteig. Zur Gemäldegalerie zählte auch das Portrait der Baronin Henriette Pereira-Arnstein und ihrer Tochter Flora von Friedrich Amerling.
Abb. 472 Historische Stadthäuser in Allentsteig, 1910
Abb. 473 Im Schloß der Baronin – Schloßhof Allentsteig, 1910
1918 erbte Maria von Preuschen-Lentz das Schloß in Allentsteig. 1939 geht das Schloß in den Besitz des Deutschen Reichs über. Die Lentz´sche Gutsverwaltung sah sich nicht mehr in der Lage mit dem nach der Aussiedelung verbleibenden Teil des Besitzes das Schloß zu erhalten. Das mittelalterliche Burgschloß wurde zum Kommandogebäude für den Schießplatz der Deutschen Wehrmacht umfunktioniert und erlitt in der Zeit der sowjetischen Besatzung schwere Verwüstungen.
Seit November 1957 hat die Burg als Sitz der Kommandantur des Übungsplatzes des Österreichischen Bundesheeres zu dienen, für viele Allentsteiger und Besucher bleibt der feudale Sitz des Tüpl-Kommandos ... vom Nimbus des Unbetretbaren umgeben.
Abb. 474 Florianisäule am Hauptplatz, 1910
Das in seinen Grundzügen aus dem 11. Jahrhundert stammende Ensemble der Bauwerke Schloß (mit dem großartigen dreigeschossigen Renaissance-Arkadenhof aus der Mitte des 16. Jahrhunderts), Meierhof und Schüttkasten wurden 1984-1987 aus Mitteln des Bundesdenkmalamtes und des damaligen Bautenministeriums saniert und renoviert. Im Zuge der Sanierungsarbeiten des Schlosses wurden auf dem etwa 42m hohen Schloßturm ein Sonnensymbol und Scheibenkreuz aus dem 17. Jahrhundert freigelegt und restauriert. Die Trockenlegung des Burgbaus sowie die Anbringung eines neuen Verputzes wurde 1987 abgeschlossen.
Abb. 475 Blick vom Malerwinkel in der Hamerlinggasse: Meierhof und Schloß in Allentsteig, 1991
Der Meierhof, das sogenannte Untere Schloß, geht in seinen Anfängen ebenfalls auf die Mitte des 11. Jahrhunderts zurück. Nach Bränden bzw. Zerstörungen wurde der Wirtschaftshof unter dem Geschlecht der Hager prächtig ausgebaut, wie die ursprünglich offene Loggia und die Säulen im Renaissancestil beweisen. Der Torturm des Meierhofs trägt die Jahreszahl 1525. Noch in den 1970er Jahren wurde in einem heute Jagdstüberl genannten Raum ein Deckenfresko freigelegt, das zwischen dem österreichischen Rot-Weiß-Rot und dem Wappen der Hager einen Ritter in Rüstung zeigt. Ende der 1980er Jahre wurde auch der in den letzten Jahrzehnten verfallene gedeckte Aufgang vom Meierhof zum Schloß wiederaufgebaut. Es ist dies Niederösterreichs längster Verbindungsgang dieser Art.
Abb. 476 Granitmarterl, ursprünglich von Pötzles, heute im Meierhof des Schlosses Allentsteig, 1984
Abb. 477 Ebenfalls im Meierhof steht die letzte von den 5 steinernen Säulen, die vom Schloß Groß-Poppen zur Kapelle im Thurnholz führten. Die Inschriften: Krönung Mariä (Nordseite), Erfindung Christi (Süd) und Christi Chreitzigung (West) 1984
Der Schüttkasten zählt zusammen mit dem Oberen Schloß und dem Unteren Schloß (dem Meierhof) zu den ältesten Bauwerken von Allentsteig. Der Schüttkasten diente ursprünglich als Getreidespeicher, die vier Geschosse weisen keinerlei Raumunterteilung auf. 1984/85 wurden schadhafte Teile der Decken (Schüttböden) ersetzt und der Verputz des etwa 60cm starken Steinmauerwerks erneuert, wobei eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Sonnenuhr restauriert wurde.
Aussiedlermuseum
Schon im Sommer 1988 beherbergte der Schüttkasten eine Ausstellung zur Erinnerung an das Unrecht, das vor 50 Jahren den Bewohnern dieser Region zugefügt worden war. Zahlreiche Fotos zeigten die 42 Ortschaften, die sich früher auf dem jetzt siedlungsleeren Truppenübungsplatz befanden. Mehrere künstlerische Objekte geistlicher und weltlicher Art symbolisierten das kulturelle Leben, das in diesem Raum einst blühte, in dem heute Ruinen und Kriegsgerät dominieren. Die Kontrastausstellung der Heeresforstverwaltung verwies auf die wirtschaftliche Bedeutung des Truppenübungsplatzes, u.a. als Jagdrevier.
Abb. 478 Schüttkasten Allentsteig, 1990
Im Gedenkjahr 50 Jahre Aussiedlung im Waldviertel wurde 1988 im Schloß Gobelsburg die Ausstellung Wegmüssen, gestaltet von Dr. Margot Schindler, Mitarbeiterin des Volkskundemuseums in Wien, gezeigt. Für ihre Arbeit - die wissenschaftlich gültige Dokumentation des Schicksals des Truppenübungsplatzes Döllersheim und vor allem die begleitende Buchveröffentlichung - erhielt die aus Hoheneich gebürtige Waldviertlerin bei den Niederösterreichischen Kulturpreisen 1988 den Anerkennungspreis. 1989 übersiedelte die Ausstellung von Gobelsburg als bleibende Schau in den Schüttkasten Allentsteig. Am 23. Juni 1989 wurde das Waldviertler Aussiedlermuseum eröffnet. Es versucht, an Hand von historischem und neuem Bildmaterial, von Zeitdokumenten und Berichten von Betroffenen und Objekten aus den entsiedelten Ortschaften Themenbereiche wie Topographie vor 1938, Volkskultur der Döllersheimer Region, Entsiedlung, Bewältigung des Faktums Heimatverlust und die Situation im Spannungsfeld von Aussiedlerkultur und Truppenübungsplatz heute zu dokumentieren.
So ist dem Aussiedlermuseum in Allentsteig zu wünschen, daß es eine Institution wird, die auf Unrecht und Unterdrückung in unserem Jahrhundert hinweist und so auch Denkanstöße liefert, die für die Zukunft bei verantwortlichen Stellen zur Gewissensbildung beitragen.
Friedel Moll, Aussiedlermuseum, zitiert nach Das Waldviertel 4/1988, S. 272
`Das Aussiedlermuseum soll eine Stätte sein, in der bewußtes Vergessen für politisch Verantwortliche unmöglich ist.´ Mit diesen kritischen Worten strich Dr. Margot Schindler die Bedeutung des `Waldviertler Aussiedlermuseums´ in Allentsteig in der heutigen Zeit hervor. Bei herrlichem Sommerwetter durfte Bürgermeister OSR Dir. Erich Schaffarik ... zirka 150 Gäste, unter ihnen zahlreiche Ehrengäste zur Eröffnung des `Waldviertler Aussiedlermuseums´ im Schüttkasten begrüßen. ... Anschließend ... gab Dr. Schindler eine Einführung in das Museum. An ihrer bemerkenswerten Rede erkannten die Besucher, daß ihr das Museum in Allentsteig im Laufe ihrer Tätigkeit sehr ans Herz gewachsen ist. Auch Landtagspräsident Romeder bezeichnete die Eröffnung als einen Augenblick, in dem man innehalten sollte, um nachzudenken. Er rief die Anwesenden auf, über bestehende Probleme des Waldviertels nicht zu lamentieren, sondern zu versuchen, sie aufzuzeigen und aktiv ans Werk zu gehen.
Abb. 479 Eröffnung des Aussiedlermuseums am 23. Juni 1989: Dr. Margot Schindler, Gestalterin des Aussiedlermuseums und Verfasserin des Buches Wegmüssen; Bürgermeister Schaffarik
Um die Erhaltung des Aussiedlermuseums sorgte sich neben der Stadtgemeinde Allentsteig bis 1997 auch der Verein Aussiedlermuseum Allentsteig. Die Öffnungszeiten des Museums sind: April bis Oktober, Samstag, Sonntag und Feiertag 10 - 12 Uhr und 14-17 Uhr (bzw. nach Anmeldung bei der Stadtgemeinde Allentsteig, Tel. 02824/ 2310).
Das Leben in den verlorenen Dörfern
Eva Bakos, Landschaften für Genießer. Waldviertel - Wachau - Weinviertel, Wien 1994, S. 160ff
Im alten Schüttkasten öffnet sich das Tor zu einer besonderen Erinnerungsstätte: dem Aussiedlermuseum. Mitten im Raum: ein Leiterwagen, vollgepackt mit Kasten und Bett, Schaufel, Sack und Sieb. So zogen die Siebentausend davon, um Kanonen, Panzern, exerzierenden Soldaten Platz zu machen.
Und plötzlich ist es wieder da: das Leben der verlorenen Dörfer, die draußen eins mit der Natur werden. Ganz einfache und gerade deshalb so eindrucksvolle Exponate und Zeittafeln beschwören, was war. Und was verlorenging.
Kaum eine Region des Waldviertels wurde so genau dokumentiert wie das leergewordene Land um Döllersheim. Als die Dörfer starben, kamen die Wissenschafter und registrierten jedes Detail des bäuerlichen Lebens. Bereits zur Zeit der Aussiedlung entstand eine detailgetreue Beschreibung aller geräumten Gehöfte, die heute mit allen Vorurteilen und Einschränkungen der Herausgeber wieder aufgelegt wurde. Man bekommt sie und eine Reihe sehr viel aufschlußreicherer, kritischer Publikationen im Büchershop des Schüttkastens. Eines der informativsten Bücher entstand im Auftrag des Museums für Volkskunde: Wegmüssen. Die Entsiedlung des Raumes Döllersheim 1938/42, in dem die Autorin Margot Schindler liebevoll und detailgenau das Leben in den verlorenen Dörfern und das schreckliche Ende beschreibt....
Die Bilder im Schüttkasten von Allentsteig sprechen eine stille, erschütternde Sprache. Da ist - nur von Jahreszahlen begleitet - der Verfall einer schönen alten Kirche dokumentiert, bis nur noch die Grundmauern übrig sind. Prachtvolle Mariensäulen versinken über die Jahre zu einem armseligen Steinhaufen...
Die Pfarrkirche
Die dem hl. Ulrich geweihte Stadtpfarrkirche von Allentsteig geht ebenso wie die Burg auf das 11. Jahrhundert zurück. Der ursprünglich einschiffige romanische Kirchenbau wurde mehrmals erweitert und im 14./15. Jahrhundert gotisiert. Der Bau des nördlichen Seitenschiffs, der Lorettokapelle, wurde 1690 durch Ferdinand Christoph Rappach ermöglicht, die südliche Herz-Jesu-Kapelle wurde 1904 erbaut. Im schön gestalteten und stets blumengeschmückten Inneren des Gotteshauses sind besonders bemerkenswert die Grabsteine des NÖ Landmarschalls Sigmund Hager (†1521) und des Rittmeisters Georg Haffner (†1680), der nach einem Großbrand in der Stadt den Neubau des Kirchturms finanzierte, das Renaissance-Taufbecken mit der Jahreszahl 1591 sowie das große Ulrichs-Fenster im Presbyterium. Die heutige Ausgestaltung des Altarraums stammt aus dem Jahr 1954.
Abb. 480 Pfarrkirche Allentsteig, 1997
Abb. 481 Inneres der Allentsteiger Pfarrkirche zum hl. Ulrich, 1997
Auf dem Kriegsopferdenkmal in Allentsteig wird mit Gedenksteinen auch der gefallenen Söhne der seit dem NS-Regime nicht mehr existenten Pfarren Groß-Poppen, Edelbach, Oberndorf und Döllersheim gedacht: stellvertretend für jene Soldaten, denen man zwar die Heimat genommen hatte, die aber trotzdem als Verteidiger der Heimat sterben mußten...
Abb. 482 Gedenken für die Kriegsgefallenen der Alten Heimat auf dem Kriegsopferdenkmal in Allentsteig, 1995
Wie sieht Allentsteig heute aus? www.allentsteig.at
Weltfriedensdorf auf Hitler´s Schießplatz
In der zweiten Hälfte der 1980er bis in die 90er Jahre wurden im Allentsteiger Kino und in Loschberg bei Waldhausen Internationale Friedenskulturwochen mit einem reichhaltigen Programm aus Musik, Tanz, Theater, Kabarett, Diskussion, Workshops u.a. abgehalten. 1991 dauerte die Veranstaltung 52 Tage, für jedes Jahr seit Beginn des zweiten Welkriegs ein Tag der Besinnung. Der Initiator, Gerhard Burger, entwarf die Vision eines Weltfriedensdorfs auf Hitler´s Schießplatz, wo friedfertige Menschen, Ganzheitsphilosophen und Zukunftsforscher einen Freiraum vorfinden sollten, um an diesem Akupunkturpunkt, der den ganzen Organismus des Körpers Menschheit reizt eine Ethik des Friedens zu erarbeiten.
Soldatenfriedhof
Abb. 483 Soldatenfriedhof, 1997
Im Herbst 1981 wurde östlich von Allentsteig, unmittelbar an der Sperrgebietsgrenze, ein Friedhof geweiht. Hier ruhen 3855 deutsche Soldaten und 45 Kriegstote verschiedener Nationen, ist auf einem Schild am Eingang zu lesen. Auf dem gepflegten Rasen stehen hunderte von kleinen, grauen Steinkreuzen in Reih und Glied, vier Namen auf jedem, zwei vorne, zwei auf der Rückseite. Der wenige hundert Meter entfernte Friedhof der ehemaligen Pfarre Groß-Poppen dagegen, wo etwa 7.000 Waldviertler bestattet sind, liegt nach wie vor im Gebiet einer Panzer-Schießbahn, nicht selten detonieren auf dem Friedhof Granaten.
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... und über das Gebiet rund um Döllersheim: www.allentsteig.at www.walthers.at