Pfarre Franzen

Ab. 508  Eine Fliegeraufnahme aus Franzen, N. D., adressiert an den Gefreiten Fritz Platzer, Werftzug Lönnenwitz b. Falkenberg/Elster, Alt-Reich, geschrieben am 12. 11. 1940.

Überleben trotz Todesurteil

Die leidgeprüfte Pfarre Franzen wurde zum Tod verurteilt, verkleinert, ist aber letztendlich am Leben geblieben - durch das mutige Eintreten einiger Ortsbewohner.

Die Ortschaft Franzen , am Fuß eines gewellten Höhenzuges an der Bundesstraße 38 (Horn - Zwettl) gelegen, ist ein Straßendorf, dessen ursprüngliche Form jedoch  durch die Zubauten am Teich verwischt wurde. Urkundlich zwar erst 1294 erstmals erwähnt, war der Ort bereits im 12. Jahrhundert bedeutsam. Der Ort gehörte zur  Herrschaft Dobra-Wetzlas, bereits Anfang des 18. Jahrhunderts wurde eine Schule errichtet. Die Pfarre entstand spätestens im 13. Jahrhundert, als Franzen aus dem  Kirchensprengel Alt-Pölla gelöst und zur selbständigen Pfarre erhoben wurde. Dennoch wurde sie immer wieder von Döllersheim mitbetreut. 1713 wurde sie von Johann Reichart Schäfer, Freiherr zu Dobra, neu bestiftet.  Das Gründungsdatum  der Pfarrkirche zum Hl. Martin ist unbekannt, das Patrozinium läßt jedoch auf ein hohes Alter schließen. Dem Langhaus vorgebaut ist ein quadratischer Turm, das  Kirchenschiff wird erhellt durch je zwei hochovale Fenster.

Im Juli 1938, als die Errichtung des Schießplatzes durch das NS-Regime offiziell wurde, verlangte die Diözese St. Pölten von den betroffenen Pfarren über das  zuständige Dekanatsamt eine Äußerung. Im Antwortschreiben von Michael Koller heißt es: Von der Pfarre Franzen werden aufgehoben: Franzen, Eichhorns,  Thaures, Schwarzenreith und Reichhalms. Bis Frühjahr 1939 haben wir noch Ruhe. Dann erst wird sich entscheiden, ob die anderen Orte bleiben oder verschwinden  müssen: Es sind dies Dobra, Kienberg, Schmerbach, Wetzlas und Nondorf. Es wurde der Gedanke ausgesprochen, daß eine neue Siedlung errichtet wird -  irgendwo - in der auch Kirche und Pfarrhof errichtet werden und wohin das gesamte Inventar von Kirche und Pfarrhof übertragen werden soll. Es dürfte gut sein  abzuwarten. Mit 1. August 1941 war die Pfarre in Auflassung begriffen.  

Abb. 509 Sommerfrische Franzen, Kirchenplatz mit Kriegerdenkmal.

Auch die Pfarrkirche in  Franzen war ursprünglich dazu verurteilt, eine Ruine zu werden.

Zur Zeit der Entsiedelung zählte Franzen, damals zweitgrößte Gemeinde im Bezirk Zwettl, 58 Häuser. Die Räumung sollte bis 1. Oktober 1941 erfolgen, doch in der  Gemeinderatssitzung am 5. Oktober 1941 wurde die Auflösung der Gemeinde einstimmig abgelehnt: ... Nach Anhören der Gemeinderäte wird der Antrag des  Heeresgutsbezirkes für unannehmbar betrachtet, da die verbleibenden Orte: Kienberg, Schmerbach und Nondorf durch die Entsiedlung von Franzen ihre  öffentlichen Einrichtungen verloren hätten ... Wir können es nicht verantworten, dieser Aufford(er)ung zu folgen, bis nicht Ersatz geschaffen ist.  Die Gemeinde  wurde am 13. Dezember 1941 rückwirkend in den Übungsplatz eingegliedert. Der Großteil der Bevölkerung hatte bereits den Ort verlassen, einige Bewohner -  darunter auch der Pfarrer - weigerten sich allerdings, Franzen zu verlassen.

Pfarrer Koch schreibt im Vorwort der Pfarrkunde: Zwangsentsiedelt bis auf 7 Familien, die leeren Häuser zur Not ausgefüllt mit Zwangsaussiedlern umgebender  Ortschaften, konnte Franzen überleben; doch waren sie mietzinsverpflichtet auf eigenem Grund. Selbst der Seelsorger mußte für Friedhof, Pfarrhof und Kirche Zins  zahlen. Erst nach dem Staatsvertrag durften die leidgeprüften Aussiedler Haus und Hof unter schwersten Opfern zurückkaufen. (!!)

Sieben Familien harrten unter größten Entbehrungen auf ihren Häusern aus. Es sind dies Hofbauer (Nr. 4), Kellner (Nr. 9), Ehrgott (Nr. 26), Cäcilia Kushold (Nr. 27),  Wieshofer (Nr. 40), Platzer (Nr. 42) und Bronhagl (Nr. 46). Ebenso standhaft war der Pfarrer auf Nr. 2 (Pfarrhof). Sie trotzten Geschützdonner und Granateinschlägen in  der nächsten Umgebung, auch nachdem die Männer zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, die Geschäfte im Orte alle zugesperrt hatten und die Wehrmacht  Miete für die Häuser und Grundstücke - auch für die Kirche - verlangte.

Abb. 510 Maria Nußbaum, 1983

Maria Nußbaum, die Schwester von Frau Wieshofer, erzählte im August 1983 einem Zeitungsreporter: Wenn geschossen wurde, sind wir in den Keller gegangen.  Die Feldgendarmen haben oft gedroht, man wird uns durchs Fenster schießen. Schließlich mußten wir in unseren eigenen Häusern sogar Zins zahlen. Auch der  Strom wurde abgeschaltet. Da haben wir halt Petroleum genommen.  

Auch während des 2. Weltkriegs war die Pfarre mit einem Seelsorger besetzt. Es war P. Tomitschek, der bis August 1945 in Franzen blieb. Dem neuen Pfarrer  Wilhelm Koch gelingt es am 1. Juni 1948, die erste Herausgabe Deutschen Eigentums zu erreichen: Kirche, Pfarrhof und Friedhof wurden von der russischen  Besatzungsmacht der Pfarre Franzen geschenkt. Pfarrer Koch, VD Schüsterl und der Schlossermeister Friedrich Platzer beginnen 1949 mit dem Kampf um den  Wiederanschluß des Ortes an das Stromnetz, der 4 Jahre dauern sollte: Erst am 8. November 1953, konnten 40 Häuser sowie Kirche und Pfarrhof an das Stromnetz  angeschlossen werden. Erst mit Jahresanfang 1955 kann die Wiedererstehung von Franzen mit Reichhalms und Waldreichs als politische Gemeinde in die  Geschichtsbücher eingetragen werden. Und erst mit 1. November 1961 (!) wurde Franzen endgültig vom Schießplatzgebiet abgetrennt.

Den Widerspruch gegen die Aussiedlungsaktion des NS-Diktatur und die Zeit nach dem Krieg faßte der aus Neu-Pölla gebürtige Kunsthistoriker Dr. Friedrich Polleroß  in einer Rede im Aussiedler-Gedenkjahr 1988 zusammen: der Gemeinderat (von Franzen) beschloß 1941 einstimmig, die Angliederung an den Truppenübungsplatz  abzulehnen, zwei Frauen weigerten sich zu verkaufen und wurden enteignet und mehrere Familien zogen einfach nicht weg. Dieser Widerstand bildete das Rückgrat  für das Überleben des Ortes, der schließlich auch noch den Klauen des Bundesheeres entrissen werden mußte. Der Kampf mit dem Bundesheer war  genauso schwierig wie jener mit der Wehrmacht. Denn die demokratische Republik übernahm zwar gerne den von der Nazidiktatur zusammengestohlenen und  erpreßten Besitz, weigert sich aber, dafür Wiedergutmachung zu leisten ...  

Der letzte echte Franzener

Friedrich Platzer oder da Platzer Fritz, wie er vielfach genannt wird, war bei meiner Arbeit für dieses Buch in vielen wichtigen Belangen mein Hauptinformant. Er ist -  wie er wörtlich sagte - das einzige männliche Geschlecht, das aus Franzen gebürtig ist, alle anderen sind Dazugezogene.

Abb. 512 Friedrich Platzer 50jährig, 1966

Das Licht der Welt erblickte er am 16. Juni 1916 in Franzen Nr. 42. Bevor Friedrich Platzer einrücken mußte, fuhr er als Kraftfahrer bei der Firma Benno Ringsgwandl,  Ruhpolding. Mit diesem LKW mußte er zahlreiche Aussiedlertransporte durchführen; ins Waldviertel, nach Ober-Donau und in die St. Pöltner Gegend. Dann mußte er zur Deutschen Wehrmacht einrücken.

Der Führer des Unterstabes, Melhouse, schrieb Friedrich Platzer zu Weihnachten 1942 als Widmung auf die erste Seite eines Buches: Kamerad Platzer, Sie haben  unter den schwierigsten Verhältnissen unser kostbarstes Stück, den Werkstattmaschinenwagen, durch die endlose, weglose Steppe, durch die Berge  des Kaukasus gesteuert. Diese Sache soll Ihnen sichtbar Anerkennung dafür und weiterer Ansporn zugleich für neue Höchstleistungen sein.

Nach dem Krieg arbeitete Fritz Platzer daheim bei seiner Mutter in der Schlosserei und im Maschinenhandel. Im Jahre 1954 hat er seine Gattin Leopoldine geheiratet.  Sie ist eine geborene Pöhn aus Heinreichs, war später in Söllitz und dann, bis zu ihrer Verehelichung, auf dem Haus in Nondorf Nr. 11, das später ein BIWAK war  und erst vor wenigen Jahren abgetragen wurde. Fritz Platzer erzählte: Von der Stauberhüttn habe ich sie hereingeholt, aufs Haus in Franzen Nr. 16 haben wir geheiratet.

Abb. 511 Frierich Platzer bei Aussiedlertransporten, 1938/39

Bis zum Bau der Verbindungsstraße mit Zwettl (B 38) im Jahre 1968 hatten die Bewohner von Franzen bei Schießübungen weiträumig über Gföhl ausweichen  müssen, um in ihre Bezirksstadt Zwettl zu gelangen.  

Abb. 513 Das Kriegerdenkmal in Franzen im Jahre 1938

Friedrich Platzer, der letzte echte Franzener ist mit dem Häuserbestand des Ortes bestens vertraut: Heute nicht mehr existent sind die Häuser Nr. 6 (Dum; das heutige  Haus Nr. 6, Bronhagl, ist ein Neubau), Nr. 11 (Germann), Nr. 14 (Gschmeidler), Nr. 22 (Zimmermann) und Nr. 36 (Ferst). Nicht alle ehemaligen Bewohner von Franzen  sind oder konnten nach dem Staatsvertrag mehr in ihre alte Heimat zurückzukehren. Viele waren inzwischen schon gestorben. Nach Franzen zurückgekehrt ist eigentlich  nur die Familie Schimek. Sie war früher auf dem Haus Nr. 53 und ist jetzt auf Nr. 7 (Bergmaier). Die Krapfenbauer stammen aus Strones Nr. 15 und siedelten sich  nach der Vertreibung aus der Tschechei in Franzen Nr. 44 (Körner) an. Vier Familien, die ebenfalls vom Tüpl-Gebiet stammen, sind heute auf den Häusern Nr. 8 und Nr. 54 und Nr. 55 und Nr. 57 beheimatet.

Abb. 514 Die Pfarrkirche in Franzen, 1984

Der Friedhof in Franzen

Besonders erschüttert hat mich der Friedhof in Franzen. Dadurch, daß fast 1.000(!) Menschen aus der Pfarre Franzen vertrieben worden sind und beinahe alle (!) nicht  mehr zurückkehren konnten, sind leider auch die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen nicht mehr gepflegt worden und viele sogar aufgelassen worden, wie  die riesigen Rasenflächen im Ostteil des Friedhofes wohl andeuten.

Abb. 515 Der Friedhof in Franzen, 1984

Abb. 516 Aufgelassene Gräber wurden zu Rasenflächen, 1984

Dazu möchte ich einen eindringlichen Appell an die Aussiedler richten: Liebe Heimatvertriebene, soweit es noch möglich ist, laßt Euch doch die Gräber Eurer  verstorbenen Angehörigen nicht nehmen! Die Gräber sind ja zugleich auch ein Stück von Eurer alten Heimat. Ihr habt ohnehin schon Eure Wohnheimat verloren!

Abb. 517 Grabinschrift für Franziska Nowotny, Gastwirtin aus Döllersheim Nr. 21, † 18. März 1966, (1984)
Abb. 518 Grabinschrift für Anna Dietl, Mühlenbesitzerin aus Dobra, † 5. Juli 1917, (1984)
Abb. 519 Leopoldine Tretzmüller 1894 – 1968 Ludwig Tretzmüller 1896 – 1975
Abb. 520 Hier ruhen Eduard und Maria Buchinger aus Thaures (1984)
Abb. 521 Grab von Johann Floh aus Eichhorns Nr. 29, † 4. 5. 1918 (1984)
Abb. 522 Grabkreuz für Ferdinand und Leopoldine Müller aus Eichhorns † 1918 - † 1927 (1984)
Abb. 523 Grabkreuz für Ignaz Katzenschlager (1874 – 1945) aus Döllersheim (1984)

Einige Gräber sind noch mit Kreuzen und Grabsteinen versehen und werden noch gepflegt, wie das von Eduard und Maria Buchinger aus Thaures, deren Heimatort ja  als erster in der Pfarre am 1. April 1939 zwangsentsiedelt wurde.

Vielleicht könnte auf dem kirchlichen Friedhof von Franzen in Zusammenarbeit zwischen politischer Gemeinde und Pfarre auch ein Ehrengrab errichtet werden,  zum Andenken an die hier bestatteten Angehörigen der Aussiedler aus den zerstörten Orten Dobra, Eichhorns, Thaures, Schwarzenreith sowie aus den  teilentsiedelten Orten Franzen, Kienberg, Nondorf, Reichhalms und Wetzlas.

Wie mir Friedrich Platzer mitteilte, lassen sich nicht wenige Zwangsaussiedler ihre letzte Ruhestätte nicht nehmen, so z.B. die Familien Hofbauer und Hochenbichler (einst Franzen Nr. 30 und 31).

Auch Zwangsausgesiedelte aus der Pfarre Döllersheim fanden am Friedhof in Franzen ihren Ruheort, ja sogar von Angehörigen der Pfarre Oberndorf, nämlich aus  Ober-Plöttbach Nr. 20, fand ich am Friedhof in Franzen ein Grab.

Schloß und Schloßkapelle Wetzlas
Ähnlich wie Waldreichs war auch dieses Schloß von einem Gutsweiler umgeben. 1271 erfolgte die erste urkundliche Nennung von Wetzlas. Das 1720 aus einem  Meierhof entstandene Schloß löste den Herrensitz Dobra ab. Burg Dobra verfiel hauptsächlich deshalb zur Ruine, weil Johann Philipp Freiherr von Ehrmanns 1725  seinen Sitz von Dobra in das neu ausgebaute Schloß Wetzlas verlegte.

Abb. 524 Schloß Wetzlas, Federzeichnung von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1815 (Wien, Graph, Slg. Albertina)

 

Das Obergeschoß erhielt Schloß Wetzlas erst 1842. 1814 erwarb der einer portugiesisch-holländischen Familie enstammende Heinrich Freiherr von  Pereira-Arnstein (1773-1835) neben der Herrschaft Krumau auch die von Dobra-Wetzlas und vereinigte sie 1816 mit dem ein Jahr zuvor gekauften Gut  Waldreichs. Seit 1800 in Wien ansässig, gehörte der Leiter des Bankhauses Arnstein & Eskeles mit seiner Gattin Henriette zu den wohlhabendsten Juden, die  nicht zuletzt aufgrund der 1810 erfolgten Konversion zum Katholizismus Eingang in die führenden gesellschaftlichen Kreise des Wiener Biedermeier gefunden haben.   Bereits damals, als diese Landschaft von den ersten Wiener Reisenden und Malern als pittoreskt entdeckt und beschrieben wurde, hatten die Schlösser im Kamptal für  die neuen Besitzer den Charakter einer Sommerfrische. So ließ Baron Pereira-Arnstein auch die Ruine Krumau wieder instandsetzen - als Rastplatz bei Ausflügen aus Wetzlas.

Durch den literarisch-musikalischen Salon, begründet von der berühmten Fanny von Arnstein, Henriettes Mutter, stand die Familie in Verbindung mit zahlreichen  Künstlern der Zeit, etwa Grillparzer, Stifter, Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy. Der Wiener Maler Friedrich Amerling schuf 1833 ein Bildnis der Baronin mit ihrer  Tochter Flora, die beiden Maler Julius Schnorr von Carolsfeld und sein Freund Friedrich Olivier verbrachten den Sommer 1815 auf Schloß Wetzlas und hielten  Ansichten des Schlosses und umgebender Landschaften in feinen Feder-zeichnungen fest.

Im Jahre 1940 wurde das Schloß, das seit 1932 Eigentum der Preßburger Ersten Sparbank war, vom Deutschen Reich übernommen. Zur Zeit der Aussiedelung  umfaßte der Ort 23 Häuser. Heute gibt es nur noch 15 Häuser im Dorf Wetzlas.

Abb. 525 Der Südtrakt des Schlosses Wetzlas mit der Sternwarte, von der Ostseite her, 1984

Abb. 526 Schloßkapelle Wetzlas, Apsis, 1984

Durch die Abtrennung des nunmehrigen Gebietes der Windhagschen Stiftung liegt Wetzlas heute außerhalb des Truppenübungsplatzes. In den Jahren nach dem 2.  Weltkrieg haben Schloß und Kapelle arg gelitten. Die Familie Laubichler aus Wien hatte schon viel für die Restaurierung des Schlosses getan. Der Südtrakt mit dem  interessanten Turm, der im Jahre 1729 für astronomische Zwecke erbaut wurde, sowie die Kapelle, wurden renoviert. In den letzten Jahren war auch der Journalist  und Nationalratsabgeordnete Hans Pretterebner Schloßherr von Wetzlas.

Bemerkenswert ist die im Erdgeschoß des Schlosses gelegene Kapelle. Sie stammt aus dem Jahr 1725 und ist eine barocke Kapelle zum gekreuzigten  Heiland. Sie hat ein flachgedecktes, quadratisches Schiff und eine halbrunde, aus der Südfront des Schlosses heraustretende Apsis.

Der Altar hat eine gemauerte Sarkophagmensa, der Aufsatz mit Tabernakel und das Kreuz sind aus einheimischem Marmor gemeißelt. Dieser wurde in der Nähe von Alt-Pölla um die Mitte des 19. Jahrhunderts gebrochen.

Abb. 527 Schloßkapelle Wetzlas, Innenansicht, 1984

Abb. 528 Die Schloßkapelle mit ihren Kreuzwegbildern, 1984

Die Schloßkapelle besitzt durch Familie Laubichler 14 schöne Kreuzwegbilder, Öl auf Leinwand, aus dem vorigen Jahrhundert. Die kunstsinnige Familie fand diese  Bilder im Burgenland auf einem Dachboden, wie mir Frau Laubichler im September 1984 in der Kapelle erzählte. Die Bilder X-XIV sind an der Ostseite angebracht.

Die Ortschaft Kienberg blieb von der Entsiedelung - bis auf zwei Häuser - verschont, Schmerbach wurde - entgegen der Planung, aufgrund des Zusammenbruchs der NS-Herrschaft - Gott sei Dank nicht entsiedelt.

 

Reichhalms
Der lose angelegte Weiler Reichhalms, der sich einen Nordhang am Kamp hinaufzieht, gehört zur Gemeinde und Pfarre Franzen. In das Jahr 1415 fällt die erste  urkundliche Nennung. Von den zur Zeit der Aussiedlung bestehenden 31 Häusern wurden alle bis auf 5 entsiedelt. Heute befindet sich der Ort außerhalb des Truppenübungsplatzes und ist wieder besiedelt.

Eine Kapelle war bereits im Jahre 1734 erbaut worden und 1835 als rechteckiger Ziegelbau mit halbrundem Abschluß erneuert worden, da die bestehende Kapelle zu  klein geworden war. Über der glatten Giebelwand im Westen befand sich ein quadratisches Holztürmchen mit Zwiebeldach. Um 1980 ist die Kapelle abgetragen  worden (!). Was an Inventar von der Kapelle in Reichhalms noch vorhanden war, kam in die Kapelle nach Kienberg.

Abb. 529 Ein kleiner Trost für Reichhalms: Wenigstens der Bildstock am Weg nach Franzen wurde restauriert.

Abb. 530 Anna Löffler, 1984: Heimatliebe trotz harter Arbeit

Abb. 531 Die Kapelle von Reichhalms, vor 1938

Die Kapelle stand quer zum Hause Reichhalms Nr. 4 (Gramel). Mit Frau Anna Löffler, geborene Gramel, konnte ich im September 1984 sprechen. Die Familie  Gramel läßt sich schon über ein paar Jahrhunderte auf dem Haus Nr. 4 zurückverfolgen. Da auch ich, wie Frau Anna Löffler, im Jahre 1934 geboren bin,  kenne ich gut die trostlose Zeit, in der sie aufgewachsen ist. Obwohl sie Zeit ihres Lebens als Landwirtin in Reichhalms hart arbeiten mußte, liebt sie ihre Heimat von ganzem Herzen.

 

Abb. 532 Das Haus der Familie Sperrer, 1984

 

Abb. 533 Wohnhaus der Familie Löffler, 1984

Sie ist nicht glücklich darüber, daß die Kapelle abgetragen wurde. Auch die Häuser Nr. 2, 5, 7, 8, 9, 11, 18, 19, 20, 21, 22 und 23 wurden weggerissen. Die Häuser Nr.  12, 13, 15, 24 und 26 haben Neubauten Platz gemacht. Vier Familien blieben unter größten Opfern auf ihren Häusern: Friedl (Nr. 1), Sperrer (Nr. 3), Löffler (Nr. 4) und  Brenner (Nr. 17). Im Ort Reichhalms leben nur mehr 12 Angestammte. Die übrigen Einwohner sind zum Großteil Wiener.

Nondorf

Abb. 534 Auch Nondorf hatte sehr durch den Schießplatz zu leiden, 1984

Abb. 535 Das Haus Lemp (Nondorf Nr. 16) zeigt noch deutlich die Spuren der Entsiedelung. 1984

Der östlich von Franzen, heute hart an der Schießplatz-Grenze gelegene Ort Nondorf scheint spätestens 1320 in einer Urkunde auf, derzufolge hier das  Krankenhaus des Klosters Zwettl Einkünfte besaß. Der Forstmeister von Gföhl stiftete 1384 ein Gut für den Katharinen-Altar in Neu-Pölla, nach dem Dreißigjährigen Krieg war fast das ganze Dorf verödet.

Auch durch die Anlegung des Truppenübungsplatzes hatte das zur Pfarre Franzen gehörige Nondorf sehr zu leiden. Von 25 Häusern mit 120 Einwohnern mußten  mindestens 45 Menschen aus 11 Häusern ihre Heimat verlassen. Franz Aschauer, ein 70jähriger Landwirt, kennt alle Zwangsausgesiedelten aus Nondorf mit Tauf- und  Familiennamen. Er wohnt in Nondorf Nr. 12. Die 11 entsiedelten Häuser waren Nr.1 Hahn, Nr.6 Eichhorn, Nr.11 Stauber, Nr.14 Endl, Nr.15 Schmutz, Nr.16 Lemp, Nr.17  Zinner, Nr.18 Hagmann, Nr.22 Trommelschläger, Nr.24 Endl, Nr.25 Hartmann. Auf den Häusern Nr. 1, 6, 14, 15, 16, 17 und 18 sind jetzt neue Siedler. Die Häuser, die  oben auf der Höhe standen, waren im Übungsplatz drinnen und sind erst vor mehreren Jahren weggerissen worden. Es sind die Häuser Nr. 22 und 25. Das  Haus Nr. 24 ist vor 10 Jahren weggerissen worden. Das Stauberhaus (Nr. 11) diente als Bundesheerunterkunft und ist in der letzten Zeit abgetragen worden.

Abb. 536 Die Ortskapelle in Nondorf, 1984

Das Ehepaar Franz Mayer und Hermine, geborene Endl aus Nondorf Nr. 19, hat in den Kriegs- und Nachkriegsjahren das Leben in seiner ganzen Härte erfahren. Der  Vater Franz Endl, Nondorf 19, konnte mit seiner Familie am Haus bleiben, hat aber den ganzen Grundbesitz von 16 Hektar samt Wald verloren. Franz Mayer kam erst  im Jahre 1950 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft heim. Er schloß am 15. Mai 1955 den Ehebund mit Hermine Endl. Als gelernter Maurer war er viele Jahre  hindurch beim Bautrupp des Bundesheeres als Vorarbeiter bei der Sanierung der Tüpl-Straßen beschäftigt. Er ist ein Nondorfer und stammt aus dem Hause Nr. 5.  Beide sind glücklich, daß ihnen das Haus Nr. 19 gehört. Die Kapelle mit halbrunder Apsis, je einem Rundbogenfenster und einem Westtürmchen wurde 1833 erbaut. Erst vor kurzer Zeit wurde sie stilgerecht renoviert.

Die zerstörten Orte und Kapellen der Pfarre Franzen

Dobra
Der Name Dobra kommt vom Slawischen und heißt wörtlich übersetzt Die Gute. Die erste urkundliche Nennung des auf einer Anhöhe im Kamptal südlich von  Franzen gelegenen Dobra geht auf das Jahr 1186 zurück, wiederholt werden die Herren von Dobra als Zeugen in mittelalterlichen Urkunden angeführt. Der Herrensitz  in Dobra wurde ab 1725 zur Ruine, weil in diesem Jahr die Bewoh- ner in das neu ausgebaute Schloß Wetzlas übersiedelten. Heute beeindruckt der weitläufige  Ruinenkomplex von Dobra durch die malerische Kulisse am gleichnamigen Kampstausee, der in den späten 50er Jahren angelegt wurde. Über die Lage des  Weilers Dobra, der aus mehreren Häusern bestand, gibt die Alte Heimat ein wenig Orientierung. Bei der Zwangsaussiedelung im Jahre 1940 bestand der Weiler  Dobra aus 5 Häusern mit 34 Einwohnern. Unter den 5 Häusern war auch die Mühle.

Abb. Eingang zum  Campingplatz Dobra – dort, wo einst das Bauernhaus Bruckner (Nr. 5) stand. Der Keller existiert noch. 1984

Abb. 538 Blick vom heutigen Campingplatz auf die Ruine Dobra, 1984

Eichhorns
Ein landesfürstliches Lehen wird 1415 in Aicharns bestätigt, Ferdinand I. erhebt 1532 einen Hof zum Edelmannsitz. Später wird Eichhorns der Herrschaft Waldreichs einverleibt.

Die Ortskapelle in Eichhorns wurde um 1780 als Ziegelbau errichtet. Im Westen besaß die glatte Giebelwand über dem Giebel ein hölzernes, quadratisches  Glockentürmchen mit Schindelzwiebeldach. Im Norden und im Süden gab es je ein rundbogiges Fenster. Die ehemalige Kapelle in Eichhorns, die 1979 (!) mit ihrem  Turm noch als Rohbau stand, ist heute eine Ruine: die Mauerreste haben bis 2m Höhe, die Aufmauerung für den Altar ist klar erkennber, vor dem ehemaligen Eingang stehen zwei Kastanienbäume.  

Abb. 539 Um 1939: Die Kapelle von Eichhorns sowie die Häuser Nr. 17, 18 und 19

Abb. 541 Mit Einschüssen übersäter Bildstock an der Straße nach Riegers, 1984

Schwarzenreith
Die Zusammensetzung des Ortsnamens mit -reith weist auf die Rodung und somit auf die Zeit der Kolonisation des Waldviertels hin. Urkundlich ist der Ort 1499  erstmals nachweisbar, Ende des 16. Jahrhunderts gehörte er zur Herrschaft Dobra. Das Straßendorf gehörte zu Pfarre und Gemeinde Franzen. In Schwarzenreith fielen  18 Häuser und deren Bewohner der Aussiedelung zum Opfer. Heute liegt der Ort im Schießplatzgelände. Ruinenreste von Schwarzenreith befinden sich im Wald neben der Straße nach Thaures.

Abb. 540 Die Kapelle Schwarzenreith sowie die Häuser Nr. 6 und 7, um 1939

Die Ortskapelle stammte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Über dem Westgiebel war das hölzerne, rotgestrichene, quadratische Glockentürmchen mit  Schindelzwiebeldach. Die Lage ist nicht mehr feststellbar - vermutlich die Folge von Planierungsarbeiten.

Thaures

Abb. 542 Thaures um 1910

Das Breitangerdorf Thaures lag in einem von Wäldern umgebenen Talkessel, in der Ortschaft trafen sich der Mühlbach- und der Thauresgraben. Aus Funden römischer  Münzen ergibt sich der Schluß, daß hier vielleicht ein alter Handelsweg vorbeiführte. Erstmals scheint der Ort 1280 in einem Urbar des Abtes Ebro von Zwettl auf. Im  Dreißigjährigen Krieg wurde Thaures von den Schweden verwüstet. 1849 fielen 16 Gehöfte einem Brand zum Opfer. Zum Zeitpunkt der Aussiedlung umfaßte die  selbständige Gemeinde 54 Häuser, mindestens 274 Menschen mußten dem Schießplatz weichen. Thaures heute: Name einer Schießbahn.

Abb. 543  In einem idyllischen Tal gelegen: Ortschaft und Kapelle Thaures. Postkarte zu Beginn des 20. Jh.

Abb. 544 Thaures, Mühle, 1929

Abb. 545 Gut erhaltenes Rundbogenfenster mit Fensterrahmen, 1984

Zur Abwendung von Gewitterschäden wurde 1754 ein Dreifaltigkeitsbildstock errichtet. Die Kapelle Zum hl. Herzen Mariä wurde 1790 erbaut und 1899  restauriert. Die Barockkapelle war 9,4m lang, 5m breit, 3-4m hoch. Diese Beschreibung stammt aus der Österreichischen Kunsttopographie, aber sie erwähnt  den vorgebauten Westturm, dessen Untergeschoß als Vorhalle dient, mit keinem Wort. Das Bild in der Alten Heimat zeigt aber sehr deutlich den vorgebauten  Westturm. Er dürfte um die Jahrhundertwende, oder noch etwas später, entstanden sein.

Heute sind in Thaures von einigen Häusern noch stattliche Ruinen zu sehen, die der Kapelle haben eine Höhe von bis zu 4 Metern. Die Apsismauer ist noch 2m hoch.  Meine bautechnische Beraterin, Hermine Authried, erläuterte mir, wie an den fest mit der Kapellenmauer verbundenen, herausragenden Ziegeln die ursprüngliche Breite des vorgebautes Turms festzustellen ist.

Nachdem wir von Schwarzenreith kommend zuerst alle bemerkenswerten Ruinen der Gegend südlich der ehemaligen Dorfstraße abgesucht hatten, fanden wir auf der  Heimfahrt nördlich der Dorfstraße, im Wald in der Nähe des Ortsbaches, die Kapellenruine von Thaures. Wir benötigten aber eine gute halbe Stunde, bis diese Fotos aufgenommen werden konnten.

Abb. 546 Nordwestseite der Kapellenruine Thaures, 1984

Abb. 547 Hermine Authried, meine Haushälterin († 1992), zeigt die Breite des ehemaligen Kapellenturms, 1984

In der Südmauer der Ruine mit den beiden, noch gut erhaltenen, rundbogigen Fenstern wies das rechte sogar noch den Fensterrahmen auf. Die Südmauer war  hinter vermorschten Bäumen fast versteckt. Die Bäume, mit einem Durchmesser bis zu 15 cm konnten spielend mit beiden Händen abgebrochen werden. Als sie  umfielen, zerbrachen sie gleich in mehrere Trümmer. Wir kamen uns fast wie Riesen vor.

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