... und die Vertreibung hinterläßt ihre Spuren
Pfarre Groß-Globnitz
Groß-Globnitz ist eine vermutlich auf das 11. Jahrhundert zurückgehende, ursprünglich slawische Ansiedlung. 1171 wird ein Nizo von Glognitz urkundlich erwähnt. Um 1320 verzeichnet das Lehenbuch des Stiftes Zwettl hier 21 Lehen. Da die heutige Pfarrkirche dem hl. Pankraz geweiht ist, der im Mittelalter üblicherweise Patron der Burgkapellen war, ist zu vermuten, daß die Burg der Herren von Globnitz einst an dieser Stelle stand und die Pfarrkirche aus der alten Burgkapelle hervorgegangen ist. Das im Kern romanische Gotteshaus geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Der Karner, ein gotischer Rundbau aus dem 14. Jahrhundert mit einem Ostchor, besitzt den architektonisch reichsten Schmuck der Karner im Bezirk Zwettl. Ausgelöst durch die Errichtung des Schießplatzes für Hitler-Deutschland, verlor die Pfarre Groß-Globnitz einen Ort mit Kapelle und gewann im Zuge der Umstrukturierung von Pfarrzugehörigkeiten einen Ort mit Kapelle. 142 Pfarrangehörige aus 26 Häusern gingen dem Pfarrort verloren, aber die 133 Bewohner von Hörmanns - zuvor zur Pfarre Oberndorf gehörend - kamen zur Pfarre Groß-Globnitz hinzu.
Wildings
Der Ort Wildings wird als Wildungs schon 1344 genannt, als er dem Kloster Zwettl zur Errichtung eines Altars geschenkt wird. Das um einen dreieckförmigen Anger angelegte Wildings gehörte bis zur Aussiedlung zur Pfarre Groß-Globnitz und bestand 1938 aus 21 Häusern. Auch dieser Ort fiel der Zwangsentsiedlung zum Opfer, der Ortsname lebt heute nur noch in der Bezeichnung für eine Schießbahn fort.
Die Kapelle stammte aus dem vorigen Jahrhundert (1867) und war ein mit Giebeltürmchen versehener Ziegelbau, dessen Längsseiten je zwei rundbogige Fenster hatten. Im Oktober 1984 noch war von der Kapelle in Wildings die Lage eindeutig feststellbar, vor dem Eingang zwei Linden, keine Mauerreste sichtbar, jedoch Erdaufwurf an der Apsisseite . Es wäre schön, gäbe es heute auf dem Friedhof in Groß-Globnitz ein Ehrengrab für die Angehörigen der Aussiedler aus Wildings.
Abb. 441 Wildlings mit Kapelle im Jahre 1938
Abb. 442 Bildstock aus dem 17. Jahrhundert bei Wildlings, 1911. Ob von diesem Bildstock noch etwas vorhanden ist?
Als Soldat in Wildings
Abb. 443 Lucien Nison im Jahre 1941 in Neukirchen bei Altmünster: Kriegsgefangenen-Nr. 3462.
Lucien Nison aus Saint-Vith, Belgien, ist der Bericht zu verdanken, in dem er über seine u.a. in Wildings verbrachte Zeit der Kriegsgefangenschaft erzählt. (Brief an Pfarrer Müllner, datiert 4. Dezember 1986)
... Am 16. Mai 1940 geriet ich in Lüttich in deutsche Kriegsgefangenschaft. Über Maastricht in Holland und Soest kamen wir nach einer Fahrt von 54 Stunden im Viehwaggon in Göpfritz/Wild an. Von Göpfritz an der Wild gingen wir zu Fuß in das Lager Edelbach, das damals Oflag XVIIA hieß. Dort blieben wir einige Tage.
Am 5. Juni 1940 ging es über Allentsteig zu Fuß in den entsiedelten Ort Wildings. Wir waren 300 Kriegsgefangene: 150 Wallonen (französische Sprache) und 150 Flamen (flämische Sprache). Vom 5. Juni 1940 bis Mitte April 1941 war ich ein Wildingser. Die Häuser dort waren in einem guten Zustand. Seit 1939 waren dort Polen, die Wildings im Mai 1940 geräumt hatten. Das Lager Wildings war für 300 Mann eingerichtet. Es bestand aus einigen alten Häusern, später kamen Holzbaracken dazu. In der Mitte des Ortes war eine kleine Kapelle. Alles war ringsherum mit Stacheldraht eingekreist. Außerhalb des Lagers waren noch einige Häuser, die von den Wachposten benützt wurden. In dieser kleinen Kapelle haben wir mit unserem Feldgeistlichen hl. Messe gefeiert und die hl. Kommunion empfangen.
Ich möchte Sie zur Herausgabe Ihrer Bücher Die entweihte Heimat herzlich beglückwünschen. Der hochwürdige Herr Pfarrer von Göpfritz hat mir eines geschenkt. Es ist einfach großartig, daß Sie so viele Auskünfte und Bilder veröffentlichen konnten. Ich hätte es mir nie träumen lassen, von Wildings, Hörmanns und Oberndorf nach 45 Jahren wieder Bilder zu sehen. Dank Ihrer Arbeit von Gottes Gnaden ist es möglich geworden. Während der Zeit, in der ich in Wildings einquartiert war, habe ich Hunger gelitten. Flöhe, Läuse, Schmutz und mangelnde Hygiene machten mir zu schaffen. Ich kann diese Zeit nicht vergessen.
Von Wildings aus habe ich auf der Straße in der Nähe von Vitis gearbeitet, dann in der Nähe von Zwettl. Im Herbst 1940 in Oberndorf, wo wir Belgier Kabel vergraben sollten; später war ich in einem Steinbruch in der Nähe von Oberndorf.
Am 24. Dezember 1940 war es so kalt und es gab soviel Schnee, daß wir bis April 1941 in den Häusern bleiben konnten. Während dieser 4 Monate haben ich und einige Kameraden durch unseren Dolmetscher Ihre Sprache zu lernen begonnen.
Eine Anekdote möchte ich Ihnen erzählen. An einem Nachmittag im Herbst haben wir frei gehabt, weil geschossen wurde. Wir waren im Lager. Ein Flugzeug war eingesetzt, um die Schießbahn zu führen. Auf einmal war das Flugzeug getroffen und abgestürzt. Beide Piloten fanden den Tod und wurden nach Wildings abtransportiert. Die Truppen haben ohne Problem weitergeschossen. Der Krieg ging über alles.
Anfangs Jänner 1941 wurden die 150 FIamen in ihre Heimat gebracht. Mitte April 1941 haben wir, Gott sei Dank, das Lager Wildings geräumt. Wir sind mit dem Zug nach Krems an der Donau abgereist und vom Bahnhof Krems zu Fuß bis Gneixendorf gegangen. Dort blieben wir bis 20. April 1941. Das Lager XVII B soll jetzt ein Sportflughafen sein. Ende April 1941 wurde ich nach Oberösterreich transportiert. Am 21. April 1941 war ich schon in Altmünster am Traunsee im Sägewerk Rudolf Rumplmayr mit einer Filiale in Neukirchen bei Altmünster eingesetzt. Dort blieb ich bis 17. Mai 1945. Altmünster, wo ich vom 21. April 1941 bis 17. Mai 1945 gearbeitet habe, liegt nur 20 km von Lambach entfernt, wo Hitler zur Schule ging.
Der Flughafen Hörsching, von dem ich im Mai 1945 in die Heimat abgeflogen bin, liegt nur einige Kilometer von Leonding entfernt, wo die Eltern Hitlers begraben sind. Die Zeit meiner Gefangenschaft vom 16. Mai 1940 bis Mai 1945 geht mir nicht aus dem Kopf, obwohl inzwischen 40 Jahre vergangen sind.
Ich bin als Buchführer in Pension und habe viel freie Zeit. Ich möchte, daß ich und meine Nachkommen die furchtbare Zeit meiner Kriegsgefangenschaft im rechten Licht sehen. Ich behalte Ihr Land Österreich in guter Erinnerung, wo ich doch dort Ihre Sprache zu lernen begonnen habe!
Lucien Nison
Germanns
Abb. 444 Kapelle Germanns bei Groß-Globnitz, 1996
Die bei Groß-Globnitz gelegene Ortschaft Germanns ist eine alte Ansiedlung aus dem 11./12. Jahrhundert, der Name bedeutet Sitz eines Germund. Das Rentenbuch des Klosters Zwettl vermerkt hier um 1320 vier Lehen und drei Felder. Germanns entging zum Großteil der Aussiedlung: Die Grundstücke östlich der Straße mußten von den Bauern 1939 an den Staat abgetreten werden. 5 Landwirte wurden ausgesiedelt. Ihre westlich der Straße gelegenen Grundstücke kauften die in Germanns ansässigen Bauern. Heute liegt die Ortschaft unmittelbar an der westlichen Schießplatzgrenze. Der Straßenrand wird gesäumt von den Tafeln Sperrgebiet.
Die Kapelle, vom selben Typ wie die meisten zerstörten Kapellen im Truppenübungsplatz, stammt aus dem Jahre 1883.
Abb. 445 Das entsiedelte Haus Riegler, Germanns Nr. 25, 1984
Abb. 446 Gemauertes Marterl nordöstlich von Germanns, wo der Truppenübungsplatz beginnt, 1984
Abb. 447 Das BIWAK-Haus, östlich vom Marterl, gehört noch zum Ort Germanns, 1984
Hörmanns
Der Ort Hörmanns liegt an der Westseite des heutigen Truppenübungsplatzes, etwa 8 km nördlich von Zwettl. Der mittelalterliche Name des Ortes war Hermanes oder Hermans - Siedlung eines Hermann -, erst seit dem 17. Jahrhundert lautet die Schreibung Hörmans. Heinrich II. von Kuenring schenkte den Ort im Jahre 1269 dem von ihm gestifteten Nonnenkloster in Alt-Melon. 1278 verkaufte die Äbtissin Hildeburg von Alt-Melon dem Kloster Zwettl in Hermannes Einkünfte von einem Pfund. Das Rentenbuch des Stiftes weist um 1320 in Hermans 7 Lehen und eine Hofstätte aus, auch die Herren von Buchberg waren damals hier begütert. Am Ende des 15. Jahrhunderts gehörte fast das ganze Dorf dem Kloster Zwettl. Der Ort Hörmanns, der ebenfalls zur Pfarre Oberndorf gehörte, wurde nicht entsiedelt und gehört seit 1. April 1940 zur Pfarre Groß-Globnitz. Er hatte zur Zeit der Entsiedelung 133 Einwohner.
Abb. 448 Kapelle in Hörmanns. Die Maria-Zeller Gnadenmutter wird hier verehrt. Es ist dies die Kopie der Madonnenstatue aus der Kirche des einstigen Wallfahrsortes Oberndorf. 1984
Die Anfang des 19. Jahrhunderts erbaute Kapelle besitzt an den Längsmauern je zwei rundbogige Fenster, ein Ziegelsatteldach und einen gemauerten quadratischen Turm mit Blechzwiebeldach. Sie entspricht damit den meisten heute nur mehr als Ruinen bestehenden Kapellen im Gebiet des Schießplatzes.
In Hörmanns befindet sich heute auch das Kriegerdenkmal der ehemaligen Pfarre Oberndorf. Auf einer Zusatztafel unten sind die Namen der im 2. Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Hörmanns verzeichnet. Bis 1940 wurden die verstorbenen Angehörigen der Hörmannser auf dem nur wenige Kilometer entfernten Friedhof in Oberndorf begraben. Wenn sich das Tüpl-Kommando zur Pflege der Tüpl-Friedhöfe entschließen könnte, würde es in den Hörmannsern hilfsbereite Partner bei der Betreuung des Friedhofes in Oberndorf finden. Ohne Hilfestellung des Bundesheeres und wegen der vielen Auflagen durch das Tüpl-Kommando ist es der Bevölkerung nahezu unmöglich, den Friedhof in Oberndorf zu pflegen. Die Auskunft eines Verantwortlichen: Wir tun nichts auf den Friedhöfen in Oberndorf und Edelbach.
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