Bereits 2 Jahre nach Gründung der ersten Zisterzienserabtei in Österreich - in  Heiligenkreuz im Wienerwald - stiftete 1138 der Kuenringer Hadmar I. das zunächst großteils aus Holz erbaute Kloster Zwettl. Schon 1159 wurde die Stiftskirche  geweiht. Der Grundbesitz des Klosters dehnte sich bis nach Krems, Wien und Guntramsdorf aus. Noch im 12. Jahrhundert entstanden in der Schreibstube der  Zwettler Mönche an die 100 Handschriften, darunter die reichs- und landesgeschichtlich bedeutsamen Zwettler Annalen.

Die reiche Bautätigkeit des 13. Jahrhundert - insbesondere von Abt Marquard und Abt Ebro - brachten den Kreuzgang und eine burgartige Klosteranlage hervor, die  1427 von den Hussiten zerstört wurde. Von 1343 bis nach 1490 wurde die prächtige gotische Stiftskirche errichtet. War das Kloster in der Reformationszeit fast verödet,  erfolgte unter den großen Barockäbten wie Melchior Zaunagg (1706-1747) die dekorative Barockisierung, es entstand die markante Westturmfassade der Kirche  und die Bibilothek, deren farbenprächtige Deckenfresken Paul Troger schuf.

Abb. Klosteranlage und Turm von Stift Zwettl, 1997. Der Turm wurde 1996 renoviert.

Abb. 549 Altarraum der Stiftskirche Zwettl, 1996

Mit der Errichtung des Schießplatzes durch das NS-Regime wurde das Zisterzienserstift Zwettl 1938 - im Jubiläumsjahr des 800jährigen Bestandes -  schwer getroffen und verlor große Besitzungen: Neben nahezu 500 Hektar Waldungen verlor das Stift mehr als 500 Hektar Äcker und Wiesen, die von der zentralen Ökonomie bewirtschaftet wurden. Darüber hinaus wurde der  landwirtschaftliche Zweigbetrieb Dürnhof mit einer bewirtschafteten Fläche von rund 150 Hektar Äcker und Wiesen fast zur Gänze enteignet. Neben dem Verwalter,  zwölf Knechten, drei Mägden und zwölf weiteren Dienstboten mußten innerhalb kürzester Zeit 14 Pferde, 60 Stück Rinder, 250 Schweine und viele  landwirtschaftliche Gerätschaften in die verbleibende zentrale Landwirtschaft von 150 Hektar integriert werden. Die Räumung des Dürnhofs, eine der wichtigsten  Grundlagen und Hauptversorgungsquellen des Stiftes,  wurde innerhalb einer Woche, vom 14. bis 21. August 1938 durchgeführt.

Abb. 550 Erzengel Michael-Statue am Turm der Stiftskirche Zwettl, 1996. Dem Vernehmen nach sollen  auch Erschütterungen durch Schießübungen Auswirkungen auf die barocke Bausubstanz des Turms haben.

Dem Kreisleiter und NS-Mitglied Hermann Reisinger ist es zuzuschreiben, daß das Kloster Zwettl in der NS-Zeit nicht dasselbe Schicksal erlitt wie Stift Altenburg. Er  konnte zwar die Aussiedlung des Dürnhofs, des Deckerhauses und die Aussiedelung der Bewohner von Pötzles und den Thomashäuseln nicht verhindern,  aber er bewahrte das Zwettler Kloster vor Fremdeinquartierung und einige Patres sowie den Stadtpfarrer von Zwettl, KR Johann Flicker, vor dem Konzentrationslager.  Deshalb wird er im Stift Zwettl noch heute Hermann der Katholische genannt.

Die nahe dem Kloster und um den Dürnhof angelegten Lager waren mit bis zu 2.000 Menschen belegt. In diesen wie auch in anderen Tüpl-Lagern waren Soldaten  verschiedener Nationen einquartiert, die für die Hakenkreuzfahne kämpften - u.a. Russen und Ukrainer der Wlassow-Armee, Araber, Inder und Kroaten. Neben den  katholischen und evangelischen Soldaten wurden auch diese geistlich betreut, durch Geistliche des Islam und der russisch-orthodoxen Kirche. So hielt zum Beispiel am  14. Februar 1945 der in Döllersheim stationierte Pope Batuschka im Lager Stift Zwettl anläßlich der Vereidigung von Soldaten der für Deutschland kämpfenden Wlassow-Truppen einen russisch-orthodoxen Gottesdienst ab.

Seit 1955 wird für die Enteignungen der NS-Zeit, deren Abgeltung weit unter dem tatsächlichen Wert lag, von der Republik Österreich eine teilweise, geringe Entschädigung geleistet.

Schießen, nachts. Schießen, mittags. Ich höre die Detonationen, im Stift Zwettl, es ist die Woche vor der Karwoche von 1975. Geschossen wird scharf: auf dem  großen Truppenübungsplatz, für den einige Ortschaften beseitigt wurden, 1938, 1939, um Allentsteig. In den Jahren eben, in denen geübt werden mußte, für das ganz große Schießen.

So schreibt Friedrich Heer in Durch die Wirrnissse der Geschichte. Kamptaler Impressionen, erschienen im Merian Verlag: Wachau, Waldviertel und Weinviertel, Heft 11/ 29. Jg., S. 35

Gerotten

Die nach einem Gerold benannte Ortschaft, kaum 3km nordwestlich von Stift Zwettl gelegen, gehörte zu dem Gebiet, mit dem das Zisterzienserkloster 1138 bestiftet  wurde. In den kaiserlichen und päpstlichen Bestätigungsurkunden von 1139 und 1157 wird der Ort Gerates genannt, um 1320 vermerkt das Rentenbuch des Stiftes  in Gerolten 18 Lehen und 9 Hofstätten. Urkunden des ausgehenden 12. Jahrhunderts zeigen, daß Gerotten auch Sitz eines Rittergeschlechts war. Dem Ort blieb das Schicksal der Aussiedlung erspart, jedoch verläuft die  Sperrgebietsgrenze unmittelbar hinter den Häusern am Ostrand.

Die Kapelle, 1816 erbaut, ist ein einfacher Ziegelbau, der vielen zerstörten Kapellen im Gebiet des Schießplatzes entspricht.

Abb. 551 ...äußerst schlecht wirtschaftliche Situation des Waldviertels ... hohe Verschuldung  zahlreicher Bauern ... landwirtschaftlich unnutzer Raum (Franz Ettmayer, NÖN 11. Juli 1991, S. 11): Wer wollte behaupten, daß die 1938 – 42 entsiedelten Orte heute nicht genauso dastehen könnten wie Gerotten?

 

Die Thomaskirche bei Stift Zwettl

Abb. 552 Thomaskirche zwischen Kühbach und Stift Zwettl vor dem Jahre 1911, Grundriß 1:300

Die in einem stimmungsvollen Waldtal gelegene Thomaskirche wurde kurz vor 1450 erbaut. Die Gründungslegende weiß zu berichten, daß der hl. Zisterziensermärtyrer  Thomas von Canterbury als blinder Bettler in den Dachsgraben gekommen sei. Sein Hund bellte einen Holunderbaum an. Thomas begann mit dem Stock zu  graben, da entsprang eine Quelle. Der Bettler wusch sich die Augen und konnte sehen. Diese Legende dürfte bereits die christliche Umdeutung eines germanischen Kults um den Weltenwanderer Wodan sein, der Kranke und  Leidende zu der Wunderquelle in den Dachsgraben bei Pötzles führte.

Abb. 553 Die Südwestecke der Thomaskirchenruine, 1984

Abb. 554   Die Südseite der Ruine 1984. Der Mauereinbruch dürfte erst nach dem 2. Weltkrieg erfolgt sein, wahrscheinlich beim Abbruch der 2 Thomashäusl.

1405 bat Abt Ulrich I. von Stift Zwettl den Papst um die Erlaubnis zur Errichtung einer steinernen Kapelle. 1427 wurde die Kirche von den Hussiten verbrannt und  zerstört. 1448 erhielt der Pfarrer von Döllersheim vom päpstlichen Kardinallegaten die Erlaubnis zur Abhaltung von Gottesdiensten für die Pilger noch vor Vollendung  des Kirchenbaus. Diese Kirche mit drei Altären wurde 1450 von Bischof Wolfgang von Passau geweiht, als Kirchweihfest wurde der Dreifaltigkeitssonntag festgesetzt,  später der Mittwoch nach Ostern. Im 16. Jahrhundert wurde die spätgotische Kirche erweitert, 1722 erhielt sie eine 1555 in Eggenburg für die Zwettler Klosterkirche gemeißelte Kanzel.

Die Wallfahrtskirche zum hl. Thomas wurde 1785 unter Kaiser Joseph II. geschlossen und wurde dem Verfall preisgegeben. Die Altarbilder kamen in die  benachbarten Ortschaften, die Kanzel wieder ins Stift. Die zwei Thomashäusel, die heute ebenfalls Ruinen sind, wurden 1795 vom Material der Thomaskirche erbaut.

Wie der Wallfahrtsort ist auch die Heilquelle verschwunden, sie müßte heute wieder gesucht werden - vielleicht ein Symbol für die entweihte Heimat.

Die Ruine hat noch die schöne Ortssteineinfassung. Die Ostwand des Langhauses, die noch 1911 durch einen rundbogigen Triumphbogen zum Altarraum unterbrochen  war, gibt es nicht mehr. Auch der Triumphbogen, noch 1911 abgebildet,  existiert nicht mehr.

 

Pötzles
Die Ortschaft Pötzles, wie Flachau ein sehr wohlhabender Ort, gehörte zur Gemeinde Gerotten und zur Pfarre Stift Zwettl. Im Westen und Norden wurde das  Längsangerdorf vom Gerottener Wald begrenzt. 1138, im Gründungsjahr des Klosters Zwettl, gehörte Pötzles zu den Liegenschaften, mit denen Hademar I. von  Kuenring das Stift ausstattete. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts beteiligten sich Untertanen aus Pötzles mehrmals an Bauernaufständen.

Abb. 555 Pötzles vor 1938

Abb. 556 Neues Schmiedeeisentor im Norden, oben mit Kelch und Hostie, 1984

Nach der Zwangsentsiedelung durch das NS-Regime lebten in Pötzles und im Deckerhof Zweitsiedler. Zunächst waren es Südtiroler, die nach dem  Hitler-Mussolini-Abkommen vom 23. April 1939 umgesiedelt wurden. Nach deren Heimkehr zogen nochmals Familien in Pötzles ein, darunter auch einige, die die  Exekutive beschäftigten. Als das österreichische Bundesheer 1957/58 den Truppenübungsplatz übernahm, wurden die 106 Einwohner ausgesiedelt. Von den  19 Häusern, aus denen der Ort vor 1938 bestand, wurden alle bis auf die Kapelle und zwei Häuser, die heute als Militär-Unterkünfte genutzt werden, eilends geschleift  - weil man kein zweites Franzen - das durch seine Wiederbesiedelung aus dem Truppenübungsplatz ausgegliedert werden mußte - mehr erleben wollte.

Abb. 557 Die Kapelle in Pötzles, 1984

Abb. 558 Die von Bauernhäusern umgebene Kapelle von Pötzles, vor 1938

Abb. 559 Gemauertes Marterl von 1677 am Nordausgang von Pötzles, 1984

Die Kapelle in Pötzles wurde im Jahre 1744 erbaut. Der Giebelturm im Norden ist mit Eternitplatten verkleidet. Sein Zwiebeldach ist mit Blech überdeckt. Diese  vorbildliche Restaurierung einer Ortskapelle im Aussiedlungsgebiet wurde 1968-1970 durchgeführt.

Das Holzkreuz im Altarraum hat im Zentrum eine Dornenkrone anstatt eines Corpus. Der Volksaltar ist aus Holz und trägt auf der Vorderseite eingeschnitzt den Satz aus dem Matthäusevangelium 28,20 b: Ich bin bei Euch.

Westlich der Straße durch Pötzles steht nur mehr die Kapelle. Östlich der Straße stehen noch drei Häuser.

Auf dem Friedhof in Stift Zwettl gibt es nur noch ein Grab einer Familie aus Pötzles. Ob daraus eine Gedenkstätte für alle Angehörigen der Aussiedler aus Pötzles werden könnte?

 

Deckerhof
Der Deckerhof, an der Straße von Stift Zwettl gelegen, ist ein Einschichthof, der vom Stift in ein Arbeiterwohnhaus umgebaut wurde. Die Frontseite des Gehöfts zum  Kamp und zur Straße hin zeigt das Stiftswappen und die Jahreszahl 1912. Das Anwesen wurde erhalten und dient heute als Unterkunft dem Militär.

Dürnhof

Abb. 560 Der Dürnhof im Jahre 1976 (Waldviertler Kurier, Juni 1984, S. 6)

Der Dürnhof, um 1200 in geringer Entfernung vom Stift Zwettl erbaut, war einer der klösterlichen Wirtschaftshöfe von Stift Zwettl. Die Bestätigungsurkunde von Papst  Innozenz III. vom 30. Jänner 1210 nennt den Dürnhof macra curia. Die Kapelle im Dürnhof wurde am 3. April 1294 durch den Bischof Bernhard von Passau dem Hl.  Apostel Paulus geweiht. Im 16. Jahrhundert wurde in die Südfront eine Renaissance-Loggia eingefügt und etwas später an der Nordseite eine Freitreppe  zum Kapellentrakt errichtet. Während der acht Jahrhunderte seines Bestehens wurde der Dürnhof mehrmals von Bränden und Zerstörung heimgesucht. Erst die  Errichtung des Truppenübungsplatzes durch die nationalsozialistischen Machthaber hat der jahrhundertelangen Geschichte des Dürnhofs als einer Säule der stiftischen  Landwirtschaft ein jähes und durchaus unrühmliches Ende bereitet.  Der Dürnhof, zu dem 158 ha Äcker und Wiesen sowie 530 ha (!) Wald gehörten, wurde mit 1.  September 1938 dem Stift Zwettl enteignet. Die Deutsche Wehrmacht richtete hier ein Ausbildungslager ein.

Im Herbst 1943 habe ich als Kind von 9 Jahren zum erstenmal den Dürnhof gesehen und im Herbst 1945 zum zweitenmal. 1943 fuhr ich mit meinem Vater beim  Kleeabliefern mit. 1945 war ich von meinem Heimatort Unter-Windhag, Gemeinde Schweiggers, über Rieggers-Zwettl-Dürnhof nach Gerotten unterwegs. Weil sich von  den Erwachsenen niemand traute, fuhr ich als Kind von kaum 11 Jahren mit dem Pferd und einem Mann, der sehr gut russisch sprach, nach Gerotten und zurück.

Am Rande des Übungsplatzes liegend, wurde der klösterliche Meierhof in den Wirren nach dem 2. Weltkrieg und der Besatzungszeit, als hier 10.000 Kriegs- und  Zivilgefangene der Roten Armee  einquartiert waren, neuerlich stark beschädigt. Als die Sowjets am 10. April 1947 das Militärlager auflösten und es ihrer  Wirtschaftsverwaltung USIA übergaben, wurden die Nebengebäude und Baracken abgetragen und an die Zivilbevölkerung verkauft. Der Dürnhof selbst wurde  verpachtet und war bis in die 70er Jahre dem Verfall preisgegeben. In nächster Nähe hatte ein Asphaltwerk seine Schotterberge aufgetürmt, es gab Versuche, dem  Zerstörungswerk der Natur etwas nachzuhelfen, und in den 60er Jahren sogar den Plan für eine österreichisch-schweizerische Panzerkaserne an seiner Stelle.

Abb. 561 Der Dürnhof, 1976

Abb. 562 Der Dürnhof von Südosten, aufgenommen vom benachbarten Kieshaufen (1984).

Der Dürnhof bei Zwettl, ein gotisches Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert, ist dem Untergang preisgegeben. Es befindet sich zwar nur wenige Meter neben der  Stadtgrenze von Zwettl, gehört aber zum Truppenübungsplatz Allentsteig. Das Bundesheer hat wenig Interesse an dem ehemaligen Meierhof, und die  Bundesgebäudeverwaltung, die für die Erhaltung des Hofs sorgen müßte, hat bisher nichts investiert. Das Areal um den Dürhof wurde aber um einen sehr niedrigen  Pachtvertrag an eine Bitumenmischfirma vergeben. So türmen sich nun also schon vor dem einsturzgefährdeten Hof Kiesberge, Bitumenfässer und mächtige  Werksanlagen. So wurde im ORF-Mittagsjournal im März 1976 die damalige Situation geschildert. Am 27. Juli 1976 stürzte der Dachstuhl des Dürnhofs nach tagelangen Regenfällen während eines starken Sturmes ein.

Der Lokalredakteur Josef Leutgeb war schon lange Jahre für die Erhaltung und Instandsetzung eingetreten. Im Jahr des Denkmalschutzes hatte am 6. Februar  1975 eine Begehung auf dem Truppenübungsplatz stattgefunden, aufgrund derer die wesentlichsten Baudenkmäler, deren Erhaltung aus kulturellen und historischen  Gründen zweckmäßig erschien, ausgewählt wurden. Bei diesen Objekten handelt es sich um das ehemalige Bürgerspital Döllersheim, die ehemalige Pfarrkirche mit  Friedhof und um den Dürnhof, welcher als historisch besonders wertvoll bezeichnet wurde. Nachdem seitens des österreichischen Bundesheeres kein Interesse am  Dürnhof bestand, wurden er und die übrigen genannten Objekte aufgrund einer Novellierung der Verordnung über das militärische Sperrgebiet mit Wirkung vom 12. Juni 1981 aus dem Sperrgebiet herausgenommen.

©Copyright Verein Information Waldviertel

... und über das Gebiet rund um Döllersheim:   www.allentsteig.at   www.walthers.at
 

Stift Zwettl