... wo die böhmischen Fischhändler anhielten

Die Ortschaft Edelbach

Edelbach vor 1938: Die Ortschaft liegt etwa 6 km östlich von Allentsteig in hohem, fast flachem Gelände zwischen den Tälern der Taffa und der Thaya. Edelbach ist ein  geschlossenes Straßendorf, in dem sich die Wege Allentsteig-Äpfelgschwendt und Merkenbrechts-Riegers/Felsenberg kreuzen. Die klare Form des Längsdorfes ist etwas verwischt, weil sich an beiden Straßenzügen  beidseitig Häuser hinziehen und die Straßen sich bei der Kreuzung dreiecksförmig erweitern. Edelbach ist eine eigene Gemeinde, ist Pfarrort und besitzt eine Schule. Die Kirche liegt auf der höchsten Stelle der  Ortschaft. Bedeutend ist eine von vier alten Linden umstandene steinerne Mariensäule von 1777. In dem Ort gibt es zwei Gasthäuser, ein Kaufhaus, eine Bäckerei, drei Huf- und Wagenschmiede, zwei Schuster, einen  Schneider, einen Fleischhauer, zwei Viehhändler und einen Tischler. Bei der Entsiedlung Edelbachs zur Errichtung des Schießplatzes im Jahre 1938 besteht der Ort aus 60 Häusern.

Auf eine frühe Besiedlung dieses Raumes bzw. Handelsverkehr mit den Römern südlich der Donau lassen die Münzfunde in diesem Gebiet schließen. Auch in Edelbach wurden  Römische Münzen aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. gefunden.

Abb. 4 Blick vom Kirchturm Edelbach auf die Ortschaft, an der Straßdnkreuzung die Mariensäule, vor 1938

Abb. 5 Edelbach um 1900

Der Ort selbst war wie das benachbarte Äpfelgschwendt eine Siedlung des 12. Jahrhunderts und wird um 1210, als der Zwettler Abt Marquard Besitzungen bei  "Erlpach" - an einem mit Erlen bestandenen Bach - erhielt, erstmals urkundlich erwähnt. 1258 erhielt das Stift Zwettl in einer Schenkung von Ortlieb und Ulrich von Winkel deren  ganze Besitzungen sowie das Patronat der Kirche. Um 1311 besaß das Zwettler Kloster in Edelbach 17 Lehen. 1532 verkaufte das Kloster Edelbach mit Dorfgericht an Sigmund Leisser, den Besitzer von Neunzen.

1480 wurde Edelbach von Söldnern des Herrn von Neuhaus verbrannt, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, 1645, wurde der Ort Opfer der Brandschatzungen der  Schweden. 1658 ging Edelbach wie auch Neunzen in den Besitz des Joachim Freiherr von Windhag über.

Im September 1891 wohnten Kaiser Franz Joseph von Österreich, Kaiser Wilhelm von Deutschland und der König von Sachsen nahe Edelbach einem Kavalleriemanöver bei.

Abb. 6 Blick von Süden auf die Kirche, links die barocke Mariensäule, 1938

Aus der Ortskunde der Schulgemeinde Edelbach

Die Schulgemeinde Edelbach umfaßt die Ortsgemeinden Edelbach mit Riegers und Äpfelgschwendt. Die größte Ausdehnung der Gemeinde von Westen nach Osten beträgt  6,63 km, jene von Norden nach Süden 4,89 km; der Flächenraum 18,20 km². Das ganze Gemeindegebiet ist ein welliges Hügelland mit einer durchschnittlichen Höhe von 576 m.

Die landwirtschaftliche Gesamtanbaufläche wird meist in drei, öfter auch in vier Felder  (3- oder 4-Felderwirtschaft) geteilt. Die wichtigsten Fruchtarten sind: Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, Kartoffeln, Rüben, Kraut, Erbsen und Wicken.

Abb. 7 Ertrag pro Hektar der wichtigsten Fruchtarten

Der überwiegende Teil der Bevölkerung beschäftigt sich mit Ackerbau und Viehzucht.

Das in der Landwirtschaft von dem Gesinde an den Winterabenden gesponnene Garn wird meist auch von den Bauern gleich gewebt ... zur Deckung des Eigenbedarfs.  Derartige Hausweber gab es früher in jeder Ortschaft mehrere, so daß 1666 sogar ein Weberbund gegründet wurde, der eine eigene Zunftfahne hat.

Die Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln besorgen 1 Müller, 1 Bäcker und 4 Wirte. Für Bekleidung arbeiten 1 Herrenschneider, 1 Damenschneiderin und 3  Schuhmacher. Die Holzindustrie beschäftigt 1 Tischler und 1 Binder. Mit der Anfertigung von landwirtschaftlichen Geräten und Werkzeugen befassen sich 4 Schmiede. Auf dem  Gebiet der Holzschnitzerei finden wir in der Person des Herrn Johann Hofbauer, Wirtschaftsbesitzer in Edelbach Nr. 8, einen Künstler ersten Ranges.

Den stärksten Verkehr sah Edelbach während der achtziger Jahre (des 19. Jahrhunderts), wenn allwöchentlich die Fischbauern mit ihrem langen Zug von Wagen  hier zur "Wasserung" anhielten. Sie führten die Fische von den böhmischen Teichen nach Krems.

Infolge des unglücklichen Kriegsendes und der Auflösung der Monarchie wurde am 12. November 1918 die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen und am 16. Feber 1919  die Nationalversammlung gewählt. Auch Edelbach erhielt in der Person des damaligen Bürgermeisters Leopold Höchtl einen Nationalrat der christlich-sozialen Partei. Herr  Höchtl gehörte dem Nationalrat bis 1927 an und ist von da an Landtagsabgeordneter.

Ein Festtag von ganz besonderer Bedeutung für Edelbach war der 29. Mai 1924; nicht nur weil der katholische Burschenverein an diesem Tage sein 10-jähriges Gründungsfest  feierte und die junge Vereinskapelle zum erstenmal öffentlich auftrat, sondern weil bei diesem Feste der jetzige Bundespräsident Herr Wilhelm Miklas die Festrede hielt.

 Die Schule

Abb. 8 Volksschule in Edelbach nach 1910 (Nordseite). Zwischen Schule und Kirche befand sich bis 1869 der alte Friedhof.

Eine Schule dürfte in Edelbach schon früh existiert haben. In den Archivalien des Stiftes  Zwettl ist ein Schullehrer jedoch erst 1603 nachweisbar. Der erste namentlich genannte "ludi magister" war Franziskus Hölzl, der 1771 starb.

Da die alte Schule zu klein geworden war, wurde 1834 unter dem Schullehrer Lukas Schwingenschuß ein neues Schulhaus erbaut: ein ebenerdiger Bau mit der Hauptfront  nach Norden, der Kirche zugewandt. Das Gebäude umfaßte 1 Lehrzimmer und die Wohnung des Schulleiters. Aufgrund der steigenden Schülerzahl wurde das Schulhaus 1910 aufgestockt und auf zwei Klassen erweitert.

Abb. 9 Edelbach. Aquarellierte Federzeichnung von Honorius Burger, um 1840

Von den ehemaligen Schülern Rochus Fölss aus Allentsteig und seiner Gattin wurde eine Kaiserbüste für das Stiegenhaus gestiftet.

Während in den meisten anderen Schulen des Bezirks der Gegenstand Maschinnähen  erst in den 20er Jahren eingeführt wurde, erhielten die Schüler in Edelbach bereits 1912 Nähunterricht auf einer Ringschiff-Nähmaschine.

Aus: Leopold Sainitzer, Ortskunde der Schulgemeinde Edelbach, 1932, S. 34ff.

Nach 800 Jahren wechselhafter Geschichte wird der Ort Edelbach 1938 durch das NS-Regime wegen der Errichtung eines Schießplatzes für die Deutsche Wehrmacht  ausgelöscht. Die Bauten sind noch intakt, die Dorfgemeinschaft wird zerrissen. Für immer. Doch erst 7 Jahre nach dem Krieg, 1952, werden auch die Häuser von Edelbach abgetragen.

Abb. 10 Edelbach Nr. 20 (Familie Höchtl), 1920

Abb. 11 Allee vom Friedhof zur Kirche, vor 1930

Abb. 12 Seelsorgevertrag "zwischen dem löbl. Kloster Zwettl und den mit der Pfarre nach Edelbach gehörigen Dörfern als (da  sind) Edelbach, Merkenbrechts und Äpfelgschwendt wegen Erhaltung eines eigenen Seelsorgers zu Edelbach", 1707 (Neu-Pölla, Sammlung Polleroß)

Vermutlich wurde die Pfarre Edelbach in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die Herren von Winkl gegründet, wahrscheinlich vor 1250, durch Abtrennung von der  Mutterpfarre Alt-Pölla. Das Patronat erhielt das Stift Zwettl. Hier entstand also die älteste der dem Stift Zwettl zugehörenden Pfarren. Die Reihe der namentlich bekannten Pfarrer  beginnt mit dem Jahr 1490. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Pfarre unbesetzt und wurde zeitweise von Windigsteig mitbetreut. Aus dem Jahre 1707 ist der  Vertrag zwischen Stift Zwettl und der Pfarre Edelbach über die Seelsorge erhalten.



Abb. 13 Ansicht der Pfarrkirche Edelbach von Nordosten, vor 1911

Abb. 14 Edelbach, Haus Nr. 51 und die Pfarrkirche von Nordosten gesehen, 1938

Die Kirche erhob sich auf einem heute nicht mehr als solchem erkennbaren kleinen Hügel neben der alten Straße nach Merkenbrechts. Das Gotteshaus war dem hl.  Erzmärtyrer Stephanus geweiht. Es entstand im 12. Jahrhundert aus einer Betkapelle. Die ursprünglich romanische Anlage hatte wahrscheinlich denselben Typus wie jene von  Allentsteig, d.h. ein Langhaus mit einem massiven Turm im Osten.

 

Abb. 15 Grundriß der Pfarrkirche Edelbach, Maßstab 1:300, und Rippenprofil

Die Pfarrkirche war eine einschiffige Anlage, die aus gehauenen Steinen und aus lehmgebrannten Ziegeln erbaut war. Der Altarraum war schmäler als das  tonnengewölbte Langhaus und von diesem durch eine Wand getrennt, in die in Chorbreite ein Rundbogen eingebrochen war. Der ganze Altarraum war mit einem  wertvollen spätgotischen Sternen- oder Netzgewölbe eingedeckt, in das gegen die Wände zu 7 tiefe Stichkappen eingeschnitten waren, ein Kunstwerk aus dem 15.  Jahrhundert. Im Norden, Süden und Osten hatte der Altarraum je ein gotisches Spitzbogenfenster mit abgeschrägter Laibung und altem einfachen Maßwerk. Zwei  kräftig profilierte Steingesimse umzogen den Altarraum an der Außenmauer: eines in Sockelhöhe, das andere in der Höhe des unteren Fensterrandes. Der Turm der Kirche  war quadratisch und auf dem Altarraumgewölbe so aufgebaut, daß seine Ostmauer auf der östlichen polygonalen Abschlußmauer aufsaß. Der Turm, in dieser Form 1752  erbaut, hatte einen Helm aus verzinktem Eisenblech mit Knauf und Kreuz. Im Norden liegt die im 15.Jahrhundert angebaute Sakristei mit Oratorium, darunter die Gruft.

 Abb. 16 Die Pfarrkirche Edelbach von Norden gesehen, Sommer 1938

Abb. 17 (ganzseitige Darstellung) Der Altarraum der Pfarrkirche Edelbach vor 1911, ein Kunstwerk aus dem 15. Jahrhundert.

Das Gotteshaus verdankte seine endgültige Ausgestaltung den Äbten von Stift Zwettl. Abt Melchior von Zauneck (1706-1747) hatte im Jahre 1707 das Schiff der Kirche und  ein neues Pfarrhaus bauen lassen. Der Hochaltar wurde im Jahre 1731 aus Teilen von alten Seitenaltären der Stiftskirche Zwettl zusammengesetzt. Im 19. Jahrhundert

wurde das Gotteshaus mehrmals renoviert. So wurde 1810 der Turm leicht erhöht und 1825 eine neue, zweite Glocke (280kg) angeschafft. Für den Ankauf einer Orgel im  Jahre 1841 leistete das Stift Zwettl einen bedeutenden Beitrag.

Abb. 18 Gemälde St. Bernhard und St. Benedikt

Abb. 19 Altarbild: Maria mit dem Kinde



Abb. 20 Statue des Hl. Stephanus am Hochaltar

Bei der Kirchenrestaurierung 1864/65 wurden die vier querovalen Fenster des Langhauses durch spitzbogige ersetzt, ein neues Oratorium geschaffen, an der  Außenseite der Kirche ein turmartiger Choraufgang angesetzt, das Innere der Kirche verschönert und eine neue Glocke (120kg) geweiht. "Nach aller Renovierung äußerten  sich Sachverständige, daß sie ein so freundliches, hübsches und nettes Landkirchlein nicht bald wo gesehen hätten."

Bemerkenswert war die große Monstranz aus dem Jahre 1748. Getrieben aus Silber mit vergoldeten Verzierungen, besetzt mit Rubinen und Rautendiamanten, war sie gekrönt  von einer Gott-Vater-Darstellung auf Wolken.

 

Abb. 21 Monstranz aus Silber mit vergoldeten Verzierungen, aus dem Jahre 1748

Abb. 22 Auf dem Triumphbogen: Jesuskind in der Mandoria

Der reich verzierte Hochaltar wurde bekrönt mit der Statue des hl. Stephanus, des Kirchenpatrons. Das Altarbild, ein gutes Werk von Klemens Beuttler, geschaffen 1674,  stellte Maria mit dem Kinde dar - die Mutter drückt sitzend den Knaben zärtlich an sich. Das von Abt Caspar bestellte Werk schmückte bis 1728 den Frauenaltar im nördlichen  Querschiff der Stiftskirche Zwettl. Vermutlich vom selben Meister stammte das Bild "Vision des heiligen Bernhard", das sich über dem Altarbild befand. Die Ölbilder wurden  restauriert und sind heute im Stift Zwettl zu sehen.

Abb. 23 Hochaltarbild von Edelbach vor 1911

Abb. 24 Grabstein des Christof Leisser zu Neunzen und seiner Gemahlin Margareta im September 1955

Abb. 25 Grabstein des Christof Leisser († 1553) und seiner Gemahlin Margareta, geb. von Eibeswald

In die Nordwand des Langhauses wurde 1907 der zuvor an der Außenseite befindliche  Grabstein aus rotem Marmor eingesetzt. Die Inschrift lautete: "Herr Christof Leisser zu Neytzenhof und Idolsberg (gest. 1553) und seine Frau Margaretha von Eibeswald (gest.  1581)". Die Wappen der beiden Verstorbenen, der Besitzer der Herrschaft Neunzen, waren prächtig gemeißelt.

An der Nordseite des Triumphbogens befand sich die Kanzel aus Holz. Das steinerne Taufbecken - heute in Ober-Strahlbach befindlich - hatte die Form einer spätbarocken  Muschelschale auf einem zehnseitigen Pfeiler. Die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandenen Seitenaltäre wurden bei der Renovierung der Kirche 1864 beseitigt.  Kreuzwegbilder von 1840 sowie weitere Ölgemälde bildeten das weitere Inventar der Kirche. Der große Luster befindet sich heute in der ebenfalls zum Stift Zwettl gehörenden Pfarrkirche von Siebenlinden.

Im 1. Weltkrieg mußten die kleine und große Glocke sowie Orgelpfeifen abgeliefert werden. 1920 wurden zwei neugegossene Glocken (215 und 64kg) geweiht, ein Jahr  später wurde auch die Orgel repariert.

Die Mariensäule

Südlich der Pfarrkirche, mitten in der Ortschaft, wurde 1777 eine Mariensäule aus Sandstein errichtet. Sie war von einer Wolkengirlande mit Cherubsköpfchen umwunden  und mit der Statue der Immakulata gekrönt. Flankiert wurde die Säule von Statuen des hl. Sebastian und des hl. Florian (u.a. Pestheilige), eine Steinbalustrade bildete die  Umfassung. Vier prächtige alte Linden standen um die Säule herum. Ein sehr ähnliches Ensemble von Säule, Figuren und Balustrade bildet die Dreifaltigkeitssäule in Gars am  Kamp, Ähnlichkeiten weist auch die Dreifaltigkeitssäule am Rathausplatz in St. Pölten auf.

Der Sockel dieser Mariensäule von Edelbach dürfte sich heute auf dem Areal der Martinek-Kaserne in Baden befinden - als Fundament für einen Teil der Mariensäule von  Groß-Poppen. Seine Inschrift lautet: "Maria advocata nostra ora pro nobis!" ("Maria, unsere Fürsprecherin, bitte für uns"). Die Fragmente wurden wohl um 1960 vom  Bundesheer "gerettet" und nach Baden gebracht.

Abb. 26 Mariensäule aus dem Jahre 1777

Abb. 27 Im Herbst 1955 war von der Mariensäule nur mehr dieser Rest vorhanden.

Edelbach wird "militärisches Operationsfeld"

Wahrscheinlich vor Ende Juni 1938 wurden auch in Edelbach Gerüchte um eine bevorstehende Aussiedelung bekannt. Der zuständige Dechant Kulmann richtete im  Auftrag des Bischöflichen Ordinariats am 17. Juli 1938 an die Pfarrämter in Edelbach, Groß-Poppen, Oberndorf, Döllersheim und Franzen die Bitte, sich über die geplanten  Entsiedlungen zu äußern. Pfarrvikar P. Koloman Rössler schrieb am 21. Juli 1938 unter Zl. 1017/38 u.a. an das Dekanatsamt Pölla in Allentsteig: "In Beantwortung der Zuschrift  d. dto. 17. d. Zl. 1916/38 teile ich mit, daß einstweilen nur die Ortschaft Edelbach entsiedelt wird und daß nach eingezogenen Erkundigungen die Pfarrkirche als  Gottesdienstort nicht mehr Verwendung finden wird. Der genaue Termin der Entsiedlung wurde bisher noch nicht bekanntgegeben; nach inoffiziellen Informationen dürfte aber der 5. August der Stichtag sein."

Am Sonntag, dem 31. Juli 1938 - dieser Tag gilt als der offizielle Termin der erzwungenen Auflösung der Pfarre -, hielt P. Koloman selbst den Abschiedsgottesdienst.  Von einer Profanierung des Hochaltars war keine Rede. Am 1. August 1938 hielt P. Anselm Traxler in der Pfarrkirche das Requiem für zwei Verstorbene aus der Pfarre:  Aloisia Herzog aus Merkenbrechts 14 (im 81. Lebensjahr ertrunken) und Josef Unterberger aus Äpfelgschwendt 31 (im 13. Lebensjahr ertrunken). Anschließend fand  am pfarrlichen Friedhof das Doppelbegräbnis statt. Am Dienstag, dem 2. August 1938, wurde die allerletzte hl. Messe in Edelbach gefeiert. Zwar waren einige  Gottesdienstbesucher anwesend, doch war Elisabeth König die einzige, die zur Kommunion ging - sie empfing also die letzte hl. Kommunion, die in Edelbach gespendet wurde.

Der letzte Termin für die erzwungene Räumung des Ortes war Sonntag, der 7. August 1938 - einen Tag bevor das erste Scharfschießen stattfand. Elisabeth König und ihre  Schwiegermutter waren die letzten, die Edelbach verließen. Kurioserweise wurde die Aufhebung der Pfarren Edelbach und Groß-Poppen erst am 8. Mai 1940 (!)  rechtswirksam, denn erst an diesem Tag wurde sie im St. Pöltner Diözesanblatt (mit irrtümlicher Datumsangabe 1. statt 31.Juli 1938) veröffentlicht.

Somit wurde die Pfarre Edelbach mit den Orten Äpfelgschwendt, Neunzen und Riegers nach etwa 800 Jahren ihres Bestehens - wegen Einbeziehung des Gebietes in das  militärische Operationsfeld aufgehoben. Das gesamte Inventar der Kirche Edelbach wurde dem Stift Zwettl übergeben. 719 Katholiken aus 152 Häusern verloren ihre Heimat, ihre Pfarre. Für immer.

Die letzte Taufe in der Pfarrkirche Edelbach wurde am 19. Juni 1938 dem Kind Willibald  Groll aus Merkenbrechts Nr. 26 gespendet. Herr Willibald Groll ist heute Landwirt in Merkenbrechts Nr. 26. Der vorletzte Täufling war Leopoldine Diem aus Äpfelgschwendt  7 am 25. Mai 1938. Die letzte Trauung: Franz Krippl aus Edelbach Nr. 13 und Maria Kirschenhofer aus Groß Poppen 26, am 11. Juli 1938.

P. Koloman Rössler war der letzte Pfarrverweser. Er starb am 22. August 1958 in Gobelsburg.

Der offizielle Räumungstermin für die Orte Neunzen, Äpfelgschwendt und Riegers Termin war der 1. April 1939. Als Beweis dafür, daß - zumindest im August 1938 - die Orte  Äpfelgschwendt und Riegers noch nicht ausgesiedelt waren, mag folgendes gelten: Laut Anordnung vom 26. August 1938 hatten am Sonntag, dem 28. August 1938, um 8 Uhr,  die Pferde- und Ochsengespanne aus den Ortschaften Merkenbrechts, Göpfritz, Äpfelgschwendt, Felsenberg, Germanns und Riegers zur Einbringung der Ernte in  Edelbach (gemeint war die Katastralgemeinde) zu erscheinen. Eigenartig dabei ist, daß Neunzen hier nicht genannt wird - mußten die Bewohner vielleicht doch schon vorzeitig weg sein?

Die Familie Leidenfrost aus Neu-Pölla berichtete mir, daß die Korn- und Weizenfelder von den NS-Behörden auch am Halm verkauft wurden - pro Feld waren 100,-  Reichsmark zu bezahlen. Mehrere Familien aus Neu-Pölla seien wochenlang in die bereits entsiedelten Gebiete zum Weizenernten hinaufgefahren. "Den ganzen Krieg  hindurch haben wir deshalb einen Weizenvorrat gehabt", so Johann Leidenfrost. "

Abb. 28 Auszug aus dem Sterbebuch der Pfarre Eelbach, Band VII, Seite 277 mit der letzten Eintragung: "Abgeschlossen  anläßlich der Aufhebung der Pfarre Edelbach am 4. August 1938 P. Koloman Rössler, Pfv."

"Es war eine Vertreibung"

Alois Lehenbauer, Landwirschaftsmeister in Rastenfeld und Organist in der Soldatenkirche im Lager Kaufholz, östlich von  Allentsteig

Ich lebe als Bauer im Waldviertel, in der Pfarr- und Heimatgemeinde Rastenfeld. Diese  grenzt direkt an den Truppenübungsplatz Allentsteig. Hitlers Schießplatz wurde 1938 begründet, nicht zuletzt deshalb, weil "naziüberzeugte" Einwohner der Gegend nach  Berlin fuhren und dem "Führer" dieses Gebiet vor die Füße gelegt haben. 7000 Menschen aus 42 Ortschaften wurden vertrieben.

Nach wiederhergestellter Ordnung haben sich 1957 von 18.000 Hektar Grund 3000  Hektar das Land Niederösterreich, heute privatwirtschaftlich genutzt, und 15.000 Hektar die Republik Österreich, als Schießplatz, aufgeteilt. Am Übungsplatz werkt heute  notdürftig das Bundesheer, mit der angegliederten, beamteten Dienststelle treibt es Jagd-, Forst- und Landwirtschaft. Die Ministerjagden sind bekannt und eine Gaudi fürs "Volk".

Der geographische Schandfleck Truppenübungsplatz Allentsteig besteht heute noch. Die  Anrainer wissen, was es heißt, wenn das wirtschaftliche Hinterland fehlt und die Verbindung "gesperrt" ist. Nicht zu reden vom Kanonendonner, Sprengungen und Dauerlärm des restlichen Schießgeräts.

Auszug aus einem Gastkommentar von Alois Lehenbauer, in: Die Presse, 22. Februar 1994, S. 2

Abb. 30 Die Kirche in Edelbach, 1979 – wenige Wochen vor dem Einsturz. Der Turm ist noch in relativ gutem Zustand, das  Turmkreuz ist nicht mehr vorhanden. Das Dach des Kirchenschiffs ist infolge der Sprengübungen bereits zusammengebrochen.

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Abb. 31 Zweitsiedler in Edelbach beim Maibaumsetzen im Jahre 1951. Edelbach war bis 1952 besiedelt.

 

Zweitsiedler in Edelbach von 1939 bis 1952

Abb. 32 Ein Bauernhaus aus der Ortschaft Edelbach (ehemals Nr. 53, Kloiber) wird heute vom Bundesheer als Verwaltungs-, Lehr-  und Aufenthaltsgebäude verwendet. 1984

In Edelbach waren bis zum Jahre 1952 mehr als 20 Häuser bewohnt - mit Aussiedlern, die keine neue Heimat mehr finden konnten. Kein einziger Bewohner war ein  angestammter Edelbacher. Die Großeltern und der Vater meiner Schwägerin stammten aus Groß-Poppen Nr. 58 (Defner). Von der Ablösesumme konnten sie sich in  Groß-Haslau ein Haus kaufen, doch der Großvater litt so stark unter Heimweh, daß er sich 1946 in Edelbach ein Haus mietete, weil dies im nahen Ort Groß-Poppen nicht  möglich war. So blieb die Familie Defner bis Jänner 1950 in Edelbach. Meine Schwägerin Maria Müllner, geborene Defner, verbrachte ihre früheste Kindheit (1946 -  1950) in Edelbach. 1952 wurden diese letzten Edelbacher von den Russen regelrecht vertrieben. Die Zweitsiedler durften nicht auf dem Friedhof in Edelbach bestattet werden.  Der Vater meiner Schwägerin, der 1950 in Edelbach starb, wurde am Friedhof in Allentsteig begraben.

Zerstörung und Verfall

Ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags, Ende September 1955, sah Franz Willinger, der Redakteur des St. Pöltner Kirchenblattes,  noch "Stacheldraht in den Fenstern und Reste eines Stacheldrahtzaunes um die Kirchenmauer." Im St. Pöltner Kirchenblatt stand zu lesen , wie die Pfarrkirche profanen  Zwecken dienen mußte: "Im Krieg hat man das Gotteshaus Edelbach als Gefangenenkarzer benützt. Natürlich sieht man durch das Dach in den blauen Himmel  hinein, die anderen Kirchen, die wir auf dem Programm haben, tragen überhaupt keinen Balken und keinen Dachziegel mehr." Gemeint waren damit die Kirchen in Groß-Poppen, Oberndorf und auch Döllersheim.

Abb. 33 Im Sommer 1957 waren in Edelbach noch viele Häuser gut erhalten

Nach 1952 war die Kirche von den Russen beschossen worden, trotzdem behielt sie ihr schadhaftes Dach. Was von der Kirche in Edelbach im Jahre 1955, nach Abzug der  Besatzungssoldaten, noch stand, wurde nicht gesichert.

1955 erzählte P. Prior Josef Leutgeb von Stift Zwettl: "Vor drei Jahren (also 1952) wäre  fast alles noch in Ordnung gewesen, auch die Häuser rund um die Kirche. Dann kamen jedoch zivile Spekulanten und allerlei Volk erhielt die Zustimmung zum Demolieren und  Verschleppen. Auch der Pfarrhof ist verschwunden, angeblich wurde sein Baumaterial nach Krems gebracht. Was von der Kirche in Edelbach (im Jahre 1955) noch steht,  müßte bald gesichert werden, vor allem gegen Regennässe und Sturm. Vielleicht siedeln wieder einmal Menschen, die hier mit einem Priester das Meßopfer feiern und beten wollen."  

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Abb. 34 Pfarrkirche Edelbach im Herbst 1955: Das Kreuz am Kirchturm ist noch vollständig erhalten!

Das St. Pöltner Kirchenblatt konstatierte 1955: "Die Kirche von Edelbach hat teilweise  ein Notdach und erweckt von ferne einen verhältnismäßig günstigen Eindruck. Das Loch eines Granattreffers hat der nördlichen Kirchenmauer jedoch eine riesige Wunde zugefügt."

Im Herbst 1958 war leider schon das Dach des Altarraumes, südlich vom Turm, der Ziegel beraubt. Die Decke des Langhauses war vom Rundbogen des Altarraumes bis in  die Nähe des ersten Langhausfensters eingebrochen.

Dennoch war die Kirche in Edelbach zu diesem Zeitpunkt von allen vier Kirchen im Aussiedlungsgebiet am besten erhalten. Es ist schwer zu glauben, aber es ist wahr, daß  die Kirche in Edelbach erst nach dem Herbst 1955 zu einer Ruine gemacht wurde!

Abb. 35 Presbyterium und Turm im Herbst 1955

Die Südmauer der Pfarrkirche Edelbach war kunstvoll gemauert, ein "opus spicatum"   wie es sonst nur von Burgmauern bekannt ist. In Edelbach wurden, wie mir Oberstleutnant Oberleitner im August 1984 sagte, in den Jahren 1957 und 1958  zahlreiche Sprengübungen von Pionieren des Bundesheeres  auch in der Kirche. Dadurch wurde die Südwand des Langhauses herausgesprengt, wodurch 1958 das Dach der Kirche zusammenbrach.

Abb. 36 Das Innere der Pfarrkirche Edelbach 4 Monate nach dem Abschluß des österreichischen Staatsvertrags! Die längst nicht  mehr vorhandene Südmauer der Kirche, der damals (1955!) intakte Rundbogen und die teilweise eingebrochene Decke

Ende Oktober 1979, in der Nacht von einem Samstag auf einen Sonntag, stürzte dann der Turm in das Langhaus der Kirche, wo er bis heute liegt.

Heute erweckt die Kirche in Edelbach - auch schon von Ferne - einen erschütternden Eindruck, nicht einen "verhältnismäßig günstigen" wie vor 40 Jahren!

Abb. 37 Die Kirchenruine von Edelbach von Südosten. Die Bäume stehen auf dem Areal des ehemaligen kirchlichen Friedhofs.

Abb. 38 "Das Loch eines (russischen) Granattreffers hat der nördlichen Kirchenmauer eine riesige Wunde zugefügt." Die  Innenaufnahme zeigt im linken Bereich die damals noch existente Westempore.

Die Westseite der Pfarrkirche Edelbach mit ihrer glatten Giebelfront sowie die Nordmauer sind immer noch relativ gut erhalten. Die Giebelmauer war mit einem  Steinkreuz gekrönt. Der Sängerchor bekam Licht durch die beiden querovalen Fenster, die 1864 ausgebrochen worden waren. Die Steinrahmung des Hauptportals ist längst  verschwunden. Die im Nordosten an den Altarraum angefügte Sakristei ist noch einigermaßen intakt. Die darunter befindliche Gruft der Familie Leisser wurde aufgebrochen und gleicht heute einem offenen Grab.

Abb. 39 Die Westseite des Langhauses, 1995

Abb. 40 Die Westseite der Pfarrkirche Edelbach mit ihrer glatten Giebelfront. 1984

Erhalten ist auch noch der Rundbogen zum Altarraum hin, die Südmauer ist jedoch bis auf einen großen Pfeiler zerstört. Von dem wertvollen spätgotischen Netzgewölbe des  Presbyteriums aus dem 15. Jahrhundert sind heute nur noch karge Teile an den Wänden erhalten. Die gotischen Spitzbogenfenster verfallen immer mehr, das Ostfenster der  jetzigen Altarraumruine ist bereits zur Gänze ausgebrochen und verschwunden. Von den Steingesimsen an der Außenseite ist das untere noch fast ganz erhalten, das obere ist unter dem fehlenden Ostfenster unterbrochen.

Abb. 41 Im September 1955 waren das spätgotische Sterngewölbe aus dem 15. Jahrhundert und der Rundbogen noch in  erstaunlich gutem Zustand.

Abb. 42 Nordöstliche Innenseite des Altarraumes mit dem Nordfenster im Jahre 1984. Die Rippenansätze sind ganz deutlich zu  erkennen, ebenso im Osten der Rest der spätgotischen Laibung des Fensters.

Die Apsis des ehemaligen Altarraumes, das gotische Presbyterium, droht seit Jahren auseinanderzubrechen. Würden die einsturzgefährdeten Teile nummeriert, sorgfältig  abgetragen und wieder fachgerecht aufgemauert, dann wäre das Presbyterium zu retten - auch heute noch... Die Konservierung der Kirchenruine in Edelbach wäre dringendst notwendig.

Nicht selten habe ich beobachtet, wie Panzer ganz nahe an der Kirchenruine vorbeifahren - und damit auch über den alten Friedhof. Dies ist nicht nur pietätlos, es  erschüttert auch die einsturzgefährdeten gotischen Mauern.

 Abb. 43 Die Apsis des spätgotischen Altarraumes aus dem 15. Jahrhundert, 1984

 

Warum ist es so weit gekommen?

Abb. 44 Die Apsis (halbkreisförmiger Abschluß) des Altarraumes von innen, 1984

Abb. 45 Nord- und Westseite des Kirchturmes mit Sakristei, um 1960. Das Dach befindet sich im Zusammenbruch.

Abb. 46 Die Nordseite der Pfarrkirche Edelbach um 1960. Das Dach des Langhauses ist durch Demolierung in sich zusammengebrochen.

Abb. 47 Durch die Türe in der Südmauer – ihr Steinrahmen war nach 1958 herausgerissen worden – ist der damals noch an der  Nordmauer befindliche Grabstein Leissers zu sehen. Wo befindet er sich heute?

Abb. 48 Der Turm der Pfarrkirche Edelbach im Juni des Jahres 1976: Er trägt kein Kreuz mehr...

Abb. 49 Der Turm stürzte Ende Oktober 1979 – von einem Samstag auf Sonntag – in das seines Daches und seines Gewölbes  beraubte Langhaus. Dort liegt er bis heute. Auf der Giebelmauer befindet sich noch das Steinkreuz.

Abb. 52 Die Nordmauer der Kirchenruine Edelbach, im Vordergrund Obersleutnant Oberleitner, der für mich ein fachkundiger und  liebevoller Führer war. 1984

Abb. 50 Die Apsis des Altarraumes ist begrenzt durch die beiden kräftig profilierten Steingesimse. Der Rundbogen zwischen  Altarraum und Langhaus sowie die Spitze der westlichen Giebelmauer sind gut erkennbar. 1983

Abb. 51 Das aus Steinen gemauerte Tonnengewölbe der Sakristei 1984. Dieser Teil des Gotteshauses ist auch heute noch recht  gut erhalten. Eine Türe führte zur Oratoriumsstiege, unter der Sakristei befand sich die Leissergruft.

Der ältere Friedhof von Edelbach

Etwa 150 m nördlich der Pfarrkirche Edelbach und mit dieser einst durch eine Allee verbunden liegt der allgemein bekannte - jüngere - Friedhof der Pfarre Edelbach. Der  alte Friedhof von Edelbach war um die Kirche herum angelegt. Er dehnte sich Richtung Süden von der Kirche fast bis zur Volksschule aus. Gräber gab es wahrscheinlich auch  östlich und westlich der Kirche. Nördlich der Kirche dürften sich aufgrund des schlechten Zugangs keine Gräber befunden haben.  Dieser ältere Gottesacker, in den  Sterbebüchern stets "Friedhof in Edelbach" genannt, wurde in der Zeit vor 1250, der vermutlichen Gründungszeit der Pfarre Edelbach, angelegt. Er wurde bis zum 23. August  1869 belegt, also durch mindestens 620 Jahre. 1867 wurde der Friedhof verlegt und an der Stelle des alten ein Kirchenplatz errichtet.

Abb. 53 Ein Teil des ehemaligen kirchlichen Friedhofs in Edelbach, 1983

Die Sterbebücher, erhalten ab dem Jahr 1676, wurden bis 1. August 1938 geführt. Nach den Aufzeichnungen, die 6.602 Namen überliefern, wurden 4.902 Verstorbene auf dem  alten Friedhof von Edelbach und 1.700 auf dem jüngeren beerdigt. Für die Zeit von 1258 bis 1675 ist anzunehmen, daß rund 3.000 Menschen bestattet wurden, deren Namen wir  nicht kennen. Somit ist der alte Friedhof in Edelbach Ruhestätte von 8.000 Verstorbenen.

Abb. 54 Das Grab der preussischen Soldaten in Edelbach, um 1938

Die meisten Beerdigungen gab es im Jahre 1866: die Cholera wütete auch in Edelbach. Auf ihrem Rückzug fielen hier auch sechs Soldaten des preussischen Heeres der  Cholera zum Opfer: Johann Heinrich Heffers aus Düsseldorf, 23 Jahre alt, Emmanuel Elsing aus Kepplen, 26, Ludwig Roberth aus Una in Westfalen, 21, Gebhart Osterkamp  aus Clesse in Rheinpreußen, 23, Theodor Goebell aus Wischheim, 24, und Peter Joseph Achfisch aus Gürzenieh, Bezirk Aachen, 26 Jahre alt.  Sie wurden auf dem  Friedhof - offenbar in einem Grab - an der Südseite der Pfarrkirche begraben. Ihr Grab, das noch bis 1938 gepflegt wurde, war von einem Schmiedeeisenkreuz geziert. Die  Gedenktafel "Hier ruhen 6 preußische Soldaten aus dem Cholerajahr 1866" war wohl am heute noch erhaltenen Mittelteil der Südmauer der Kirche angebracht.

Das letzte Begräbnis auf dem alten Friedhof fand am 23. August 1869 statt: Anna Maria  Auer, mit 16 Jahren an Typhus gestorben. Im Jahre 1885 wurden auf dem alten Friedhof, dem nunmehrigen Kirchenplatz, Kastanienbäume gepflanzt, die zum Großteil jetzt noch stehen.

Leider habe ich schon oft Panzer über den alten Friedhof und das Soldatengrab fahren sehen...

 

Der jüngere Friedhof von Edelbach

In den Jahren 1867 (das Friedhofskreuz trägt diese Jahreszahl) bis 1869 wurde etwa 150 m nördlich der Pfarrkirche, auf einem zum Pfarrhof gehörenden Grundstück, der  neue Friedhof angelegt, da der ältere schon überbelegt war. Eine schöne Allee verband die Pfarrkirche mit dem neuen Friedhof. Das erste Begräbnis auf diesem "pfarrlichen  Friedhof" fand am 15. September 1869 für Franziska Pfeifer aus Edelbach, 26 Jahre alt, ledig, statt.

Da es in der Pfarre Edelbach ohne Merkenbrechts 152 Häuser, mit Merkenbrechts über 180 Gehöfte gab, wird es auf dem neuen Friedhof auch mehr als 180 Gräber gegeben  haben. Bis zur Zwangsaussiedelung wurden hier genau 1.700 Menschen bestattet. Am 1. August 1938 fanden die beiden letzten Begräbnisse statt. Zwei weitere Edelbacher,  die nach diesem Datum verstarben, durften nicht mehr auf dem pfarrlichen Friedhof von Edelbach bestattet werden.

In der NS-Zeit war der Besuch des Friedhofs praktisch immer möglich. P. Koloman Rössler selbst hat am 2. November 1938 am Friedhof in Edelbach eine Allerseelenfeier  gehalten. Es dürften sich viele Menschen getroffen haben - viele Aussiedler aus der Ortschaft Edelbach selbst, die noch in der Pfarre wohnenden Bewohner von Neunzen,  Äpfelgschwendt und Riegers sowie die Merkenbrechtser, die bis 1. August 1938 ihre Toten hier in Edelbach hatten einsegnen lassen. Angeblich soll es auch 1939 eine  Allerseelenfeier in Edelbach gegeben haben, obwohl die gesamte Pfarre bereits offiziell ausgesiedelt war. Die Bewohner von Merkenbrechts gehörten nun zur Pfarre Göpfritz an  der Wild, auch sie werden noch gerne den Friedhof in Edelbach besucht haben. Ob in den Jahren 1938 und 1939 Passierscheine für den Friedhofsbesuch notwendig waren, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Abb. 55 Der 150 m nördlich der Kirche gelegene Friedhof der Pfarre Edelbach im Winter 1938/39. Die Kirche und die  umliegenden Häuser sind im Hintergrund deutlich zu sehen.

Am 1., 2. und 3. November 1940 erlaubte die Kommandantur des Truppenübungsplatzes auf allen vier Friedhöfen im Aussiedelungsgebiet Gräberbesuche. Diese Erlaubnis wäre  für Edelbach kaum notwendig gewesen, da die Ortschaft 1940 bis 1952 von Zweitsiedlern - als Pächter der Deutschen Wehrmacht (und ab 1945 der Sowjets) -  bewohnt war. Diesen standen jedoch Friedhof und Kirche nicht zur Verfügung, sie gehörten praktisch zur Stadtpfarre Allentsteig. Deshalb sind auch der Vater und der  Großvater meiner Schwägerin, die in dieser Zeit in Edelbach wohnten, auf dem Friedhof in Allentsteig begraben. Der Zugang zum Friedhof in Edelbach war allerdings in den Jahren 1940 bis 1945 selbstverständlich.

Abb. 56 Friedhof Edelbach im Juli 1938: Mutter und Tochter König vor dem Familiengrab, wenige Tage vor der Zwangsentsiedlung

In der Besatzungszeit war es schwer möglich, auf der Straße von Merkenbrechts nach Edelbach zu fahren - die russischen Soldaten machten oft Schwierigkeiten. Über die  Felder nach Edelbach zu kommen, war etwas leichter. Der Friedhof wurde nicht mehr gepflegt, nur einzelne Gräber waren einigermaßen in Ordnung. Die gußeisernen  Grabkreuze dürften schon bald nach 1945 - also noch lange bevor das Abtragen der Häuser begann - von Österreichern, mit Genehmigung der russischen  Besatzungssoldaten, entfernt worden sein. Einige Familien brachten die Grabsteine auf die Friedhöfe ihrer neuen Heimat.

Abb. 57 Allerheiligen 1958: Die Familie König aus Edelbach Nr. 16 vor dem notdürftige gepflegten Familiengrab auf dem  Pfarrfriedhof Edelbach, der damals noch nicht vom Wildwuchs verschlungen war.

In der Zeit von 1955 bis 1957, als viel von der Wiederbesiedlung die Rede war, hat sich auf dem Friedhof in Edelbach nichts Besonderes ereignet: einzelne Gräber wurden ein  wenig gepflegt, der Zugang war jederzeit möglich, Grabkreuze und Grabsteine fehlten. Dennoch hätten die Rückkehrwilligen die Gräber ihrer Angehörigen bestimmt betreut.

Gegen 1960 wurde die Straße von Edelbach nach Merkenbrechts, die bis dahin am Friedhof vorbeiführte, wegen des Baus des Munitionslagers nach Westen verschoben -  sie mündet jetzt gegenüber dem Haidhof in die Straße Allentsteig - Winkl - Neu-Pölla. Das Munitionslager, teils auf der alten Straße, teils auf dem Gelände des  Gefangenenlagers errichtet, beginnt an der Nordost-Ecke des Friedhofs. Eine Zufahrt von Merkenbrechts her gibt es nicht mehr.

Abb. 58 Grabstein: "Hier ruhet unser liebes Kind Hedwig Gumpinger aus Neunzen, geb. 1927, gest. 1933, Ruhe sanft!"

Abb. 59 Der verwilderte Friedhof Edelbach, 1989. Es gibt noch einige Gußeisenkreuze und Grabsteine.

In Begleitung von Oberstleutnant Franz Oberleitner konnte ich den Friedhof, über dem in den Jahrzehnten seit der Zwangsentsiedlung ein Hain emporgewachsen ist, im August  1984 zum ersten Mal betreten. Unter dem dichten Wildwuchs fanden wir mehrere Grabeinfassungen sowie einige Grabsteine. Zu meiner größten Freude fanden wir auch  das dicht von Bäumen umgebene Friedhofskreuz: das Steinkreuz war unversehrt, der rechte Arm des Gekreuzigten war völlig abgerostet, der linke Oberarm war noch zu  sehen - ein treffendes Bild für einen verwilderten Friedhof. Es war damals sehr zu hoffen, daß dieser Friedhof wenigstens zu Allerheiligen und zu Allerseelen wieder zugänglich  gemacht werden könnte. Der Wald könnte ja bleiben, er sollte allerdings gründlich ausgeforstet werden.

Abb. 60 Das Friedhofskreuz vor der Renovierung. 1984

Abb. 61 Die Inschrift des Friedhofskreuzes: "Zur Ehre und Ruhme unseres Erlösers von der Pfarrgemeinde Edelbach errichtet worden 1867"

Der damalige Oberstleutnant Oberleitner ließ noch vor Allerheiligen 1984 das Friedhofskreuz in Edelbach renovieren und die Umgebung vom Wildwuchs befreien.  Seither sieht dieser Teil einem gepflegten Waldfriedhof sehr ähnlich.

Der am 1. Jänner 1985 zum Oberst ernannte Offizier Franz Oberleitner hätte - als Schießplatzkommandant - mit dem Friedhof in Edelbach noch sehr Edles vorgehabt: Er  wollte den ganzen Friedhof so herrichten lassen wie 1984 den Bereich um das Friedhofskreuz, so daß jedes noch erkennbare Grab zu Allerheiligen erreicht werden  könnte. Noch vorhandene Grabsteine wollte er aufrichten lassen und dafür sorgen, daß der Friedhof in Hinkunft nicht mehr von Wildwuchs befallen werde. Die Pflege der Gräber  allerdings sollte Sache der Angehörigen sein. Mit der Friedhofspflege wollte er noch vor Allerseelen 1988 beginnen. Leider verschlechterte sich sein Gesundheitszustand so  sehr, daß Oberst Oberleitner vorzeitig in den Ruhestand treten mußte und wenig später verstarb.

Am 4. Juni 1985 setzten ehemalige französische Offiziere, die von 1940 bis 1945 in Edelbach als Kriegsgefangene gelebt hatten, fast neben dem Friedhofskreuz ein  Bäumchen und einen Gedenkstein. Ich nenne diesen kultivierten Platz um das Friedhofskreuz sehr gerne "Franz Oberleitner-Platz". Im August 1995 - ich gab dazu  keine Anregung - erklärten sich Unteroffiziere bereit, auch den restlichen Teil des Friedhofs zu kultivieren. Sie würden diese Arbeiten in ihrer Freizeit verrichten. Solchen  Unteroffizieren gebührt Hochachtung. Im Namen der Aussiedler, deren Angehörige auf dem Friedhof in Edelbach ruhen, ersuche ich das Tüpl-Kommando, für dieses edle Vorhaben Erlaubnis zu geben.

Abb. 62 Zu Allerheiligen 1984 war das Steinkreuz schon renoviert und die Umgebung von Wildwuchs befreit. Der neue Corpus  folgte erst mit Jahresbeginn 1985. Franz Oberleitner sah es als besondere Fügung an, daß er einige Tage zuvor von seiner Ernennung zum Oberst erfahren hatte.

Abb. 63 Friedhof Edelbach mit Bäumchen und Gedenkstein: "Dieser Baum wurde am 04 06 85 durch ehemalige kriegsgefangene  französische Offiziere (1940-1945) gepflanzt."

 

 

Gedenkmesse "50 Jahre Aussiedlung"

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Abb. 76 Pfarrer Jansen (Göpfritz/Wild), Abt Bertrand Baumann (stift Zwettl) und Pfarrer Johannes Müllner beim  Gedenkgottesdiesnt in Edelbach am 12. Juni 1988

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Abb. 77 Gedenkgottesdienst in Edelbach (im Hintergrund die Kirchenruine): "Wir standen buchstäblich auf der Straße."

Abb. 78 Ferdinand Mauer-Hochkreuz aus dem Jahre 1839

50 Jahre nach der Zwangsentsiedlung fand am Sonntag, dem 12. Juni 1988, um 10 Uhr, in Edelbach ein Gedenkgottesdienst statt, mit Segnung des Friedhofskreuzes und des  Friedhofes durch Abt P. Bertrand Baumann von Stift Zwettl. Soweit mir bekannt ist, gab es seither auch Allerseelenfeiern in Edelbach, dank dem Entgegenkommen des Übungsplatz-Kommandos.

An der Straße von Edelbach nach Felsenberg stand einst das Ferdinand Mauer-Hochkreuz. Die Inschrift auf dem Sockel lautet: "Dem Ferdinand Mauer,  Kaufmann von Caya, hat im ein Wang erschlang, 1839". Im Jahre 1979 mußte das hohe Steinkreuz gesichert werden, da Panzerspuren bis zu einem Meter neben dem Kreuz  vorbeiführten. Es wurde vom Schießplatz an den Kreuzackerweg zwischen Reinsbach und Zwinzen, Abzweigung nach Ganz übersiedelt. An dem einstigen Standort befindet  sich heute ein Betonkreuz - zu Orientierung für die Soldaten, weil auf den Landkarten ja ein Kreuz eingezeichnet ist ...

Zur Pfarre Edelbach gehörten bis 1938 die Ortschaften Merkenbrechts, Neunzen, Äpfelgschwendt und Riegers.

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... und über das Gebiet rund um Döllersheim:   www.allentsteig.at   www.walthers.at
 

Edelbach