Merkenbrechts
Auch die Gründung der Ortschaft Merkenbrechts, heute am Nordostrand des Entsiedlungsgebiets gelegen, jedoch bewohnt, ist im 12. Jahrhundert erfolgt. Wolfger von Eggenburg aus dem  Geschlecht der Herren von Gars gab vor 1201 dem Kloster Zwettl eine Hube in "Erchenbrehtestorf". Das Rentenbuch des Stiftes verzeichnet um 1325 in "Erchenprehts" 13 Lehen, weitere Güter und das  Dorfgericht in Merkenbrechts kaufte das Stift von Nikolaus und Heinrich Streun zu Schwarzenau. Nach Plünderungen und Brandschatzungen 1331 und 1481 durch ungarische Söldner verkaufte das Stift 1530  "Erchenprechts" an Sigmund Leisser, von dem der Besitz 1658 an Joachim Freiherrn von Windhag überging. Der Ort hieß damals schon Merkenbrechts, entstanden aus "(Zu de)m Erchenbrechts".

Von der Zwangsentsiedlung blieb Merkenbrechts - damals eine eigene Gemeinde, zu der Neunzen gehörte, - verschont und liegt heute nahe der nordöstlichen Übungsplatzgrenze. Noch im August  1938 übernahm die Pfarre Göpfritz an der Wild die Seelsorge über die damals 241 Einwohner.

Abb. 79 Johann Trappl, Gastwirt in Merkenbrechts Nr. 30, wurde 1908, seine Tochter, verehel. Fucker, 1937 in Edelbach getauft.  Die Mutter von Johann Trappl ist in Edelbach begraben. 1984

Abb. 80 Die Kapelle von Merkenbrechts, von Südosten gesehen, 1984

Abb. 81 Das Hofbauer-Kreuz, früher zwischen Merkenberchts und Edelbach, steh heute in Allentsteig: Eigentum der Republik. 1984

Eine Betkapelle bestand in Merkenbrechts schon 1772. Es ist dies eine einschiffige Anlage mit relativ großem vorgelagerten Westturm, der ein Zwiebelblechdach trägt. Das  Langhaus weist im Norden und Süden je drei Spitzbogenfenster auf. 1898 wurde im Bereich der Pfarre Edelbach, südlich der Straße Merkenbrechts-Edelbach von der  Familie Hofbauer in Merkenbrechts ein Kreuz errichtet. 1980 wurde es aus Mitteln des Bundesdenkmalamtes restauriert und auf dem Kalvarienberg in Allentsteig aufgestellt.  Das Kreuz ist jetzt Eigentum der Republik Österreich. Auf dem Sockel ist zu lesen: "Mein Jesus Barmherzigkeit. Gewidmet zur Ehre Gottes und der schmerzhaften Mutter Gottes  Maria von der Familie Hofbauer in Merkenbrechts. Gelobt sei Jesus, Maria und Josef in alle Ewigkeit. Amen. 1898"

Abb. 82 Sandsteinfigur "Gott-Vater-Pietà", Hauszeichen an einem Keller am Südrand von Merkenbrechts: Eine Variation der  Pietà (Maria mit Christus) bzw. des "Gnadenstuhls" (Darstellung der Dreifaltigkeit), wobei Christus nicht am Kreuz, sondern nach der Kreuzabnahme dargestellt ist.

 

Neunzen

Abb. 83 Schloß Neunzen (topographia Windhagiana aucta, 1673)

Das Gut "Nicen", eine Schenkung des Garser Burggrafen, gehörte zu den älteren Stiftungsgütern des 1138 gegründeten Klosters Zwettl. Neunzen scheint zwischen 1156  und 1209 in Urkunden der Päpste Hadrian IV., Alexander III. und Innozenz III. auf. Der Name "Neitzen" leitet sich vermutlich von Nizzo ab, dem Vater des Hadmar von  Kuenring, des Gründers von Stift Zwettl. Die Blütezeit der "Curia Neytzen", des Wirtschaftshofes des Stiftes Zwettl, fällt in das 14. Jahrhundert. 1530 verkaufte der Abt  Erasmus Leisser von Stift Zwettl, um die vom Kaiser ausgeschriebene Türkensteuer entrichten zu können, den Hof Neunzen an seinen Bruder Sigmund, königlichen Kriegsrat  und Oberstfeldzeugmeister. Dessen Sohn Christoph Leisser ließ den damals öden Hof zu einem Schloß ausbauen und errichtete eine Schäferei, ein Bräuhaus, Gartenhaus und  die Hofmühle bei Wurmbach. Da die Leisser sich zur Lehre Luthers bekannten, wurden die Gottesdienste in der Schloßkapelle von Pastoren gefeiert. 1619, in den  Anfangsjahren des Dreißigjährigen Krieges, wurde der "Neizenhof" niedergebrannt.

Abb. 84 Innenansicht der Kapelle im Schloß Neunzen (Topographia Windhagiana, 1673)

Abb. 85 Schloß Neunzen mit der Gartenanlage (Topographia Windhagiana aucta, 1673)

Joachim Freiherr von Windhag, ab 1658 Besitzer, ließ das Schloß neu erbauen, ebenso  die Schloßkapelle (etwas vor 1665). Die Güter Groß-Poppen und Neunzen speisten die von Windhag testamentarisch eingerichtete, bis heute bestehende Stiftung. Nach 1848,  nach der Aufhebung des Feudalstaates und der Grundherrschaft, wurde das Schloß verkleinert und in ein einfaches Försterhaus umgewandelt.

Das Dorf Neunzen entstand erst, als nach 1793 die drei Herrschaftshöfe und deren Gründe an Bauern verkauft wurden. 1938 bestand der Ort aus 27 Häusern.

Abb. 86 Das ehemalige Schloß Neunzen, Rückseite. Im 19. Jahrhundert wurden Teile der ehemaligen Bauten abgetragen. Das  Schloß stand etwa 200 m südöstlich der Ortskapelle.

Abb. 87 Ehemaliger Standort des Schlosses von Neunzen, 1984

Die Schloßkapelle wurde 1859 ganz aufgelassen, hatte aber trotzdem noch im Jahre 1938 ihr Spitzbogengewölbe. Oberst Oberleitner: "Vor 1955 haben Austro-Russen das  ehemalige Schloß mit der Kapelle abgetragen. Die Frau Rötzel weiß noch Bescheid. Ihr Vater war da noch Förster bei den Russen. In den Jahren nach 1960 hat das  Bundesheer von den Schutthaufen Ziegel herausgeputzt zur Instandsetzung im Lager Kaufholz."

Abb. 89 Das Innere der Kapelle, 1984

Abb. 90 Nordwestseite der Ortskapelle Neunzen, 1985

Im Jahre 1887 ließ die Ortsgemeinde eine Ortskapelle erbauen, wobei eine mehrere  Jahrhunderte alte Linde des alten Schloßparks gefällt wurde. Die Kapelle bestand 1984 noch im Gesamten wie ein Rohbau. Fenster und Türstöcke fehlten. Das Innere der  Kapelle: kein Inventar, dafür zwei Löcher in der Decke - oberhalb des Altarraumes und im Langhaus - sowie ein Loch in der Apsis im Norden.

Abb. 91 Neunzen im Juli 1984: Häuser und Höfe, die es heute nicht mehr gibt.

Seit Sommer 1989 gibt es auch die letzten vier der einst 27 Häuser von Neunzen nicht mehr, sie wurden abgetragen. Dafür wurde wenigstens das Gemäuer der Kapelle  größtenteils wiederhergestellt. Die Renovierung der Kapelle in Neunzen war das letzte Werk von Oberst Oberleitner. Leider hat er die Fertigstellung nicht mehr erlebt.

Der Minnesänger Kol

Aus Neunzen stammte der mittelalterliche Minnesänger Kol von Niuntzen (um 1300), der zum Gefolgekreis der Kuenringer gehört haben dürfte.  Einige seiner Gedichte,  Vagantenlieder mit derb-realistischem Charakter, sind in der berühmten Manessischen Liederhandschrift enthalten.

Kaum 10 km von Neunzen entfernt, direkt an der Grenze des Entsiedlungsgebiets, lag der mittelalterliche Ort Walthers, der nach neuesten Erkenntnissen als Heimat des  größten Minnesängers deutscher Sprache, Walther von der Vogelweide, sehr wahrscheinlich ist.  

Abb. 93 Neben der Straße Neunzen-Wurmbach steht – vielleicht noch zu Neunzen gehörig – dieses Gußeisenkreuz mit Steinsockel. 1984

Südlich der Ortschaft Neunzen wurde von der Deutschen Wehrmacht das "Lager Kaufholz" (nach einem Flurnamen) mit über hundert langgezogenen Holzbaracken  angelegt. Dieses wird seit 1957, in modernisierter Form, durch das Österreichische Bundesheer genutzt. Hier steht auch die Ende der 60er Jahre erbaute "Soldatenkirche".  Sehr oft sieht sie, wie Besucher der Gottesdienste wissen, an Sonn- und Feiertagen ganz wenige Soldaten. Frauen und Kinder retten die Ehre so mancher Soldatenfamilie.

Abb. 94 Die "Soldatenkirche": Wäre die unweit gelegene Kirche in Edelbach gerettet worden, hätte man sich den Bau der  Soldatenkirche ersparen können. 1985

Während des 2.Weltkrieges auf dem Übungsplatz

RegR Ludwig Silberbauer aus Wien berichtete mir im Juni 1985 nach einer Wallfahrt -  von seinen Eindrücken aus der Zeit, da er als Soldat zu Übungen auf den Truppenübungsplatz Döllersheim verlegt wurde.
Ich war zweimal im sogenannten Lager Kaufholz. Zuerst im Mai 1939 und dann von  Oktober 1940 bis etwa Februar 1941. Ich habe in dieser Zeit an vielen Übungen teilgenommen. Dabei wurden wir immer dazu aufgefordert, Dörfer, sonstige  Einrichtungen, Wälder und Fluren zu schonen. So war es u.a. nicht gestattet, in den unbewohnten Häusern Unterkunft zu beziehen. Selbstverständlich war auch das Betreten  der Häuser untersagt. Bei Nachtübungen wurde außerhalb der Ortschaften biwakiert. Weiters ist mir noch gut in Erinnerung, daß wir Jungwälder bei den Übungen  auszusparen hatten. Selbstverständlich war das Rauchen, Lagerfeuermachen und das Abfeuern von Leuchtspurmunition ebenfalls verboten. Bei Gefechtsübungen durfte in die  Ortschaften nicht hineingeschossen werden. Entstand aber doch einmal ein Schaden, dann war die übende Truppe dazu angehalten, den Schaden selbst zu beheben oder  aber dem Lagerkommando zu melden. Wurden während einer Gefechtsübung "Schützenlöcher" und "Schützengräben" ausgehoben, so mußten sie am Ende der  Übung wieder eingeebnet werden. Alle Übungen durften übrigens nur unter der Aufsicht eines Übungsleiters ausgeführt werden und mußten schon Tage vorher dem  Schießplatz-Kommando in Allentsteig bekanntgegeben werden. Die Einheiten, welche damals auf den Übungsplatz Döllersheim verlegt worden sind, waren mit Ausnahme der  Offiziere und verheirateten Unteroffiziere, im Lager Kaufholz, nahe der bewohnten Ortschaft Merkenbrechts und den entsiedelten Dörfern Neunzen und Edelbach,  untergebracht. Die Offiziere und verheirateten Unteroffiziere wohnten mit ihren Familien in von der Wehrmacht errichteten Häusern beiderseits der Straße von Allentsteig nach Göpfritz/Wild.
Verpflegt wurden die Truppen aus dem Lande, d.h. Fleisch und sonstige Nahrungsmittel wurden in Allentsteig, Waidhofen an der Thaya, Horn usw. eingekauft. Lediglich das Brot  wurde von einer in Göpfritz/Wild fest stationierten Bäckereikompanie gebacken. Ich habe während meiner langen Militärzeit verschiedene Truppenübungsplätze  kennengelernt. Es stimmt, daß alle diese Anlagen irgendwo sich ähnlich sind, doch von der Landschaft her sind sie anders.

Herzlich grüßen Sie, Herr Pfarrer, sowie alle Roggendorfer Wallfahrer Ihr Ludwig Silberbauer und Gattin, 5. Juni 1985

Äpfelgschwendt
Der Ort Äpfelgschwendt, etwa 3km östlich von Edelbach gelegen, war ein größeres Dorf an einem Quellbach der Taffa, die bei Rosenburg in den Kamp mündet. Das Straßendorf  lag auf einer Hochfläche östlich seines Pfarrortes Edelbach, von wo aus bei klarem Wetter herrliche Sicht auf Schneeberg und Ötscher gegeben ist.

Abb. 95 Äpfelgschwendt im Winter 1938/39

Äpfelgschwendt ist ein sehr alter Ort des Waldviertels. Erstmals wird er 1175 in einer Schenkung des Marquard von Tige an das Stift Zwettl genannt, worin auch ein Ritter  Hainricus de Hepfengeswende als Zeuge genannt wird. Das Stift verkaufte diesen Besitz 1530 mit Neunzen an Sigmund Leisser, 1658 ging er auf Joachim Freiherrn von  Windhag über. Der größere Teil des Ortes, 30 Häuser, hatte ursprünglich zur Herrschaft Maigen, seit 1615 zur Herrschaft Rosenburg gehört. 1673 war Äpfelgschwendt berühmt  für den guten Kalk, der hier gebrannt wurde. Zur Zeit der Zwangsentsiedlung war Äpfelgschwendt eine eigene Gemeinde mit 45 Häusern. Während des 2. Weltkriegs  wurden in Äpfelgschwendt - im sogenannten Belgiertal - zahlreiche österreichische und deutsche Soldaten durch die SS hingerichtet. Meist wurden sie von Edelbach nach  Äpfelgschwendt zur Hinrichtungsstätte getrieben. Vor ihrer Erschießung mußten sie sich noch selber ein Grab schaufeln.  

Abb. 96 Madonnenstatue aus der Kapelle in Äpfelgschwendt

Die Kapelle von Äpfelgschwendt, ein Bet- und Glockenhaus, stammte aus dem Jahre 1753. Im Dezember 1916 mußte die Glocke, die von 1898 stammte und 189kg wog,  "dem Vaterlande geopfert werden".  Unter großen finanziellen Opfern baute die Gemeinde 1923 einen schönen neuen Glockenturm, die Kapelle wurde renoviert. Im  Herbst dieses Jahres fand die Turm- und Glockenweihe statt, zelebriert vom Abt des Stiftes Zwettl.

Als die heutige Straße durch den ehemaligen Ort gebaut wurde, ist die Kapelle - bzw. was von ihr noch vorhanden war - leider zur Gänze zerstört worden.

Abb. 97 Die Kapelle von Äpfelgschwendt, ein interessanter Bau, aus dem Jahre 1753

 

Riegers
Zahlreiche Münzfunde aus der Römerzeit (4. Jh.) lassen vermuten, daß schon in den ersten Jahrhunderten n. Chr. der Handelsweg, der von der Donau ins obere Waldviertel  bzw. zur Thaya führte, auch Riegers berührte. Urkundlich zwar erst um 1400 erstmals genannt, ist das südwestlich von Edelbach gelegene Breitstraßendorf Riegers  wahrscheinlich so alt wie Edelbach und Äpfelgschwendt (12. Jahrhundert). Ursprünglich zur Pfarre Alt-Pölla gehörig, wurde Riegers erst unter Joseph II. 1784 der Pfarre  Edelbach einverleibt. Bei einem verheerenden Brand im Jahre 1859 wurde fast der ganze Ort, auch die Kapelle, eingeäschert. Die zur Gemeinde Edelbach gehörende Ortschaft bestand bei der Entsiedlung aus 20 Häusern.

Abb. 98 Die Kapelle von Riegers

Die Kapelle von Riegers wurde im Jahre 1795 erbaut. Sie war rechteckig mit halbrundem Abschluß und hatte im Nordosten und Süden je zwei rundbogige Fenster.  Über dem Westgiebel befand sich ein quadratischer, gotisierender Turm aus dem Jahr 1890. Im ersten Weltkrieg mußte die einzige Glocke, aus dem Jahre 1865 stammend, an  das k. k. Artilleriezeugsdepot in Wien abgeliefert werden. Eine neue Bronzeglocke erhielt 1922 die kirchliche Weihe. Bei einer Begehung im Oktober 1984 war die  "Kapellenruine eindeutig erkennbar, die Mittelteile ausgebrochen."  Salweiden wachsen in der Kapelle. Die Apsis im Osten ist noch erstaunlich gut erhalten, soweit sie mit  Steinen gemauert ist. Dies gilt auch für die Westmauer und die Nordmauer. Von der Südmauer ist fast nichts da.

Abb. 99 Die Kapelle 1984: Der Rest der Giebelmauer (Westseite)

Abb. 100 Die Apsis der Kapelle, 1984

Die Allentsteiger Zeitschrift "Ikarus" berichtete im September 1984 auf Anregung von  Oberst Lösch über ein Wegkreuz zwischen Riegers und Klein-Haselbach: "Bei Planierungsarbeiten für einen verbreiterten Panzerweg stieß man auf einen umgestürzten  Granitblock, der, vom Gras befreit, sich als Gedenkstein entpuppte. Das aufgesetzte schmiedeeiserne Kreuz war zerbrochen. Trotz der nicht mehr vorhandenen Einfärbung  konnten die eingemeißelten Lettern bald enträtselt werden. Ihr Wortlaut: Hier wurde Leopold Föls, Hausbesitzer von Riegers, 44 Jahre alt, am 22. 8. 1875 am Heimweg überfallen und erschlagen ..."

Elfriede Schiller teilte mir im September 1984 mit, Holzfäller hätten dieses Kreuz samt Gedenkstein in der Russenzeit umgefahren und sich nicht um eine Wiederaufrichtung  gekümmert. Die Föls stammten aus Riegers Nr. 19, Pfarre Edelbach. Eine Familie ihrer Nachkommen ist jetzt in Wartberg bei Eggenburg beheimatet und ist mir, dem Schreiber dieser Zeilen, seit 25 Jahren bestens bekannt.

  

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Die Dörfer von Edelbach