Friedenskirche Döllersheim

Abb. 346    40 Jahre Friede in Österreich – Allerseelenfeier 1985 mit Weihbischof Dr. Alois Stöger, Abt Bernhard Naber OSB und  den Pfarrern Pöllendorfer, Nowak und Müllner (von rechts nach links).

Im August 1983 habe ich in meinem Textband geschrieben: "Auch die Kirchenruine in Döllersheim wird immer mehr zur Kirche. Gerade in unserer Zeit, wo so oft von  Friedensbewegungen zu hören ist und häufig das Wort Friede verwendet wird, könnte diese Kirche zu einer Gebetsstätte für den Frieden in der Welt werden." Ob ich damit die  Anregung zur "Friedenskirche" gab?

Abb. 347 Das Mittelschiff der Kirche erhielt 1986 wieder ein Dach

Schrittweise wurde die 1981 aus dem Sperrgebiet herausgenommene Pfarrkirche vor dem weiteren Verfall geschützt. Anfang Juni 1986 erhielt auch das Mittelschiff der Kirche  wieder ein Dach - zu wünschen wäre allerdings, daß dieses Provisorium bald durch eine originalgetreue Rekonstruktion der ursprünglichen imposanten Dachkonstruktion ersetzt wird.

Am Samstag, dem 13. September 1986, erteilte ihr Bischof Dr. Franz Zak die einfache kirchliche Weihe. Sie erhielt den Namen "Friedenskirche", bleibt jedoch weiterhin unter  dem Patronat der Apostel Petrus und Paulus. Seither wurden einige Gottesdienste und Meditationsabende, gestaltet unter anderen von Jugendlichen aus dem Dekanat und der  Diözese, in der wiedererstandenen Kirche gefeiert. Die Glocke, die die Kirche heute besitzt, ist ein Geschenk von Pfarrer Dechant Schreivogl von der Pfarre Groß-Haselbach.

Abb. 348 Liedtexte zur Weihe der Friedenskirche am 13. September 1986

Abb. 349 Die Weihe der Friedenskirche Döllersheim durch Bischof Dr. Franz Zak, 13. September 1986

Am Pfingstmontag, dem 23. Mai 1988, fand in der Friedenskirche Döllersheim im Gedenken an den 50. Jahrestag des Beginns der Aussiedelung ein ökumenischer  Gottesdienst unter dem Leitthema "Vertrieben - nie wieder!" statt. Das Gedenken galt den Zwangsaussiedlern der Alten Heimat sowie Vertriebenen und Flüchtlingen in aller  Welt. Teilnehmer an diesem Gottesdienst waren unter anderen Weihbischof Dr. Alois Stöger, P. Leo Wallner SJ und Pfarrer Josef Nowak von der römisch-katholischen  Kirche, Senior Pfarrer Mag. Arnold Komers, selbst Vertriebener aus dem Sudetenland, von der Evangelischen Kirche AB, Landessuperintendent Mag. Peter Karner von der  Evangelischen Kirche HB, Superintendent Helmut Nausner für die Methodistenkirche, Bischof Dr. Mesrob Krikorian von der Armenisch-apostolischen Kirche, Bischof Michael  Staikos von der Griechisch-orthodoxen Kirche und Pfarrer Ernst Kreuzeder von der Altkatholischen Kirche. Auch ich durfte dabei mitwirken. Der Gottesdienst wurde im Österreichischen Fernsehen direkt übertragen.

Den geistlichen Höhepunkt des Gedenkjahres 1988, 50 Jahre nach der Vertreibung, bildete der 12. Juni. An diesem Sonntag durfte zur gleichen Zeit, um 10 Uhr, in allen vier  ehemaligen Pfarren, somit auch in Döllersheim, eine hl. Messe gefeiert werden.

 

Abb. 350 1988 angebrachtes Herz-Jesu-Relief mit Gedenktafel für die Waldviertler KZ-Opfer, 1995

 Abb. 351 Gedenkstein (1988) für die "Opfer des Krieges 1939/45 aus dem Aussiedlerländchen Döllersheim", 1995

In diesem Gedenkjahr wurde in Döllersheim auch ein Denkmal errichtet - "aber nicht, wie man glauben würde, zur Erinnerung an die 7000 Heimatvertriebenen, sondern nur zur  Erinnerung an die für Hitlerdeutschland Gefallenen unter ihnen. Den sogenannten `Pflichterfüllern´ hat man also in Döllersheim neben der `Friedenskirche´ ein  Kriegerdenkmal errichtet, inmitten der Wälder eines der größten Truppenübungsplätze Europas ..."  An der Nordmauer der Friedenskirche gibt es seit dem Gedenkjahr 1988  auch eine Tafel "Zum Gedenken an die in den Gefängnissen und Konzentrationslagern 1938/45 verstorbenen Waldviertler"."

Friedhöfe sind kein Ort für Waffenübungen"

In der Zeit um 1980 dienten die Ruinenorte des Aussiedelungsgebiets mehrmals als Filmkulisse, z.B. in "Holocaust". In dem Kriegsfilm "Steiner - Das Eiserne Kreuz II"  (1978) ist Döllersheim wiederholt von Süden her zu sehen, der ehemalige Pfarrhof wurde als Unterstand für Maschinengewehre ins Bild gesetzt.

Ein Gottesdienst zur Erinnerung an die Ereignisse von 1938 und der Kriegszeit wurde von der Arbeitsgemeinschaft Katholische Jugend und Jungschar gemeinsam mit dem  Ländlichen Fortbildungswerk am 14. August 1988 in der Friedenskirche Döllersheim gestaltet. Über 400 Menschen, ehemalige Bewohner, Leute aus der Umgebung,  Freunde der Aussiedler und viele Jugendliche nahmen an dem von Kaplan Johann Ströbitzer von St. Pölten zelebrierten Gottesdienst teil. "

Er wolle nicht an der Existenz des Truppenübungsplatzes als solchem rütteln, sagte in der Predigt der Geraser Prämonstratenser Hr. Conrad Müller. Er gab jedoch zu  bedenken, ob es nicht Reste der `Alten Heimat´ gebe, die geschützt werden müßten. `Bis 1938 sind hier Menschen begraben worden, von denen heute noch Angehörige  leben´, sagte er. Es sei eine harte Anfrage, daß im Bereich des Truppenübungsplatzes Friedhöfe zerstört worden sind, nicht durch die Gewalt der Natur, sondern durch die  Gewalt des Menschen. Daß der eine Friedhof in Döllersheim wieder gepflegt werde, sei angesichts der zerstörten Friedhöfe in den drei übrigen Pfarrorten des Truppenübungsplatzes nur ein Feigenblatt.

Den größten Truppenübungsplatz ganz Mitteleuropas zu besitzen, ist kein Wert, dessen man sich brüsten könne, meinte Hr. Conrad. Vielmehr müsse der Truppenübungsplatz  eine Dienstfunktion einnehmen gegenüber dem Leben, das in den Häusern, auf den Äckern und Straßen passiere. Dann könne man fragen, ob dieses Areal so groß sein  muß, wie es jetzt ist. Zumindest sollte der Truppenübungsplatz das Leben der Menschen in der Umgebung nicht behindern. Mit dem Bibelwort "mit meinem Gott überspringe ich  Mauern" ermutigte Hr. Conrad, Subprior von Stift Geras, die Gottesdienstbesucher, nicht Mut und Selbstbewußtsein aufzugeben, sondern auf Unrecht und Schwierigkeiten aufmerksam zu machen."

Soldatenangelobung in der Kirche

Die Angelobung von 200 Bundesheersoldaten in der Friedenskirche von Döllersheim am 15. Mai 1992 - am Tag der Staatsvertragsunterzeichnung und zum "Jubiläum 35(?) Jahre  Truppenübungsplatz" - führte zu Verstimmung in der Bevölkerung. Engagierte Christen, auch aus den Reihen der Berufssoldaten, hatten Bedenken gegen "Mißbrauch und  Vereinnahmung" der Kirche. Der Militärbischof-Koadjutor, Mag. Christian Werner, nahm an der Angelobung mit einer Ansprache teil. In einem Radiointerview sagte er - nach  Rücksprache mit einem Offizier: "Das ist eine Ruine, das ist keine Kirche mehr, die ist säkularisiert und nicht mehr konsekriert worden... Bei mir in der Kirche würde sicher  keine Angelobung stattfinden, weil es eine konsekrierte Kirche ist!"

Tatsache ist jedoch, daß die Pfarrkirche von Döllersheim - so wie auch die Kirchen von Oberndorf, Edelbach und Groß-Poppen - niemals kirchlich entweiht worden ist - entweiht  wurden die vier Tüpl-Kirchen durch Österreicher, mit Erlaubnis der Russen. Zudem erhielt "die Ruine" von Diözesanbischof Dr. Franz Zak am 13. September 1986 die kirchliche Segnung als Friedenskirche!

Abb. 352 Pfarrkirche Döllersheim von westen, März 1996

Döllersheimer Messe
Eingang
Zu Tisch an deiner Seite
lädst du uns all zum Mahl,
damit es uns geleite
dereinst zum Himmelssaal.
In tiefer Ehrfurcht stehn wir hier,
alle Gedanken sind bei dir!
In altersgraue Mauern
sind wir zurückgekehrt,
dein Haus konnt´s überdauern,
wieviel es einst beschwert.
In tiefer Ehrfurcht stehn wir hier,
alle Gedanken sind bei dir!
Gloria (Kanon)
Lob sei dem Vater, Sohn, heil´gem Geist,
Friede, wer ihnen auch im Schmerz Ehr erweist.
Lob sei dem Vater, Sohn, heil´gem Geist,
Friede, wer ihnen auch im Schmerz Ehr erweist.
Amen, amen, amen, amen.
Zwischengesang (leicht bewegt)
Was du sprachst und was du  tatest,
daß du Neues ließt erstehn
und die Welt verändert hattest,
/:konnten viele nicht verstehn.:/
Auch in unsern Lebenstagen
ist viel Bitteres gescheh´n,
doch wir wollen nichts beklagen,
/:und in Treue zu dir steh´n.:/
Opferung (fließend)
Herr, dein Leben war ein Opfer,
war ein Opfer uns zum Heil,
daß dereinst im ew´gen Jenseits
uns dein Segen wird zuteil.
Jeder weiß: Im Erdenleben
sind uns Opfer abverlangt,
daß wir spüren, wie unsagbar
schwer die Seele dran erkrankt.
Schicksalsschläge zu ertragen
ist der Menschen Lebenslauf.
Wehmut um verlor´ne Heimat
opfern wir dir heute auf.
Sanktus
Erfüllt von Lob, o Herr,
erfüllt von deiner Herrlichkeit,
erfüllt von Wehmut alter Zeit,
erfüllt singen wir hier:
/:Hosanna, hosanna, hosanna in der Höh´.:/
Agnus Dei (Recht zart)
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt, erbarme dich unser!
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden von mir, erbarme dich unser!
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden von einst, gib uns den  Frieden!
Kommunion (sehr verhalten)
Getrennt von dir /:mein Land:/
Getrennt von dir und allein, allein?
Was mich mit dir verband,
/:wird nie mehr eines sein.:/
Getrennt von dir, mein Lieb, mein Lieb,
Getrennt von dir und allein, allein?
Das Seelenband, das blieb,
/:soll wieder eines sein.:/
Getrennt von dir, mein Gott, mein Gott,
Getrennt von dir und allein, allein?
Das Band bis hin zum Tod
/:muß immer eines sein.:/
Schluß (eher bewegt)
Wir verlassen deine Kirche,
die gelitten hat wie du,
/:und die auch zu neuem Leben
auferstand aus Grabesruh´.:/
Wir verlassen diese Stätte,
doch nicht mehr wie einst im Leid,
/:denn wir sehen Gottes Wirken
gibt auch Hoffnung uns´rer Zeit.:/
Wir verlassen einst die Erde,
treten vor dein Angesicht,
/:sei uns gnädig und barmherzig,
wenn wir fleh´n: "Verlaß uns nicht!":/

 Bei der Allerseelenfeier in der Friedenskirche in Döllersheim am 2. November 1993 überreichte der Verein "Freunde der Alten Heimat" unter Obmann Ing. Stangl an Oberst Wagnsonner und Hauptmann Zauner eine Dankesurkunde für die Pflege der Gräber in Döllersheim durch Bundesheersoldaten. Der Friedhof von Groß-Poppen wird dagegen weiter beschossen...

 Auch zur 39. Allerseelenfeier in Döllersheim am 2. November 1996 kamen bei strahlendem Herbstwetter sehr viele Aussiedler, deren Nachkommen und Bewohner aus der näheren Umgebung in die Friedenskirche. Erneut erklang an diesem Tag die "Döllersheimer-Messe" von Dir. Herbert Loskott.

 

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