Das Kriegsgefangenenlager Edelbach
Abb. 64 Lagerplatz des Kriegsgefangenenlagers in Edelbach
Von der Kommandantur des Schießplatzes streng geheimgehalten, wurden auf dem Truppenübungsplatz Döllersheim auch Kriegsgefangene in Lagern untergebracht: ab September 1939 Gefangene aus Polen, später Gefangene des Frankreichfeldzuges. Es waren die bis zu 4.500 französischen Offiziere, die im Gefangenenlager Edelbach in den Jahren 1940-1945 eine Art "Gefangenenuniversität" organisierten. Laut Vorlesungsverzeichnis wurden vorwiegend Lehrveranstaltungen in naturwissenschaftlichen Fächern abgehalten, doch auch Vorlesungen wie Dogmatik, Moraltheologie, Kirchenrecht, Latein, Griechisch, Arabisch, Esperanto, Mathematik, Musiktheorie, Handelswissenschaften, Buchhaltung, Verfassungsrecht, Elektrotechnik, Pflanzenbiologie, Baum- und Pferdezucht etc. wurden angeboten.
Für den Vorlesungsbetrieb über Geologie wurde ein "Laboratorium" eingerichtet, in dem mit primitivsten Mitteln Dünnschliffe von Gesteinen hergestellt wurden. Bücher, etwa 100 an der Zahl, erhielten die Gefangenen von Heimkehrern in die Heimat. Eine Reihe von Studenten konnten im Gefangenenlager Edelbach das Studium der Geologie erfolgreich abschließen. Ihre in Edelbach entstandenen Dissertationen wurden später anerkannt. Die Zweitsiedler konnten vom benachbarten Friedhof auf die Gefangenen hinüberschauen und sie z. B. beim Theaterspielen beobachten.
Abb. 65 Blick vom Wachturm über das Kriegsgefangenenlager
Abb. 66 Offizierslager Edelbach: Französische Kriegsgefangene beim Gravieren einer Glocke
Abb. 67 "Brasier travaille pour la chapelle": Für die Kapelle im Gefangenenlager werden liturgische Geräte angefertigt.
Abb. 68 "Pres du village dEdelbach et de la ville de Göpfritz": Luftaufnahme des Gefangenenlagers Edelbach, wo mehr als 4.000 französische Offiziere als Kriegsgefangene festgehalten wurden. Im Hintergrund sind die Ortschaften Edelbach und die Pfarrkirche deutlich erkennbar.
Abb. 69 Die Kapelle im Lager
Abb. 70 Die Deutschen hielten im Lager Edelbach ca. 80 französische Priester gefangen.
Abb. 71 Die Franzosen schufen in Edelbach mit den einfachsten Mitteln auch so manches Kunstwerk.
Abb. 72 "Carriol, caricaturiste et dessinateur est egalement sculpteur": der Karikaturist und Zeichner Carriol ist auch Bildhauer.
Abb. 73 4.500 Menschen wurden im Lager gefangen gehalten.
Abb. 74 Kriegsgefangenenlager in Edelbach 1943, im Hintergrund die Kirche. Zeichnung eines französischen Kriegsgefangenen
Abb. 75 Der Friedhof des Lagers Edelbach, geschmückt mit der Statue eines betenden Soldaten. Jedes Jahr zu Allerseelen hielten die gefangenen Offiziere eine Totengedenkfeier.
Der Friedhof der Kriegsgefangenen
Das Kriegsgefangenenlager, das im Südosten fast an den jüngeren, "pfarrlichen" Friedhof angrenzte, hatte einen
eigenen Friedhof. Er dürfte nahe an die westliche Umzäunung des Lagers herangereicht haben. Hier wurden die Leichen der gefangenen Franzosen bestattet.
Im Jänner 1946 wurden die hier zur letzten Ruhe gebetteten Gefangenen exhumiert und in ihre Heimat überführt. Bei diesen Arbeiten mußte anfangs auch die Mutter meiner Schwägerin mithelfen, obwohl sie schon im 6. Monat schwanger war. Viele Frauen wurden wegen des Leichengeruchs ohnmächtig. Ein Russe sah die schwangere Frau und sagte: "Du nix roboten" und schickte sie nach Hause.
Ein Kriegsgefangenenlager bestand in Edelbach offensichtlich auch noch während der Besatzungszeit. Einen Eindruck davon gibt das Buch von Peter Härtling, der als Schriftsteller die Suche nach seinem nach Kriegsende in Edelbach verstorbenen Vater schildert: "...eine von dem Stabsarzt und Feldarzt Dr. F. unterschriebene "Todesanzeige": "Lazarett ´B´ des Kriegsgefangenenlagers No. 2 Edelbach/Döllersheim - Allentsteig - den 23. Juli 1945. Am 21. Juli 1945 um 16.30 Uhr verstarb auf Block O der Panzergrenadier Rudolf H., geboren 4. 1. 1906 in Glauchau. (...) Beisetzung: erfolgte am 23. Juli 1945, 9 Uhr auf dem Soldatenfriedhof hinter dem Lazarettgelände, Grablage: III. Reihe. Grab No. 1." Diese und andere Grabstätten dürften von den russischen Besatzungssoldaten nach 1945 eingeebnet worden sein, bei späteren Bauarbeiten im Bereich des Neuen Lagers (heute Liechtensteinkaserne) sei man in den 70er Jahren auf menschliche Skelette gestoßen, heißt es in dem Buch.
Mehrere Jahre nach den Exhumierungen wurde der Lagerfriedhof aufgeforstet. Man kann ohne weiteres behaupten, daß es den Lagerfriedhof noch gibt. Denn die Leichen der Polen werden kaum exhumiert worden sein, außerdem bleibt bei Exhumierungen so mancher Rest in den Gräbern zurück.
Ein Bäumchen und ein Gedenkstein beim Friedhofskreuz des jüngeren Friedhofs von Edelbach erinnern seit 1985 an die Toten des Gefangenenlagers der französischen Offiziere. Die Inschrift der Kupferplatte lautet: "Dieser Baum wurde am 04 06 85 durch ehemalige kriegsgefangene französische Offiziere (1940-1945) gepflanzt."
Ich bin froh, daß das Bäumchen und der Gedenkstein beim Friedhofskreuz, also beim Franz Oberleitner-Platz stehen. Dadurch ist eine gewisse Sicherheit gegeben, daß das Tüpl-Kommando diesen Platz nicht ganz verwildern läßt.
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