... nur die Namen sind geblieben

Die Ortschaft Groß-Poppen

Groß-Poppen war ein nur wenige Kilometer südöstlich von Allentsteig gelegener Gemeinde-, Pfarr- und Schulort. Schloß  und Kirche standen dicht beieinander auf einer den Ort beherrschenden Anhöhe. Ein kleines Gewässer, der Thauabach, eigentlich die Kleine Thaya, durchfloß den Ort. Auf dem Dorfanger befand sich seit 1754 eine  Nepomukstatue.

Abb. 102 Groß-Poppen im Jahre 1931, also 7 Jahre vor der Zwangsentsiedlung. Von der Rausmannsstraße im Osten standen –  von Ost nach West – Pfarrhof, Schule, Friedhof, Kirche und Schloß.

Abb. 103 Groß-Poppen um 1900, Nordseite. An den Kornmandeln (links) ist zu erkennen, daß es Ende Juli ist.

Abb. 104 Groß-Poppen vor 1930

Der Ort wurde 1150 in einer Tauschurkunde des Bischofs Konrad von Passau erstmals genannt, dürfte  jedoch - wie aus dem Kirchenpatrozinium Johannes der Täufer zu schließen - schon längere Zeit vorher bestanden haben. Schon im 12. Jahrhundert bestand in Groß-Poppen ein Rittersitz. Die Pfarre wurde  1332 gegründet. Im Dreißigjährigen Krieg, 1619, wurde Poppen geplündert und niedergebrannt

Abb. 105 Flugaufnahme von 1936. Schloß und Kirche sind von der Südseite zu sehen, davor die Straße nach Rausmanns, im  Hintergrund ist die Stadt Allentsteig mit dem See zu erkennen.

Abb. 106 Kaufhaus Hofbauer, vor 1930

Abb. 107 Gemischtwarenhandlung Anton Hofbauer

 

Abb. 108 Das Haus Nr. 47 in Groß-Poppen um das Jahr 1932. Elfriede Schiller (als 11jähriges Mädchen mit der Blume in der  Hand) – heute wohnhaft in Allentsteig, ist in diesem Hause aufgewachsen. Links sind der Sockel und auch das Standbild des hl. Johannes von Nepomuk zu sehen.

Noch 1655 waren von den damals 40 Häusern des Gutes Poppen 28 verödet. 1768 fiel fast das ganze Dorf einem Brand zum Opfer.

Das Schloß Groß-Poppen

Abb. 109 Südansicht von Schloß und Kirche Groß-Poppen, nach der Radierung in der Topographia Windhagiana aucta von 1673

Abb. 110 Schloß Groß-Poppen 1938, Ansicht von Südwesten

Abb. 111 Sommerfrische Groß-Poppen, 1921

Ein Rittersitz bestand in Groß-Poppen bereits im 12. Jahrhundert: ein Albero von Poppen wird 1170 und 1205 genannt. Vom Beginn des 14. bis Mitte des 17.  Jahrhunderts dürfte die adelige Familie der Bernhartsdorfer (später als Pernstorfer) Besitzer von Groß-Poppen gewesen sein. Das Gut war landesfürstliches Lehen, wie u.a.  aus einer Urkunde Herzog Albrechts IV. aus dem Jahre 1399 hervorgeht. 1656 kaufte Joachim Freiherr von Windhag das im Viereck angelegte Schloß, dessen oberer Stock  1620, im Dreißigjährigen Krieg, abgebrannt war. Er ließ das Schloß wiederherstellen, gegen den Zwinger und Schloßgarten hin erweitern und durch den Stukkateur Wolf  Wierner mit reichen Stuckarbeiten ausschmücken. Nach dem Verzeichnis der Windhagschen Besitzungen mit Darstellung in mehreren Stichen ist Groß-Poppen ein  ansehnliches Schloß: ein dreistöckiger Bau, der über dem Eingang von einem fünfstöckigen Turm mit Kuppel und Uhr überragt wird. Umgeben wird es von einem  Wassergraben und einer Mauer mit zwei runden Kuppeltürmen. Neben anderen Gebäuden war 1662 auch ein Meierhof erbaut und eine Reihe von Waffen zur Verteidigung angeschafft worden.

Abb. 112 Groß-Poppen bei Allentsteig, Ansicht von Südwesten

Abb. 113 Groß-Poppen im Frühjahr 1927, von Norden gesehen. Besonders gut zu sehen sind die Nordseite der Kirche und links  die Schule (Stockhaus)

Abb. 114 Kirche und Schloß von Süden, vor 1911

In seinem Testament widmete Graf Windhag seine Besitzungen für eine Stiftung zur Ausbildung von Studierenden an der Wiener Universität. 1758 errichtete der  Administrator der Windhagschen Stipendienstiftung Karl Leopold, Untermarschall sowie Direktor der ständischen Akademie, im Schloß eine Schule zur Ausbildung der begabten  Untertanenkinder der beiden Stiftungsherrschaften - Groß-Poppen und Neunzen - und zur Vorbereitung auf den Besuch des Alumnats und der Wiener Universität. Unterrichtet  wurden die Zöglinge in Religion und den Gegenständen der vier Grammatikalklassen von vier Lehrern, die im Schloß wohnten. 1770 wurde dieses mehrfach angefeindete  Knabenseminar wieder aufgehoben, die Untertanenkinder sollten nach Absolvierung der dritten Klasse in das Alumnat in Wien aufgenommen werden.

Nach der Aufhebung der Grundherrschaft im Jahre 1848 wurden mehrere Gebäude des Schlosses verkauft oder geschlossen, darunter auch die Schloßkapelle. 1876 wurde das  Schloßgebäude an einen Privaten verkauft und die "k.k. Forst- und Domänedirektion" - die Verwaltung der Güter Poppen und Neunzen - in das Schloß Neunzen, 1896 nach  Allentsteig verlegt. Heute ist das vor wenigen Jahren wieder-erstandene Schloß Waldreichs Verwaltungssitz des "Forstamtes Ottenstein".

 

Graf Joachim Freiherr von Windhag

Abb. 115 Graf Windhab (1600 – 1678) Topographia Windhagiana, 1673

Joachim Enzmilner wurde am 21. Februar 1600 in Babenhausen, Schwaben, als drittes von acht Kindern geboren. Sein Vater, Jodok Enzmilner, war Lehrer und später Leiter  der von Jesuiten geführten Lateinschule in Babenhausen an der Günz, die von Anton Fugger, Sproß des mächtigen schwäbischen Handelshauses der Fugger, als  gegenreformatorische Maßnahme gegründet worden war. Nach Absolvierung der Lateinschule in Babenhausen kam Joachim als 15-jähriger an die Jesuitenuniversität  Dillingen, die er 1620 als Magister artium et philosophiae verließ. Danach wählte er das Studium der Rechtswissenschaften - zuerst an der Universität Ingolstadt, später an der  unter Jesuiteneinfluß stehenden Universität Wien, wo er 1625 zum Doktor der Jurisprudenz promovierte.

1625/26 trat er als Sekretär in den Dienst der Stände des Landes ob der Enns. Für seine Verdienste bei der Niederwerfung der Bauernunruhen und den folgenden  gegenreformatorischen Maßnahmen wurde er zum kaiserlichen Rat bestellt. 1632, beim dritten Bauernaufstand, führte Dr. Enzmilner erneut erfolgreiche Verhandlungen mit den  Aufständischen. Er wird als rechtskundiger Beistand einer Reformationskommission beigezogen, womit sein Aufstieg beginnt. 1636 kaufte er die oberösterreichische  Herrschaft Windhag. Ab 1637 bis zu seinem Tod fungierte er als Rat und Regent im Regiment der niederösterreichischen Lande. 1666 und 1675 übte er auch interimistisch  das Statthalteramt aus. Kaiser Ferdinand III. verlieh ihm auf dem Reichstag zu Regensburg am 25. Juni 1640 das Wappen und Prädikat "von Windhag" und erhob ihn  1651 in den Freiherrnstand. Als kaiserlicher Rat kam Freiherr von Windhag in raschem Aufstieg zu Macht und Reichtum. 1652 wurde er kaiserlicher Generalkommissär für die  Gegenreformation in Niederösterreich. Gemeinsam mit Abt Benedikt Leiss von Stift Altenburg und Abt Matthias Kolweiß von Stift Lilienfeld, unter Zuziehung des kaiserlichen  Rittmeisters Ernst von Pöttschach mit seinen Dragonern, erfolgten Maßnahmen zur Rekatholisierung der Bevölkerung. Sein eifriges und von großer Strenge getragenes  Eintreten gegen die Reformation - es heißt, er habe 40.000 Protestanten in Niederösterreich rekatholisiert - wurde von Kaiser Leopold I. am 19. September 1669 mit der Verleihung des Grafentitels belohnt.

Graf Windhags Besitzungen

Abb. 116 Marmorbüste Graf Windhags, wiederaufgefunden 1912

Im Jahre 1656 kaufte Joachim Freiherr von Windhag das Schloß Groß-Poppen, zwei Jahre später Neunzen, 1659 das Gut Rausmanns. Zu seinen Gütererwerbungen zählten  neben Stadthäusern und -gründen in Linz und Wien weiters das Gut Kirchberg an der Wild (1641-1653), die Herrschaft Reichenau am Freiwalde mit Großpertholz und  Langschlag (1653), Herrschaft Kirchstetten mit Mitterhof und Wildendürnbach (1656), die Herrschaft Rosenburg (1658) und das Gut Auhof in Oberösterreich (1636, 1667 für  Besitzungen in Niederösterreich getauscht). Viele dieser Güter stammten von Exilanten aus dem protestantischen Adel bzw. waren aufgrund von Kampfhandlungen während des  Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) verwüstet oder teilweise verödet. Er ließ sie wieder instandsetzen, Schlösser vergrößern, Kirchen verschönern. Die Rosenburg wurde  erneuert, dazu wurden wirtschaftliche Anlagen wie eine Papier- und Pulvermühle, eine Hammerschmiede, ein Eisenhammer sowie eine Walke errichtet. Sein Werk spiegelt  sich in der von ihm 1673 in Auftrag gegebenen "Topographia Windhagiana", dem illustrierten Verzeichnis seiner Besitzungen, wider.

Am 21. Mai 1678 starb Windhag in Oberösterreich und wurde in der Pfarrkirche Münzbach bei Perg bestattet. Auf seinem Marmorsarkophag ist die von ihm selbst  verfaßte Inschrift zu lesen: "Nefandem ex Austria Inferiori ejecit  haeresin" ("Die verfluchte Ketzerei hat er in Niederösterreich ausgerottet").

Die Marmorbüste und ein in Stein gehauenes Windhag-Wappen wurden im März 1912 bei Demolierung des Hauses Wien 3., Sechskrügelgasse 8, in etwa 2m Tiefe gefunden;  auf diesem Areal hatte sich einst der Garten des 1642 gegründeten und 1782 aufgehobenen Augustiner-Eremitenklosters St. Rochus und Sebastian erstreckt. Da Graf  Windhag Mitglied der dort befindlichen, denselben Heiligen geweihten Bruderschaft war, dürften Büste und Wappen anläßlich einer Wohltat, die er der Bruderschaft oder dem  Kloster zukommen ließ, angefertigt worden sein. Seine riesige Bibliothek wurde Grundstock der Universitätsbibliothek Wien.

Literatur: Walpurga Oppeker, Joachim von Windhag. Versuch eines Lebensbildes, in: 300 Jahre Windhagische Stipendienstiftung für NÖ, 1970, S. 7-21; Adel im Wandel.  Politik, Kultur, Konfession 1500 - 1700, Katalog zur NÖ Landesausstellung 1990, S. 278

Abb. 117 (ganzseitige Darstellung) Innenansicht der Pfarrkirche von Groß-Poppen, Blickrichtung Osten, nach einer Radierung in  der Topographia Windhagiana aucta von 1673

Pfarrkirche zum hl. Johannes dem Täufer

Die Pfarre Groß-Poppen war eine herrschaftliche Gründungspfarre und wurde in den Passauer Bistumsmatrikeln 1332 erstmals genannt. Nach einem Zehentregister der  Pfarre Alt-Pölla von 1415 gehörten damals die Dörfer Schlagles und Klein-Haselbach zur Pfarre. Eineinhalb Jahrzehnte später gehört die Pfarre bereits zum Dekanat Zwettl. Aus  einer Urkunde des Jahres 1445 erfährt man zum ersten Mal das Patrozinium - Johannes der Täufer -, das auf ein sehr hohes Alter des Ortes schließen läßt. In einem Schriftstück  aus dem Jahr 1476 wird erstmals der Pfarrer von Groß-Poppen namentlich genannt. Von 1565 etwa bis 1650 war die Pfarre protestantisch. 1662 bis 1785 war Groß-Poppen mit  Oberndorf vereinigt, wobei Poppen der Amtssitz des Pfarrers bis 1757 blieb.

Abb. 118 Grundriß der Pfarrkirche Groß-Poppen

Die Kirche, ein einschiffiger Barockbau mit halbrundem Chor und flachgedecktem Langhaus, war 20m lang, 5,8m breit und 8,6m hoch. Sie lag auf einem Hügel  beherrschend über dem Dorf, war mit der Westfront an das Schloß angefügt und auf drei Seiten vom Friedhof umgeben.

Die Fassade, zur Zeit der letzten Jahrhundertwende hellgelb gefärbelt, war von je vier Rundbogenfenstern durchbrochen, im Chorraum von je einem weiteren, kleineren. Der  Turm, drei Glocken tragend, saß dachreiterartig über der Westempore auf, der blechgedeckte Barockhelm war von einem Viereck in eine achteckige Form übergehend. Östlich war am Altarraum die Sakristei angebaut.

Abb. 119 Der Grabstein von Andreas Georg Hartmann, Verwalter der Güter Groß-Poppen und Neunzen von 1725, im Inneren der Kirche.

Abb. 120 Der Nordeingang zum Friedhof und zur Kirche in Groß-Poppen, daneben das Schloß, 1938

Die Kirche war unter Joachim Freiherr von Windhag 1656 - durch Andreas Mayr, Maurermeister in Aschbach - aus einer älteren, wahrscheinlich gotischen Anlage  umgebaut worden. Chor und Altarraum wurden erhöht, das alte Gewölbe abgetragen, die Fenster vergrößert, der Fußboden erhöht und neu gepflastert, über dem Musikchor  wurde ein Türmchen erbaut. Nach Art der Hofkapelle in Windhag ließ der Freiherr von Windhag die ganze Kirche in Groß-Poppen mit einem zierlichen Gewölbe versehen (das  wahrscheinlich im Jahre 1784 leider durch eine Flachdecke ersetzt wurde). 1658 wurde der alte Taufstein vom Kirchhof in die Kirche übertragen. Die Kirche war damals im  Westen um ein Stück kürzer und durch zwei hölzerne Gänge mit dem Osttrakt des Schlosses verbunden.

Im 18. Jahrhundert wurde das Gotteshaus um das westlichste Stück mit dem Turm verlängert, sodaß die Kirche mit ihrer Westfront an das Schloß angebaut wurde.

Aus dem 1664 erbauten Mesnerhäuschen entwickelte sich später die Volksschule. Graf Windhag ließ auch den öde liegenden Pfarrhof neu erbauen.

Abb. 121 Sommerfrische Groß-Poppen bei Allentsteig, in der Zeit nach 1930. Nordostseite von Friedhof, Kirche und Schloß. Links  vor der Kirche liegt der Friedhof.

Nach seinem Tod ging das Patronat an die Verwaltung der Windhagschen Studienstiftung über. 1711 ließ Caspar Ulrich Mayrhofer von Grünbichl, der  Herrschaftsadministrator, bei der Kirche am Friedhof eine neue Kapelle erbauen und 1717 die steinerne Mariensäule im Friedhof errichten. 1863 erfolgte die Renovierung der  Kirche, 1892 wurde ein neuer Hochaltar aufgestellt. Die Innenausstattung umfaßte daneben zwei Seitenaltäre, eine sechseckige Kanzel mit Baldachin an der Nordwand  und eine Orgel aus dem Jahre 1889, die für die Firmung 1938, noch wenige Wochen vor der Zwangsaussiedelung, renoviert wurde (sie kam danach in die Prandtauerkirche in St.  Pölten). Gemälde und Skulpturen - darunter die schöne gotische Statue (Hl. Nikolaus oder Ulrich) vom Ende des 15. Jahrhunderts - befanden sich auch im Pfarrhof.

 

Die Windhagsche Stipendienstiftung

Von seinen 15 Kindern wurde nur die aus erster Ehe stammende Tochter Eva Magdalena großjährig, die anderen starben davor. Daß diese gegen seinen Willen mit  19 Jahren in den Orden des Hl. Dominikus in Tulln eintrat, ist eine menschliche Tragik in seinem Leben: es gab damit keinen Nachfolger für sein großes Besitztum. Für seine  Tochter baute er in Windhag ein neues Dominikanerinnenstift, dem sie als Priorin vorstand (das Kloster wurde von Kaiser Joseph II. aufgehoben).

Abb. 122 Nordansicht von Groß-Poppen im Jahre 1673, nach einer Radierung in der Topographia Windhagiana

Die zweite Ehe des verwitweten Grafen mit einer sehr viel jüngeren Frau blieb kinderlos.  So verfaßte er am 31. Oktober 1670 in seinem Testament einen Stiftungsbrief, mit dem er den Großteil seiner Besitzungen für die Ausbildung von Studenten an der Wiener  Universität widmete. Er bat den Kaiser, diese "Graf Windhag´sche Stipendienstiftung" in seine Protektion zu nehmen und sie der niederösterreichischen Regierung  einzuhändigen, was bereits am 16. November 1670 geschah. Seit damals besteht diese Stiftung - wenngleich mit der Säkularisierung unter Joseph II. in der Form verändert -  unter der Verwaltung der Niederösterreichischen Landesregierung.

Aus den Erträgen der Herrschaften Groß-Poppen und Neunzen wurde das von ihm errichtete Alumnat in Wien im gräflich Windhagschen Haus in der Bäckerstraße 9  dotiert. Dieses sollte ursprünglich den Absolventen der von ihm gegründeten Lateinschule in Münzbach in Oberösterreich das Studium an der Universität Wien  ermöglichen. Aufnahme sollten Studenten aus seiner Verwandtschaft, Dienerschaft und den Untertanensfamilien finden. Ein Vorschlagsrecht besaß die Priorin von Windhag -  die erste war ja die Tochter des Stifters. Bereits im 18. Jahrhundert wurden nur mehr Bewerber aus Niederösterreich als berechtigt angesehen.

Abb. 123 Nordansicht von Groß-Poppen im Jahr 1763, nach einer Radierung in der Topographia Windhagiana

Von Kaiserin Maria Theresia gefördert

Stand die Stiftung wegen geringer Bewerberzahl schon vor der Auflösung, so konnten 1751 die Stiftungsplätze von 10 auf 20 erhöht werden, jeder Alumnus erhielt Kost,  Kleidung, Wohnung, Bücher und Schreibutensilien für 200 Gulden. Durch gute Verwaltung wuchs das Stiftungsvermögen unter Carl Leopold Freiherr von Moser, dem  bedeutendsten Administrator (1735-1770), auf 273.000 Gulden an. 1758 errichtete der Administrator Karl Leopold, Untermarschall und Direktor der ständischen Akademie, im  Schloß Groß-Poppen eine Schule zur Ausbildung der begabten Untertanenkinder und zur Vorbereitung auf das Alumnat und die Wiener Hochschule. 1763 und neuerlich 1783  erfolgte der erste Eingriff des Wiener Hofes: die bis dahin freie Wahl der Studienrichtung wurde eingeschränkt, die Alumni der Stiftung sollten Cameral-, Commercial- und  Rechnungswissenschaften studieren - an Juristen und Medici mangle es dem Staat nicht. 1772 wurde die Stipendienstiftung durch Maria Theresia bestätigt. Die  Hofbuchhaltung beschäftigte sich eingehend mit der Wirtschaftskraft der Stiftungsgüter Groß-Poppen und Neunzen, offensichtlich um diese zu festigen und zu heben - etwa  durch Hausierhandel mit Woll- und Webereiprodukten, umfaßten doch die herrschaftlichen Schäfereien in Groß-Poppen 1000, in Neunzen 800 Schafe. 1786  wurden unter Joseph II. das Alumnat in Wien aufgehoben und die Erträge der Vergabe von Handstipendien zugewiesen. Im 19. Jahrhundert war die Windhagsche  Stipendienstiftung die größte in Österreich und konnte im Jahre 1880 102 Stipendien zu 315 Gulden vergeben, wobei das k.k. Unterrichtsministerium die Verleihung vornahm.  Noch 1937 wurden 200 Stipendien zu 250 Schilling vergeben. Die Stiftung bestand auch nach 1939 weiter, doch wurden die Güter der Stiftung, da das Gebiet zum  Truppenübungsplatz erklärt worden war, 1939 - 1941 enteignet. Nach Kriegsende blieb der Stiftungsfonds als ehemaliges Deutsches Eigentum unter USIA-Verwaltung. Am 28.  April 1959 erfolgte die "Besitzrückstellung in Form eines Gebietstausches" - seither sind die Besitzungen rund dreimal so groß wie vor dem Krieg. Nunmehr obliegt die  Verwaltung des neugeschaffenen "Forstamtes Ottenstein" mit Sitz in Schloß Waldreichs der Niederösterreichischen Landesregierung.

Groß-Poppen muß der Gewalt weichen

In Groß-Poppen begann das Jahr 1938 recht verheißungsvoll. Die 821 Katholiken der Pfarre freuten sich auf den 22. Juni 1938: Bischof Michael Memelauer sollte zur Firmung  und Generalvisitation nach Groß-Poppen kommen. Fast alle Häuser des Pfarrortes wurden gefärbelt, die Pfarrgemeinde ließ die Orgel renovieren.

Im Juni 1938 waren auch Bauarbeiter in Groß-Poppen - zur Errichtung von Bunkern.  Elfriede Schiller erinnert sich: "Sie wohnten bei Familien in Groß-Poppen. Zum Essen kamen sie auch in das Gasthaus Schäffer-Floh, wo ich aufgewachsen bin und später  auch Köchin war. Die Bunkerarbeiter hatten Geld und konnten sich auch ein gutes Essen leisten. Im Wirtshaus haben wir viel Geld eingenommen. Auch für die Barackenbauer in  Neunzen haben wir gesorgt. Von unserem Gasthaus in Groß-Poppen sind wir jeden Tag nach Neunzen hinausgefahren, wir wären aber nicht imstande gewesen, die  Barackenbauer und Holzfäller alleine zu verköstigen. Wir gaben ihnen heiße Knackwürste und Getränke. Niemand kam auf die Idee, daß der Bunkerbau mit einer etwaigen Entsiedlung zu tun haben könnte."  

Am 22. Juni 1938, empfingen 96 Kinder aus Groß-Poppen und Umgebung das Sakrament der Firmung durch Diözesanbischof Michael Memelauer. Der Bischof lobte  die eifrige Pfarre, in der anläßlich des Festtages jedes Haus beflaggt und geschmückt war. Pfarrer Johann Gleixner schrieb in die Pfarrchronik: "Am 22. Juni 1938 fand hier die  hl. Firmung und Generalvisitation durch den hochw. Herrn Bischof von St. Pölten statt. Gefirmt wurden 96 Kinder; es wären der Konfirmanten mehr gewesen, wenn die Firmung  nicht auch im nahen Stift Zwettl stattgefunden hätte. Die Pfarrgemeinde hat in anerkennungswürdiger Weise die Renovierung der Orgel durchführen lassen."

Einige Tage später drangen Gerüchte von einer bevorstehenden Aussiedlung durch, aber wenige konnten sich darunter etwas vorstellen. Am Sonntag, 26. Juni 1938, war  Kirtag in Groß-Poppen. Es herrschte Abschiedsstimmung. In den Gasthäusern wurde gesoffen, gesungen, aber auch geweint.

Einige der 821 Zwangsentsiedelten aus der Pfarre Groß-Poppen: die Familie Schäffer-Floh aus Groß-Poppen Nr. 47, Ende Juli  1938. Bildtext des Zeitunsausschnitts: "Ein letztes Foto vor dem alten Haus, dann wurde ausgesiedelt. Sie gehörten zu den ersten  Menschen, die Hitler vertrieben hat. Die Trauer um die alte Heimat ist deutlich von den Gesichtern abzulesen. In Tulln konnten sie eine neue Heimat finden."

Am Montag, 27. Juni, erhielten die Bewohner von Groß-Poppen ein Schreiben zugestellt. Der Absender war der Reichsbeauftragte für Niederdonau. In dem Schreiben war zu  lesen: "Im Auftrag des Reiches haben Sie innerhalb 6 Wochen Ihren Hof zu räumen. Über Ihr bewegliches Eigentum können Sie frei verfügen, an den bestehenden Bauten darf  nichts geändert oder zerstört werden."  

Am 19. Juli schickte Pfarrer Gleixner die verlangte Äußerung betreffend die Entsiedlung  an das Dekanatsamt Pölla in Allentsteig: "Das gefertigte Pfarramt meldet, daß von den sechs zur Pfarre Groß-Poppen gehörenden Ortschaften fünf, d.i. Groß-Poppen, Kl.  Haselbach, Schlagles, Kl. Kainraths und Rausmanns bis 5. August evakuiert sein müssen, die sechste Ortschaft: Mannshalm wird auch entsiedelt, doch ist der Termin noch nicht bekannt."  

In einem Brief an das Bischöfliche Ordinariat in St. Pölten schrieb der zuständige  Dechant Karl Kulmann, Allentsteig, am 25. Juli 1938: "Bis 5. August l.J. (laufenden Jahres) sollen geräumt sein: Der Pfarrort Edelbach, der Pfarrort Groß-Poppen mit  Klein-Kainraths, Schlagles und Rausmanns, von der Pfarre Allentsteig der Haidhof (Mauthstock), von der Pfarre Döllersheim die Ortschaften Dietreichs und Söllitz. Im  Herbst kommen daran von der Pfarre Döllersheim: Heinreichs, von der Pfarre Edelbach: Äpfelgschwendt und Merkenbrechts, von der Pfarre Groß-Poppen: Klein Haselbach.  Ende des Jahres oder Anfang des nächsten Jahres von der Pfarre Allentsteig: Steinbach und Wurmbach. Von der Pfarre Edelbach: Neunzen, vielleicht auch Riegers. Im nächsten  Jahr der Pfarrort Franzen mit sämtlichen eingepfarrten Orten bis auf Nondorf. Oberndorf soll erst im Jahre 1940 drankommen. Alle diese Angaben sind vom hiesigen  Wiederbesiedlungsprokurator von der Hagen, jedoch nicht ganz verbindlich, weil Änderungen vorkommen können. So soll der Pfarrort Döllersheim nach der gestrigen  Äußerung des oben angeführten Herrn ganz erhalten bleiben. Als Tag der Übergabe wurde der nächste Sonntag, der 31. Juli l.J. bestimmt."

Der Abschiedsgottesdienst

Am Dienstag, dem 26. Juli, richtet das bischöfliche Ordinariat ein Schreiben  an Dechant  Kulmann: "Das b. Ord. teilt mit, daß der hochw. H. Ordinarius kommenden Sonntag den geplanten Gottesdienst halten wird. Hernach wird die Übergabe getätigt, bei der H.  Kanzler Michael Distelberger intervenieren wird."

Abb. 125 Die letzten Eintragungen in der Chronik der Pfarre Groß-Poppen: Firmung und Entsiedlung

Die letzte Eintragung in die Chronik der Pfarre lautet: "Evakuierung der Pfarre. Mit 5.  August müssen 5 zur Pfarre gehörige Ortschaften entsiedelt sein, Mannshalm hat noch keinen Termin bestimmt, kommt aber auch daran. Die Matrikenbücher kommen in die  Nachbarpfarre Allentsteig, die kirchlichen Geräte nach St. Pölten. Am 31. Juli 1938 ist die Übergabe der Pfarre; es findet ein Abschiedsgottesdienst statt, gehalten durch den  hochw. H. H. Bischof von St. Pölten. Joh. Gleixner, Pfr. Als letzter Pfarrer von Großpoppen."

Am 31. Juli mußte also Bischof Michael Memelauer schon wieder in Groß-Poppen sein. Aber diesmal war kein Haus geschmückt, es gab keine freudige Begrüßung. Auch der  Bischof spürte den Schmerz, er wollte ihn mit der Pfarrfamilie Groß-Poppen teilen. Die Aussiedler erzählen immer wieder: "Die Leute haben während des  Abschiedsgottesdienstes nicht nur geweint, sondern laut geschrien, der Bischof konnte oft vor Rührung kaum sprechen."

Der letzte Täufling war Anton Traxler aus Klein-Kainraths 2, getauft am 29. Mai 1938. Die  letzte Trauung: Leopold Trappl aus Krumau und Rosa Csagala aus Groß-Poppen Nr. 41, am 25. Juli 1938. Das letzte Begräbnis: Johann Böhm aus Schlagles Nr. 19, am 26. Juli  1938. Die erst 1938 renovierte Orgel aus dem Jahre 1889 kam in die Prandtauerkirche zu St. Pölten, der Hochaltar 1939 in das Schloß Gobelsburg, auch Gresten hatte sich um ihn beworben.

H.H. Johann Gleixner, der letzte Pfarrer von Groß-Poppen, starb am 21. November 1956 in Wien. Ich kannte ihn persönlich, weil er um 1942 in Schloß-Rosenau als  "Frühmesseleser" wirkte und am 20. Juni 1942 beim Begräbnis meines Großvaters Johann Müllner in der Nachbarpfarre Rieggers das Requiem zelebrierte.

Der Geldbetrag, den die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft für Kirche, Pfarrhof und den  kleinen Grundbesitz der Pfarre (rund 79a - um den Pfarrhof) ausbezahlte, wurde von der Diözese für die Fertigstellung der 1937 begonnenen St. Michaelskirche im St. Pöltner  Stadtbezirk Wagram verwendet. Diese Kirche erhielt auch die drei kleinen Kirchenglocken, die Paramente und die hl. Gefäße der Pfarrkirche Groß-Poppen. Der  Hochaltar wurde im Schloß Gobelsburg, das zum Stift Zwettl gehört, deponiert, die eben erst renovierte Orgel fand in der Garnisonskirche (Prandtauerkirche) Verwendung, die  Turmuhr, einige Statuen und Kästen kamen in die Pfarrkirche Marbach an der Donau, der Kreuzweg in die Pfarrkirche Stiefern.  

Elfriede Schiller: "Am Donnerstag, 4. August 1938, mußten wir von Groß-Poppen weg  sein. In der Aufregung haben die Leute sogar Haustiere vergessen. Die Leute konnten sich aber immer wieder etwas holen, wenn sie dazu einen Passierschein hatten und  wenn nicht geschossen wurde. Bei der Durchsicht der Häuser wurde sogar ein Ferkel gefunden. Ich selbst ging noch öfter in das Gasthaus Schäffer-Floh, um mir Gemüse vom Garten zu holen."  

Nach mehr als 800 Jahren wechselhafter Geschichte wird Groß-Poppen somit von der Landkarte der Zivilisation getilgt: Mit 5. August 1938 - wenige Monate nach der  Okkupation Österreichs durch Hitler-Deutschland - wird die Pfarre Groß-Poppen mit ihren Ortschaften Klein-Haselbach, Klein-Kainraths, Rausmanns und Schlagles durch  das NS-Regime für die Errichtung eines Schießplatzes für die Deutsche Wehrmacht ausgelöscht. Der Ort Mannshalm brauchte erst am 1. Oktober 1939 geräumt sein.

Zum Zeitpunkt der Zwangsaussiedlung bestand der Ort, in dem es zwei Gasthäuser, zwei Tischler, Greißler, Sattler und andere Gewerbetreibende gab, aus 57 Häusern.  Insgesamt 821 Menschen aus 154 Häusern verloren ihre Heimat.

Groß-Poppen war neben Edelbach der erste Pfarrort im Waldviertel, der zwangsentsiedelt und danach zum Schießplatz wurde. Die Ortschaft gehörte - in der  Kernzone des geplanten Schießplatzes liegend - zur allerersten Entsiedlungsetappe. Den Bauern, die Ende Juni von den Plänen des NS-Staates erfuhren, wurde nicht einmal  Zeit zum Einholen der Ernte gelassen. Hier begann am 8. August 1938 das Scharfschießen der Deutschen Wehrmacht.

Entweihung, Auflösung, Säkularisierung, Profanierung?

Noch lebende Zeitzeugen des Abschiedsgottesdienstes am 31. Juli 1938 - wie das Ehepaar Schiller oder Franz Linhart - glauben sich zu erinnern, daß der Bischof zum  Schluß des Abschiedsgottesdienstes vom Hochaltar den Reliquienstein herausgenommen haben könnte. Dies wäre - auch heute noch - ein Zeichen, daß auf  diesen Altären keine hl. Messe mehr gefeiert werden kann und käme somit einer Profanierung nahe. Zwar wurde in Groß-Poppen in den nächsten Tagen kein hl.  Meßopfer mehr gefeiert, doch ist die Entnahme des Reliquiensteins nicht nachweisbar.

In dem Schreiben des bischöflichen Ordinariats, mit dem am 26. Juli der Gottesdienst mit Diözesanbischof Memelauer am 31. Juli 1938 bestätigt wird, ist keine Rede von  einer Profanierung (Entweihung, Entwürdigung) der Pfarrkirche Groß-Poppen im Rahmen des Abschiedsgottesdienstes.

Unter dem Wort "entweiht" verstehe ich "entsiedelt, profaniert, verwahrlost, abgetragen oder/und zerstört".

Das Bundesheer versuchte es mit dem Ausdruck "säkularisiert": "Die ehemaligen  Pfarren (Kirchen mit Friedhof) Edelbach, Groß-Poppen, Oberndorf und Döllersheim wurden amtlich mit bischöflichem Schreiben säkularisiert. Eine Säkularisierung hat es  bereits auch in früheren Jahrhunderten gegeben (Josefinismus). Auch im 20. Jahrhundert kam es weltweit und auch heute noch kommt es noch zur Säkularisierung bzw. zur  Zerstörung kirchlicher Einrichtungen." Traurig ist, daß hier Säkularisierung und Zerstörung ganz nahe gerückt werden.

Die Behauptung "die ehemaligen Pfarren ... wurden amtlich mit bischöflichem Schreiben  säkularisiert" entbehrt jeder Grundlage. Zur Überprüfung dieser Behauptung wurde das ganze, reichhaltige Diözesanarchiv nach einem solchen Schreiben abgesucht, es wurde jedoch keines gefunden.

Rechtskraft erhielt die erzwungene Pfarraufhebung durch die Publizierung im Diözesanblatt, die erst am 8. Mai 1940 (!) erfolgte: "Wegen Einbeziehung der Gebiete in  das militärische Operationsfeld mußten [!] mit 1. Juli 1938 die Pfarren Edelbach und Groß-Poppen ... aufgehoben werden." Die Datumsangabe ist fehlerhaft, das korrekte Datum lautet 31. Juli 1938.

Die Behauptung "die ehemaligen Pfarren ... wurden amtlich mit bischöflichem Schreiben  säkularisiert" würde bedeuten, daß der Bischof kirchlichen Besitz für den Staat eingezogen hätte - eine Verkehrung der historischen Fakten. Wenn das Wort  "Säkularisieren" mit einer bischöflichen Behörde in Zusammenhang gebracht wird, gilt der CIC, der Codex Iuris Canonici, das Recht der katholischen Kirche. Darin sind  "Säkularisation bzw. säkularisieren ... Begriffe, die einzig und allein dem Ordensrecht zuzuordnen sind."  

In einem Brief an die Verantwortlichen am Truppenübungsplatz schrieb GR Josef Nowak,  Stadtpfarrer von Allentsteig: "Der Codex Iuris Canonici - das Recht der katholischen Kirche (das ist hier maßgebend) - versteht unter Säkularisation das vollständige und  dauernde Ausscheiden aus einem Institut des gottgeweihten Lebens aufgrund einer von der zuständigen Autorität gewährten Dispens von den Gelübden. Was hätte der Bischof in Groß-Poppen säkularisieren sollen?"

Sollte der Bischof der Diözese St. Pölten am 31. Juli 1938 tatsächlich den Reliquienstein  vom Altar der Pfarrkirche in Groß-Poppen herausnehmen haben lassen, wäre der Altar profaniert worden, aber nicht die ganze Kirche oder gar der Friedhof. Heute gibt es viele  Volksaltäre aus Holz, die keinen Reliquienstein aufweisen.

Unter Profanierung und Verlust der Weihung oder Segnung eines Ortes versteht der Codex Iuris Canonici, can. 1222, folgendes: "Wird in einer Kirche kein Gottesdienst  mehr gefeiert und besteht auch künftig keine Möglichkeit mehr, kann der Diözesanbischof sie für profane Zwecke freigeben. Lassen sonst triftige Gründe es  geraten erscheinen, die Feier von Gottesdiensten in einer Kirche einzustellen, kann sie der Diözesanbischof ebenfalls für profan erklären."

Ob Bischof Memelauer die Kirche in Groß-Poppen für profan erklärte, wissen wir nicht,  die dazu notwendige schriftliche Erklärung gibt es nicht. In jedem Fall waren es nicht der Bischof oder kirchliche Institutionen, die aus dem Gotteshaus in Groß-Poppen einen Trümmerhaufen gemacht haben.

Abb. 126 Friedhof und Pfarrkirche von Groß-Poppen, Sommer 1938

Nicht der Bischof hat aus diesem Gotteshaus einen Trümmerhaufen gemacht...!

Der Friedhof in Groß-Poppen

Abb. 127 Am Friedhof von Groß-Poppen: Das Grab von Anna und Josef Schäffer, der Großeltern von Frau Schiller aus Allentsteig,  einige Zeit nach der Vertreibung.

Der Friedhof umgab von Norden, Osten und Süden die Kirche. Der Frieden war nur im Norden mit einer Mauer umgeben, die übrigen Seiten waren durch Holzwände geschützt.  Links und rechts neben dem Eingang zum Friedhof und zur Kirche befanden sich die Priestergräber. Wie auf alten Photos zu erkennen ist, hatten manche Gräber keine  steinernen Grabeinfassungen, meistens waren sie nur aus Holz. Kindergräber oder ältere Grabstätten hatten zum Teil überhaupt keine Grabeinfassungen.

Abb. 128 Herbst 1955: Das Innere der Kirche von Groß-Poppen war schutzlos den Unbilden der Witterung ausgesetzt. Noch aber  befanden sich die Umfassungsmauern in verhältnismäßig gutem Zustand.

1717 wurde auf dem Friedhof, auf einem hohen würfelförmigen Ziegelunterbau ruhend, eine Mariensäule aus Sandstein errichtet. Sie war mit einer mit Cherubsköpfchen  besetzten Wolkengirlande geschmückt und von einer Statue der Immaculata gekrönt.

Von 1662 bis 1938 wurden auf dem Friedhof in Groß-Poppen 4.308 Menschen bestattet, deren Namen in den Matriken der Pfarre  verzeichnet sind. Von 1332, der  Gründung der Pfarre, bis 1662 dürften mindestens 3.000 Menschen dort bestattet worden sein. Das heißt, daß auf dem Friedhof in Groß-Poppen mindestens 7.000 Ahnen der Aussiedler begraben sind.

 

St. Nepomuk unterm Kellergewölbe

Direktor Franz Willinger, Leiter des Pressvereins St. Pölten berichtete im Herbst 1955 im Kirchenblatt der Diözese St. Pölten:

Und es erhoben sich vor unseren Augen die Ruinen von Gr.-Poppen. Nahe der  Bachbrücke stand einst am Rande des Kirchhügels ein St.-Nepomuk-Bildstock. Mittelstücke der Statue - die in Stein gehauenen Chorrockspitzen verrieten es - fanden  wir unter einem nahen Kellergewölbe. Der Weg zur Kirchenruine war ein Steigen durch Wildwuchs und Gestrüpp. Darin tauchte das Kriegerdenkmal auf. Es ist freilich um den  einst krönenden Adler kürzer geworden. Davor lag am Boden ein Grabstein-Rest und die Inschrift erklärte, daß er von Pfarrer Nigischs letzter Ruhestätte stamme. An der  Außenwand der Kirche existiert noch das Missionskreuz. Kann es sich freuen auf zukünftige Zeiten, wo Groß-Poppens Herzen und Sitten durch eine Volksmission  erneuert werden wie vor 1938? Von der Kirche selbst stehen bloß die Außenmauern, kein Dach darüber, nur der herbstliche Himmel. Im Altarraum ist die Fläche erkennbar,  wo sich einst das Bild St. Johannes des Täufers befand. Die Fensternischen links und rechts schmücken sich noch mit etlichen Stuck-Verzierungen, ganz im Gegensatz zum  Schutthaufen auf dem Boden, der sein trostloses Dasein mit Gras und jungem Gebüsch zudeckt. Ein Herr unserer Führung erzählt: Diese Kirche erhielt als erste einen Treffer,  noch in der deutschen Ära des Soldatenspielens. Er fügt hinzu: Keiner von jenen vier Männern, die namens des Volkes pro forma die Übergabe der Heimat an das Militär  unterschrieben, hat die Stunde der Hoffnung auf Wiederbesiedlung erlebt ... Groß-Poppen eine Ruine. Mehrmals hatten hier Schloß samt Kirche Brände und  Verwüstungen erlebt. 1656, vor fast genau drei Jahrhunderten, erwarb, wie die Bücher berichten, Graf Windhag das "alte, fast ruinierte Gebäw" und schuf es neu. Nun bedarf es wieder einer Auferweckung

 

©Copyright Verein Information Waldviertel

... und über das Gebiet rund um Döllersheim:   www.allentsteig.at   www.walthers.at
 

Groß Poppen