... und sie nannten es Klein Mariazell
Die Ortschaft Oberndorf
Der Pfarrort Oberndorf, in 580m Seehöhe gelegen, war ein nur nordseitig verbautes Straßendorf. Seine Kirche, Pfarrhof, Schule und Gasthaus lagen etwa 1 km südlich des Ortes, also zwischen den Orten Oberndorf im Norden und Ober-Plöttbach im Süden, auf einer Anhöhe in sehr hübscher Lage. Die Kirche war umgeben vom Friedhof und von schönen alten Laubbäumen und bildete mit Pfarrhof, Schule und Gasthaus ein charakteristisches Ensemble. Das Landgericht sowie Orts- und Grundobrigkeit gehörten zur Herrschaft Allentsteig. Am Fuße des Kirchhügels liegt das "Brünnl", das zur Heilung von Augenleiden aufgesucht wurde. Ab dem 18. Jahrhundert war Oberndorf eine stark besuchte Wallfahrtsstätte, Ziel war die Oberndorfer Gnadenstatue.
Abb. 176 Oberndorf vor 1938. Rechts im Bild: Franz Lehr
Abb. 177 Gasthaus Pöhn, später Gasthaus Lehr
Abb. 178 Eine der vielen Ansichtskarten von Oberndorf in den 30er Jahren. Im Hintergrund die langgezogene Häuserreihe von Oberndorf.
Der Ort Oberndorf wird erstmals 1150 in der Tauschurkunde zwischen Bischof Konrad von Passau und Heinrich von Kamegg erwähnt. 1170 scheint ein Gebehart von Oberndorf in einer Urkunde des Nizo von Gloggenice (Groß-Globnitz) als Zeuge auf. Dessen Besitz ging auf Ulrich von Schönleuthen über, der ihn 1292 dem Stift Melk übergab. Gerrad Gogman, ein Lehensmann des Hadmar von Ottenstein, verkaufte vor 1283 ein Lehen in Oberndorf an das Stift Zwettl. Das Rentenbuch des Stiftes weist um 1320 in Oberndorf zwei Lehen aus. Landgericht, Orts- und Grundobrigkeit über Oberndorf gehörten bis zur Aufhebung des Untertänigkeitsverhältnisses zur Herrschaft Allentsteig. Zum Zeitpunkt der Entsiedlung bestand Oberndorf selbst aus 32 Gehöften.
Abb. 179 Der Orstvorsteher von Oberndorf, Haus Nr. 7 (Hofbauer, später Marchsteiner), 1909 Franz Lehr kennt 1995 noch alle Personen namentlich.
Abb. 180 Elternhaus von Josef Hofbauer (erster v. r.) 1909. Er heiratete auf das Nachbarhaus und war von ca. 1930 bis 1938 Bürgermeister von Oberndorf.
Abb. 181 Die Ortschaft Oberndorf vor 1938
Abb. 182 Oberndorf Nr. 10. Das große Elternhaus von Maria Rasinger, geb. Pfeifer. Die Familie Pfeifer wurde im Juni 1940 nach Flachau in eine Notunterkunft ausgesiedelt.
Die Pfarre Oberndorf
Die Gründungszeit der Pfarre ist nicht bekannt. Wie viele Pfarren dieser Gegend gehörte Oberndorf zur Mutterpfarre Alt-Pölla, doch bereits im Pfarrverzeichnis von 1332 scheint sie als selbständige Pfarre auf. Das Patronat hatten die Herren von Pergau inne, die es 1333 gegen das von Eberstorf dem Kloster Melk vertauschten. Die erste Namensnennung eines Pfarrers von Oberndorf fällt in das Jahr 1478. 1500 erhielt die Kirche in Rom einen Ablaß. 1558 setzte Sebastian Hager von Allentsteig, einer der Förderer des Protestantismus in Österreich, einen lutherischen Prediger ein, von 1575 bis etwa 1620 war die Pfarre protestantisch.
Abb. 183 Ansichtskarte von 1925: Die vielbesuchte Wallfahrtsstätte Oberndorf wird als "Klein Maria Zell" bezeichnet.
Abb. 184 Kapelle mit Nepomuk-Bildstock unterhalb des Kirchberges, vor 1938. Wer in den Friedhof oder zum Brünnl ging, machte hier gerne Rast.
Das Stift Melk trat im Jahre 1661 das Patronat an Joachim Freiherrn von Windhag ab, worauf Oberndorf 1662 mit Groß-Poppen vereinigt und erst wieder unter Joseph II. selbständige Pfarre wurde. Der Sitz des gemeinsamen Pfarrers war bis 1757 Groß-Poppen. Zu dieser Zeit entstand in Oberndorf eine bald sehr gut besuchte Wallfahrt zu einer Nachbildung des Gnadenbildes von Mariazell. Oberndorf erhielt den Wallfahrtsnamen "Klein Mariazell". Der Pfarrer übersiedelte von Groß-Poppen nach Oberndorf und Ende des 18. Jahrhunderts mußten sogar zwei Kooperatoren zum Dienst herangezogen werden, um dem Ansturm der Wallfahrer gewachsen zu sein. Man berichtet von 120.000 Kommunikanten innerhalb von 13 Jahren. Die Kirche in Oberndorf war auch eine beliebte Hochzeitskirche für Brautpaare aus der näheren und weiteren Umgebung. Noch in den 1930er Jahren kam es - wie ältere Leute zu berichten wissen - öfter vor, daß das Brautpaar im Sommer über 15 Kilometer mit dem Pferdegespann nach Oberndorf kam, dort heiratete und danach sofort wieder zurückfuhr, da zu Hause noch Feldarbeit zu verrichten war.
1860 wurde der Pfarrhof erbaut, 1861 kamen Heiligenstatuen und ein Altar der aufgelassenen Schloßkapelle von Neunzen nach Oberndorf. Die Brünnlkapelle wurde erst 1888 erbaut, das Brünnl selbst war nicht das eigentliche Wallfahrtsziel.
Abb. 185 Ein Brautpaar nach der kirchlichen Trauung auf dem Weg von der Kirche in das Gasthaus unterhalb der Kirche in Oberndorf. Das Bild ist eine Rarität, es entstand vor dem ersten Weltkrieg.
Die Pfarrkirche zum hl. Vitus
Die Kirche von Oberndorf war gekennzeichnet von einem einschiffigen, flachgedeckten Langhaus mit 26,5m Länge, 7 bis 9m Breite und 6-7m Höhe sowie einem einspringenden, tonnengewölbten Chor, über dem sich der Turm mit vier rundbogigen Schallfenstern und einem Blechzwiebeldach erhob. An den Altarraum waren nördlich und südlich Sakristeianbauten angeschlossen.
Abb. 186 Blick von Südosten auf Schule, Pfarrhof, Kirche, Gasthaus und Brünnlkapelle, 1938/40
Abb. 187 Kirche und Gasthaus von Nordosten von der Ortschaft Oberndorf aus gesehen.
Abb. 188 Grundriß der Pfarrkirche Oberndorf: 26 m Länge, 6 - 9 m Breite. Es stellt sich immer mehr heraus, daß die Anlage der Kirche wirklich romanisch (12. Jh.) ist.
Die Oberndorfer Pfarrkirche wurde schon in romanischer Zeit, also im Hochmittelalter, erbaut. Das beweisen die vermauerten, romanischen Fenster der Längsmauern des Kirchenschiffes. Ab 1350 wurde die Kirche mit gotischen Schalungsfenstern und einer gotischen Orgelempore dem Baustil der Zeit entsprechend verändert. Bald nach 1662 ließ Joachim Freiherr von Windhag die mittelalterliche Kirche sowie die Friedhofsmauer im barocken Stil umbauen. 1767 wurde der Chor unter dem Turm vergrößert, der Turm erhöht und mit einem Barockhelm versehen.
Abb. 189 Ostseite der Pfarrkirche in Oberndorf, vom Dach des angrenzenden Gasthauses Lehr aus gesehen, 1939/40
Abb. 190 Blick von Nordosten. Rückseite des Gasthauses Lehr, 1939/40
"Der Ort, auf dem du stehst, ist geheiligter Boden."
Abb. 191 1939/40: Noch ist die Kirche mit den romanischen Steinplatten (12. Jh.) gepflastert. Sie sind heute noch teilweise vorhanden.
Hoffentlich erleiden diese Steine nicht dasselbe Schicksal wie der Brünnl-Altar und viele Grabeinfassungen!
Ab. 192 Kircheninneres, 1938
Abb. 193 Die Oberndorfer Orgel, 1939/40. Das 1894 von Johann M. Kaufmann, Wien, gebaute Instrument wurde nach Speisendorf gebracht.
Abb. 194 Die wertvollen gotischen Chorbögen, davor das Taufbecken, 1939/40
Abb. 195 Das romanische Taufbecken von Oberndorf befindet sich heute in der romanischen Kapelle im Dürrhof. Ein Abguß davon dient im Schloß Allentsteig als Blumenschale.
Die Einrichtung des Gotteshauses stammte größtenteils aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Um 1930 erhielt die Kirche eine neue Decke mit starken Holzbalken und auch das Dach wurde neu gedeckt. Noch 1938 war die Kirche mit den romanischen Steinplatten gepflastert. Auf dem Triumphbogen über dem Altarraum stand zu lesen: "Der Ort, auf dem du stehst, ist geheiligter Boden."
Die Gnadenstatue, eine ansprechende Statue, die rechts neben dem Hauptaltar stand, stammt aus dem Jahre 1757. Sie ist eine Nachbildung des Maria-Zeller Gnadenbildes. Durch sie wurde Oberndorf zu einem stark besuchten Wallfahrtsort.
Abb. 196 Die Oberndorfer Gnadenstatue aus dem Jahre 1757
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