Dietreichs
Der Ort Dietreichs, einige Kilometer nordwestlich von Döllersheim, lag in einer nahezu ebenen Mulde, die nach Westen zum  Plöttbach hin leicht abfällt. Das Straßendorf gehörte zur Gemeinde Nieder-Plöttbach und zur Pfarre Döllersheim. Der Schulort für die Dietreichser war Oberndorf.

Dieser alte, nach einem Dietrich benannte Ort war schon im 12. Jahrhundert Sitz eines adeligen Geschlechts gewesen. 1170 wurde der Ort erstmals - in einer Schenkungsurkunde an das Stift Zwettl - erwähnt. Das Stift  Zwettl war in Dietreichs mehrfach begütert. 1311 hat Hadmar der Ottensteiner vom Dietreichs, ein Angehöriger des Ministerialengeschlechts der Herren von Ottenstein, seinen Sitz in

Abb. 353 Dietreichs, Juli 1938

Dietreichs. Gab es 1273 noch ein Ober- und ein Unter-Dietreichs, so wurde das erstere im Verwüstungszug des Königs Johann von Böhmen 1336 zerstört. 1363  verlieh Herzog Rudolf die Feste Dietreichs dem Ulrich Hofkirchner und Alram Pölinger, Ende des 15. Jahrhunderts scheint die Burg verödet zu sein. 1564  vergab Kaiser Ferdinand ein Lehen in Dietreichs, das Landgericht wurde 1602 von Sigmund von Lamberg für die Herrschaft Ottenstein erworben. Bis zur  Bauernbefreiung teilten sich die Herrschaften Ottenstein und Dobra die Grundherrschaft. Bei der Entsiedlung 1938 zählte Dietreichs 24 Häuser.

Die Ortskapelle in Dietreichs wurde im Jahre 1752 aus Ziegeln erbaut. Sie war ein kleiner rechteckiger Bau mit halbrundem Abschluß. Auf dem Bild ist die glatte  Giebelwand im Westen erkennbar. Im Norden und Süden war je ein Rundbogenfenster, im Westen ein moderner Dachreiter. Noch heute ist die Lage  der Kapelle eindeutig feststellbar, die Ruinen haben eine Höhe von eineinhalb Metern, sind jedoch nicht mehr als Kapelle erkennbar.

Abb. 354 Dorfkapelle Dietreichs, 1938

Abb. 355 Sehr alter Bildstock

Söllitz

Abb. 356 Söllitz um 1900

Der Ort Söllitz war ein einzeilig bebautes Dorf nördlich von Döllersheim, das zur  Gemeinde Nieder-Plöttbach bzw. zur Pfarre Döllersheim gehörte. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts besaßen die Ottensteiner Söllitz als landesfürstliches Lehen. Der  Ort wird erstmals in einer Urkunde von 1374 erwähnt, in der von den Mitgliedern der Bruderschaft zu Döllersheim ein Besitz zu Selitz gestiftet wurde. Zur Zeit der  Entsiedlung bestand Söllitz aus 30 Häusern. Der Ort mußte bis 8. August 1938 geräumt sein, gehörte also zur allerersten Räumungsphase.

Abb. 357 Dorfkapelle von Söllitz, erbaut Anfang des 19. Jahrhunderts

Abb. 358 Bildstock an der Weggabelung Döllersheim – Dietrichs, Sommer 1938

Die Ortskapelle von Söllitz war ein Ziegelbau aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Familie Heindl aus Söllitz 8 besorgte den Läuterdienst. Die  Lage der Kapelle ist heute eindeutig feststellbar, die südostseitige Apsismauer ist noch 1m hoch, der Rest ist ein Berg Schutt.

Heinreichs
Zur Zeit der Entsiedlung war Heinreichs mit 46 Häusern eine eigene Gemeinde, die zur Pfarre Döllersheim gehörte. Das vom Kleinmottener Bach durchflossene  Straßen- und Angerdorf lag an der Straße von Döllersheim nach Neu-Pölla.

Abb. 359 Heinreichs 1672, Radierung von Vischer

Das Rentenbuch des Stiftes Zwettl weist um 1311 ein Lehen in Hainreichs aus. Der Ort war schon im 13. Jahrhundert Sitz eines Rittergeschlechts. 1371 bis 1456  ist das Geschlecht der Prantner als Inhaber des Edelsitzes zu Heinreichs nachweisbar. Nach mehrfachem Besitzerwechsel wurde der Hof im Dreißigjährigen Krieg fast zur Ruine, nach 1655 jedoch von Hans Franz Freiherrn  von Lamberg von Ottenstein wieder instandgesetzt. Nach der Radierung von Vischer 1672 war das Schloß ein stattliches Gebäude mit drei viereckigen Türmen  und einer Ringmauer. Zerstört worden sein dürfte es bei dem Ortsbrand von 1803. Außer dem Edelsitz bestanden noch zwei Freihöfe. Zur Zeit der Entsiedlung im Jahre 1939 hatte Heinreichs 43 Häuser.

Die Ortskapelle in Heinreichs wurde im Jahre 1825 als rechteckiger Ziegelbau mit halbrundem Abschluß, je einem Rundbogenfenster im Norden und Süden und  einem hölzernen Dachreiter mit Schindelzwiebeldach über dem Westgiebel erbaut. Die Kapelle müßte südöstlich vom heutigen Posten 41, schon östlich der Straße  von Klein-Motten her, gestanden sein. Durch den Straßenbau ist die Lage nicht mehr näher feststellbar.

Abb. 360 Die Kapelle von Heinreichs

Abb. 361 Heinreichs vor 1938

Abb. 362 Die Reste  des einstigen Meierhofs von Heinreichs, 1987

Vier Marterl um Heinreichs

Abb. 363 Etwas nordwestlich der Straße von Döllersheim nach Heinreichs, höchstwahrscheinlich  noch im Ortsbereich von Döllersheim, steht dieses aus Stein und Ziegeln gemauerte Marterl, von dem aus die Kirche von Döllersheim noch gut zu sehen ist. Das Marterl hat ein Ziegelgewölbe, im  Altarraum ist auch ein ansprechendes Altartischgewölbe noch vorhanden. Einige hundert Meter südwestlich sind außerdem noch zwei Häuserruinen mit relativ gutem Mauerwerk zu sehen.

Abb. 364 Granitsteinmarterl, wohl ein Hubertusmarterl, sehr ansprechende Arbeit, nach dem Ort Heinreichs (von Döllersheim kommend, links noch im Wald, vor der Kreuzung), 1984

Abb. 365 An der Straße Döllersheim – Heinreichs steht dieser Sockel aus Granit, der sicher einmal ein Gußeisenkreuz trug, 1984
Abb. 366 Marterlrest vor Heinreichs, von Döllersheim kommend links neben der Straße, 1984

Nieder-Plöttbach
Der Ort Nieder-Plöttbach lag in einer Talsenke des Plöttbaches, der den Dorfanger durchschnitt und in der Nähe des Dorfes in den Kamp mündete. Vom  benachbarten Kühbach war das Dorf durch einen Höhenzug getrennt. Zur Zeit der Entsiedlung war Nieder-Plöttbach mit 48 Häusern eine eigene Gemeinde, die zum Pfarrsprengel Döllersheim gehörte.

Im Jahre 1266 erhielt das Kloster Zwettl von Elisabeth von Maissau zwei Huben in inferiori Pletbach als Schenkung. 1294 verkaufte Osanna, die Witwe des Ulrich  von Tumbratz dem Abt Ebro von Zwettl zwei Burgrechtslehen in Pletbach. Um 1311 vermerkt das Zwettler Rentenbuch acht bestiftete und acht öde Lehen zu  Nidernpleppach samt dem Dorfrecht, ein Feld diente dem Stiftsspital. 1665 zählte der Ort 75 Einwohner. 1932 wurde in dem Ort eine nationalsozialistische  Bauernschaft gegründet, die jahrelang die stärkste in der Umgebung war.

Abb. 367 Blick von der Straße auf die Häuserruinen von Nieder-Plöttbach in den Wassern des Stausees, 1995

Heute ist der Ort, am Südrand des Truppenübungsplatzes gelegen, geteilt: südlich der Straße von Döllersheim nach Nieder-Plöttbach befindet sich die Windhagsche  Stipendienstiftung, nördlich davon ist Tüpl-Gebiet. Die Ruinen des halben Ortes sind seit den späten 50er Jahren von den Wassern des Stausees Ottenstein bedeckt.

Die Kapelle von Nieder-Plöttbach, heute auf dem Gebiet der Windhag´schen Stipendienstiftung gelegen, steht auf einer Anhöhe über dem Dorf. Sie wurde  Anfang des 19. Jahrhunderts als reiner Steinbau errichtet und besaß an den Längsseiten je zwei spitzbogige Fenster, ein Schindelsatteldach und einen  quadratischen Dachreiter aus Holz mit spitzem Blechhelm. Auf dem barocken Altar befand sich eine bemalte Holzgruppe der Pietà, der Dreifaltigkeit und weitere kleinere Statuen.

Abb. 368 Die Ortskapelle in Nieder-Plöttbach im Jahre 1938

Abb. 369 Die Ortskapelle in Nieder-Plöttbach im Oktober 1984. Die Kapellenruine ist noch gut erhalten, nur der Turm ist verschwunden. Das Bauwerk gehört heute der Windhagschen  Stipendienstiftung. 1984

Abb. 370 Blick von Nieder-Plöttbach hinauf auf die Ortskapelle. Die Kapelle erhielt um 1991 ein Dach.
Abb. 371 Südostseite der Kapelle, 1995
Abb. 372 Das sonst noch gut erhaltene Ziegelgewölbe der Kapelle in Nieder-Plöttbach ist über dem Altarraum und unter dem ehemaligen Turm durchgebrochen (worden). 1984
Abb. 373 unterhalb der Ortskapelle erstrecken sich die Ufer des Stausees. 1995
Abb. 374 Hubertuskapelle im Raum Döllersheim-West, Richtung Nider-Plöttbach
Abb. 375 Die gemauerte Wegkapelle in Nieder-Plöttbach, bereits auf Tüpl-Gebiet, wurde nach 1984 restauriert.
Abb. 376 Die restaurierte Nieder-Plöttbach-Kapelle, 1 km östlich des Ortes, 1995

Abb. 377 Mutter-Gottes-Statue von J. Kainrath aus Bernschlag (entstanden 1961), 1995

Die Kapellenruine erhielt 1991 von der Windhag´schen Stipendienstiftung ein Notdach, Fenster und Türe sind mit Brettern vernagelt.

 Eine weitere Kapelle im Gebiet von Nieder-Plöttbach steht, wenn man von Döllersheim in den Ort fährt, rechterhand, fast einen Kilometer vor der Ortschaft. Innen an der Ostseite hängt eine Tafel mit dem Text Nieder-Plöttbach-Kapelle.  Renoviert 1987 und 1988 durch das Schießplatzkommando Allentsteig im Gedenkjahr 50 Jahre Aussiedelung im Waldviertel, mit der Muttergottes ausgestattet. Diese Madonnenstatue schnitzte J. Kainrath aus Bernschlag im  Jahre 1961 im 83. Lebensjahr. Im April 1988 wurde sie von Frau Wögenstein aus Allentsteig kostenlos dem Bundesheer zur Verfügung gestellt.

Abb. 378 Die Fürnkranz-Mühle am Kamp, 1947. Heute liegt sie am Grunde des Kampstausees.

Abb. 379 Die zehn entsiedelten Mühlen

Brugg
Für das Dorf Brugg war Döllersheim der Pfarr- und Schulort, von dem es kaum 2km in südöstlicher Richtung entfernt lag. Die erste urkundliche Nennung ist für das  Jahr 1289 verzeichnet. Der in ziemlich ebenem Gelände gelegene Ort gehörte zur Herrschaft Ottenstein, 1665 zählte Brugg 38 Einwohner. Gegen Mitte des 19.  Jahrhunderts besaß die Herrschaft Waldreichs die Orts- und Grundobrigkeit, Ottenstein die Landgerichtsbarkeit.

Der Ort Brugg wurde erst 1942 entsiedelt, die Familie Topf mußte im Mai dieses Jahres ihr Heimathaus in Brugg Nr. 12 verlassen. Da in Döllersheim die Volkschule  im Juli 1941 aufgelassen wurde, mußten die Volksschulkinder von Brugg ab September 1941 in die Volksschule nach Franzen gehen. Sie gingen durch die  entsiedelten Orte wie Strones und schlugen dort viele Fensterscheiben ein.

Abb. 380 Gehöfte in Brugg vor der Zwangsaussiedlung

Der Ort, auf dem die Ortschaft Brugg stand, wurde vom heutigen Besitzer, der Windhagschen Stipendienstiftung, aufgeforstet. Davor wurden die Häuser und die  Ortskapelle - wie in Flachau - dem Erdboden gleichgemacht. Im Forst sind heute noch Ruinen von Brugg vorhanden.

Die Ortskapelle in Brugg wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Über der Giebelmauer erhob sich der schlanke Turm. Die Längsseiten hatten je zwei  Rundbogenfenster. Von der Kapelle dürfte es keine Ruinen mehr geben.

Abb. 381 Brugg Kapellenweihe (nach Renovierung?)

Abb. 382 Die Ortskapelle von Brugg, 1938

Seine Eindrücke von einem Nachkriegs-Besuch in der verlorenen Alten Heimat gibt Leopold Topf, geboren und aufgewachsen in Brugg Nr. 12, wieder:
Im Jahre 1948 fuhr ich allein mit dem Fahrrad in den Truppenübungsplatz, um  mein Elternhaus zu besichtigen. Ich erschrak, wie zerfallen unser Haus war, und wußte, daß es hier kein Zurück mehr gibt... Obwohl ich auch in der zweiten Heimat  die Menschen liebgewonnen habe und ich mein Lebensende in der dritten Heimat verbringen werde, werde ich immer mit Wehmut, den Tränen nahe, wie die Mutter,  an meine geliebte Heimat denken. Ich kann auch alle Mitfühlenden verstehen, denn Wohnorte kann man viele haben, Heimat aber nur eine.

Abb. 384 Von Brugg blieb nur mehr diese Kapelle an der Kreuzung des Weges nach Brugg mit der Straße Zierings-Döllersheim übrig. 1984

 

Die Aussiedelung dauerte bis 1970"

Im Bereich der ehemaligen Pfarre Döllersheim war die Aussiedelung nicht mit der NS - Ära beendet, sondern es wurde vom 5. August 1938 bis nach 1970 (!) - also  32 Jahre hindurch! - ausgesiedelt.

In der Zeit während und nach dem Krieg fanden in den am Rande des Schießplatzes gelegenen menschenleeren Ortschaften Pötzles, Deckerhof,  Steinbach, Wurmbach, Waldreichs und Flachau sogenannte Zweitsiedler eine provisorische Bleibe. Es handelte sich dabei um Menschen aus dem Aussiedelungsgebiet, die kriegsbedingt keine neue Heimat mehr finden konnten,  um heimatvertriebene Südtiroler (in Zwettl erinnert noch ein Straßenname an sie) sowie Sudetendeutsche. Von diesen Zweitsiedlern ist wiederholt zu hören: Wir  haben unsere Heimat zweimal verloren. Das erste Mal wurden wir zwangsentsiedelt, das zweite Mal - trotz mancher `Hilfen´ - regelrecht vertrieben.  So zum Beispiel die Zweitsiedler, die ab 1945 in Edelbach lebten und 1952 von den Russen vertrieben wurden.

Vom Sommer 1957 bis 1970 räumten ÖSTERREICHER mehrere Orte*, die im Bereich des Truppenübungsplatzes bzw. der Windhag´schen Stiftung liegen:  Pötzles und den Deckerhof bei Zwettl bereits 1957/58, Steinbach und Wurmbach bei Allentsteig im Jahre 1961, ebenso Waldreichs, und Flachau schließlich bis  nach 1970. In Waldreichs war man lange mit dem Abreißen der Häuser beschäftigt. Auch die Wirtschaftsgebäude, die zum Schloß Waldreichs gehörten und teilweise beeindruckendes Mauerwerk zeigten, wurden bis auf die  Grundmauern weggeputzt. Das vom Verfall bedrohte Schloß wurde dagegen mit großem Aufwand revitalisiert und ist heute Sitz der Forstverwaltung der  Windhag´schen Stipendienstiftung. Die Häuser von Flachau wurden - bis auf eines - erst um 1970 abgetragen, sogar die Ortskapelle, die bestimmt zu retten gewesen  wäre, mußte verschwinden. In Wurmbach bei Allentsteig wurden die letzten Häuser erst 1989 abgerissen, darunter auch der alte Meierhof.

(* W. Pongratz - H. Hakala, Zwettl 2, S. 125; Schindler, Wegmüssen S. 330-333; Mündliche Auskünfte von Aussiedlern und ForstDir. Teufl)

Flachau
Auch das Dorf Flachau, zur Zeit der ersten Entsiedelung mit Bruggmühle, Steinmühle, Kernhäuser und Reithof aus 49 Häusern bestehend, gehörte zur  nordöstlich davon gelegenen Gemeinde und Pfarre Döllersheim. Die erste urkundliche Erwähnung datiert ins Jahr 1177, ist also eine frühe Nennung.  Zwischen 1283 und 1294 war das Stift Heiligenkreuz (!) bei Flachau begütert. Im Dreißigjährigen Krieg verödeten 17 nach Ottenstein untertänige Häuser. Dennoch  hatte Flachau 1665 - kaum eine Generation nach Kriegsende - 81 Einwohner.

Der Ort Flachau, seit 1960 im neuen Gebiet der Windhag´schen Stiftung gelegen, war wirklich eine flache Au. Am 30. September 1942, als die Pfarre Döllersheim  aufgelöst wurde,war Flachau längst noch nicht endgültig entsiedelt, die Entsiedelung erfolgte erst nach und nach. Die Ortschaft war - wenn auch mit  Zweitsiedlern - am längsten bewohnt. 1956 gab es noch 70 Einwohner, 1961 immer noch 25. Die letzte Einwohnerin verließ den Ort erst 1970. Somit setzte sich  in Flachau, das seit 1942 zur Pfarre Friedersbach gehörte, die Aussiedlung über 32 Jahre fort!

Die Katastralgemeinde Flachau umfaßte eine Fläche von 686,3 ha. Heute gibt es dort nur mehr ein Gebäude, das Haus Nr. 19, das zu einem Forsthaus ausgebaut  wurde. Aus diesem Haus (Gegenbauer) stammt die Gattin von ÖkR August Eigner, dem späteren Sprecher der Aussiedler. Der südöstlich von Flachau gelegene  Reithof war schon zur Zeit der Entsiedelung nur mehr im westlichen Vorderteil bewohnt. Der hintere Teil war bereits damals Ruine. Die bei Flachau gelegenen  Mühlen, die Bruggmühle und die Steinmühle, stehen heute am Grund des Stausees.

Abb. 385 Flachau um 1939

Abb. 386 Das gerettete und zu einem Forsthaus ausgebaute Haus Nr. 19 in Flachau, 1984

Abb. 387 Die Ruine des Reithofes. Der Reithof, 1 km östlich von Flachau gelegen, hatte die Nr.  Flachau 46. Schon zur Zeit der Entsiedlung war nur mehr der nordwestliche Teil bewohnt, wie auch in der Alten Heimat deutlich zu sehen ist. 1984

Es gab 1960 nur mehr 2 Häuser, die wirklich von Flachauern bewohnt waren. Alle anderen waren, mit Respekt gesagt, `Strandgut des 2. Weltkrieges.´  ‹

Abb. 388 Die Stein-Mühle am Kamp, 1946. Heute liegt sie am Grunde des Kampstausees.

Das Haus Nr. 31 war bis 1959 von Anna Wiesinger, geborene Mayer aus Flachau Nr. 3, bewohnt. Das Haus sowie Grund und Boden waren ihr von der Deutschen  Ansiedelungsgesellschaft im Jahre 1942 zwangsweise abgekauft worden. Seither mußte sie auch für das Haus Zins zahlen. Sie ist am 28. Mai 1908 in  Flachau geboren und hat im Juli 1938 auf das Haus Nr. 31 geheiratet. Flachau hat sie im Jahre 1959 als Witwe verlassen. Sie wohnt jetzt bei ihrer Tochter Anna und  ihrem Schwiegersohn Franz Steindl in Friedersbach Nr. 56. Ich konnte mit ihr am 28. September 1984 sprechen.

Abb. 389 Flachau 1939

Abb. 390 Flachau 1959: Die Häuser wären für eine Wiederbesiedlung zweifelsohne zu retten gewesen.

Leopold Kainrath, Gastwirt in Friedersbach Nr. 2, geboren am 17. November 1920 in Flachau 34, teilte mir im September 1984 folgendes mit: Mein Vater, der seit  1938 durch einen Blindgänger, der in Söllitz unter das Erntegut kam und daheim in Flachau explodierte, blind war, und meine zweite Mutter Maria wohnten nach 1959  in Flachau Nr. 34. Wann sie genau aus Flachau ausgesiedelt sind, kann ich nicht sagen, weil beide schon gestorben und in Rastenfeld begraben sind. Auch ihnen  ist es so ergangen wie Frau Anna Wiesinger. Sie mußten für das eigene Haus und für die eigenen Grundstücke, die sie noch bewirtschafteten, Zins zahlen. Die Müller  Hani (Johanna), die aus Heinreichs stammte, wohnte seit dem Krieg im Wiesauer Stübel (Flachau Nr. 15). Sie verließ Flachau als letzte Bewohnerin erst nach 1970.

Abb. 391 Die Ortskapelle stand bald nach der Kreuzung Richtung Friedersbach, neben der Richtung Süden führenden Forststraße, 20 m südlich des Ortsbaches (um 1939)

Abb. 392 Hier standen bis etwa 1960 die Ortskapellen von Flachau. Meine Nichte Melitta Müllner  († 1995) und ein Enkel von Frau Authried halten dort gefundene Mauerziegel und Blechreste in die Höhe. 1984

Abb. 393 Marterl in Flachau (Kreuzung), 1984
Abb. 394 Kreuz aus Gußeisen mit Granitsockel (links neben der Straße von Döllersheim nach Flachau), 1984
Abb. 395 Marterl neben der Straße von Döllersheim nach Flachau, 1984

Abb. 396 Familie Marksteiner in Flachau beim Aussiedeln und Verladen der Habseligkeiten auf einen LKW, 1941

Die Ortskapelle von Flachau war ein Ziegelbau mit Barockaltar, je zwei Spitzbogenfenstern, Ziegeldach und quadratischem Dachreiter mit blechgedecktem Zwiebeldach. Sie wäre gewiß zu retten gewesen, mußte jedoch  um 1970, als die Häuser von Flachau bis auf eines abgetragen wurden, ebenfalls verschwinden: die Windhag´sche Stiftung wollte es so. An der Stelle, wo sich einst  die Kapelle befand, sind heute nur noch Mauerziegel und Blechreste aufzufinden.

Während auf dem Truppenübungsplatz die Ortskapellen in den niedergebaggerten Orten Neunzen und Wurmbach stehen bleiben durften, ist die Windhagsche  Stipendienstiftung für den Totalabbruch der Ortskapellen in Brugg und in Flachau verantwortlich. Vielleicht wäre es möglich, dort einen Gedenkstein zu setzen, auf dem das Bild der Kapelle eingemeißelt ist.

 

Zierings

Abb. 397 Ortskapelle in Zierings, 1984

Der Ort in der Nähe von Schloß Ottenstein war im 13. Jahrhundert Sitz eines Rittergeschlechts, das zum Dienstadel der Herren von Ottenstein gehörte. 1177  erfolgte die erste urkundliche Nennung. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1234 werden ein Ulrich von Züdings und dessen Sohn Dietrich genannt. In der  Nähe des Dorfes lag am Kamp die Burg Lichteneck, die vermutlich bereits im 15. Jahrhundert zerstört wurde. 1665 zählte der Ort 32 Bewohner. 1679 ließ Graf  Lamberg von Ottenstein im Wald bei Zierings Holzhütten für Pestkranke erbauen. Zur Zeit der Entsiedelung zählte Zierings, zur Gemeinde Heinreichs und zur Pfarre Döllersheim gehörig, 12 Häuser.

Die Windhagsche Stipendienstiftung, in deren Gebiet Zierings heute liegt, konnte den Ort - mit der Renovierung zweier alter Bauernhäuser - teilweise retten. Ihr  Forstamt Ottenstein hatte im neuerbauten Haus Nr. 3 und in Nr. 4 die Büroräume. Im Herbst 1989 übersiedelte die ganze Verwaltung in das wiederhergestellte  Schloß Waldreichs. In Zierings wohnen heute Arbeiter und Angestellte der Stiftung.

Am 23. August 1984 empfing mich Forstdirektor Dipl. Ing. Edmund Teufl mit großer Freundlichkeit in Zierings. Nach einer ausführlichen Information über die  Windhagsche Stipendienstiftung und der Widmung von Literatur und einer Landkarte, führte er mich durch Schloß und Schloßkapelle der Ruine Waldreichs.  Am Schloß wurde unter seiner Führung schon erstaunenswerte Aufbauarbeit geleistet. Am Abend trafen wir uns noch kurz im Forsthaus in Flachau. Anschließend besichtigten wir noch das Areal vom ehemaligen Reithof. Dort  erzählte er mir wörtlich: Ich habe den gesamten Übungsplatz als öffentlicher Verwalter im Auftrag von Landeshauptmann Steinböck verwaltet und habe dem  Herrn Bundesminister Graf und seinen Leuten den nördlichen Teil übergeben müssen... Für den südlichen Teil hat die Windhagsche Stipendienstiftung einen  eigenen Rückstellungskurator beim Unterrichtsministerium gehabt, denn die Stiftung ist ja eine Bundesstiftung und keine Landesstiftung. In letzter Instanz hat  der Bund entschieden und nicht das Land; nur nach dem Stiftungsbrief ist der Landeshauptmann von Niederösterreich der Verwalter, der politische Referent...

Im Herbst 1955 bin ich mit der forstwirtschaftlichen Oberaufsicht und der Leitung des gesamten Forstbetriebes Döllersheim beauftragt worden. Es war eine  USIA-Verwaltung da. Ich bin also eingesetzt worden für die forstwirtschaftlichen Verhältnisse, ich habe den Katastropheneinsatz geleitet. Ich habe 50.000  Festmeter Schadholz aufarbeiten lassen müssen. Es war ein Primärbefall von Borkenkäfer da... Mit etwas über 500 Leuten haben wir in einem Jahr die ganzen  Übungsplatz-Wege befahrbar gemacht. Dann ist die Ungarnkrise im Jahre 1956 gekommen. Und im Jahr 1957, es war Ende Mai, haben wir den Auftrag erhalten,  den Truppenübungsplatz mit Ausnahme des südlichen Teiles zu übergeben... Ich wollte und konnte mich nun dem südlichen Teil, dem Bereich der heutigen Windhagschen Stipendienstiftung, widmen...

Im Jahr 1961 wurde in Groß-Poppen eine große Ehrentribüne aufgebaut. Ich war  als Ehrengast dabei, als das Bundesheer unter Minister Graf die erste große Artillerieübung veranstaltet hat. Zielgebiet waren die damals noch beachtlichen Ruinen von Groß-Poppen!

Abb. 398 Das Haus Nr. 5 in Zierings konnte teilweise wieder saniert werden. Oberhalb (Richtung  Süden) befindet sich eine noch bewohnbare Baracke. Gegenüber dem Haus Nr. 5 steht ein noch fast erhaltenes Bauernhaus. 1984
 

Abb. 399 Bauernhaus in Zierings Nr. 3, seit 1989 Arbeiterwohnungen der Windhagschen Stipendienstiftung. Nördlich von Nr. 3 und Nr. 4 befinden sich zwei weitere Neubauten (Nr. 1 und  Nr. 2). 1984

Die Ortskapelle von Zierings ist ein Bau aus der Zeit um 1850. Im Turm hängt eine Glocke aus dem Schloßturm von Ottenstein, eine ältere Glocke ohne Gravour. Sie  wird elektrisch geläutet. Sonst gibt es derzeit kein Inventar.

 

Waldreichs

Abb. 400 Schloß Waldreichs 1672, Radierung von G. M. Vischer

Eine Radierung von G. M. Vischer von 1672 zeigt Waldreichs als großartiges, weitläufiges Wasserschloß. Schon im 13. Jahrhundert war Waldreichs Sitz eines  Ministerialengeschlechts. Ein Rapoto de Waltreches wird 1258, ein Liebhardus de Waltreichs ab 1265 erwähnt. 1474 stellte sich Vinzenz Stodoligk von Waldreichs,  von Kaiser Friedrich III. 1460 mit umfangreichem Besitz um Waldreichs belehnt, mit den Herren von Ottenstein und Dobra auf die Seite des ungarischen Königs Matthias Corvinus.

Freiherr Maximilian Adam Volkhra kaufte 1669 den Besitz, ließ die alte, halbverfallene Schloßkapelle mit hohen Kosten wieder herstellen und erwarb für sie  die Meßlizenz. 1706 weihte Bischof Kollonitsch, der sich damals in Kirchberg am Walde aufhielt, die Kapelle und einen Altar des hl. Florian. Franz Friedrich Freiherr  von Engl errichtete um 1730 den prächtigen Stuckaltar zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit, der Hl. Familie sowie der Pestheiligen Sebastian, Rochus und  Rosalia mit seinem Wappen und dem seiner Gemahlin Maria Josepha Gräfin von Sinzendorf. 1797 wurde die 1543 aus Sandstein gehauene Renaissance-Kanzel  von Döllersheim nach Waldreichs verkauft. Nach dem Besitzerwechsel wurde Schloß Waldreichs, dessen Bausubstanz größtenteils aus dem 15. und 16.  Jahrhundert stammt, ab Beginn des 19. Jahrhunderts nur mehr notdürftig in Stand gehalten bzw. dem langsamen Verfall überlassen. Der letzte Besitzer soll Waldreichs in einer Nacht in Monte Carlo verspielt haben.

Aufgrund wiederholter Interventionen durch das Bundesdenkmalamt  entschloß sich die Windhag´sche Stipendienstiftung, seit 1957/59 im Besitz von Waldreichs,  zur Wiederherstellung des Schlosses. Seit 1982 erwacht Schloß Waldreichs zu neuem Leben. In diesem Jahr begann die Windhagsche Stipendienstiftung mit der  Renovierung des Südtraktes. Die Eindeckung des Nordtraktes fand im Sommer und Herbst 1984 statt. Seit Herbst 1989 ist das Forstbüro nicht mehr in Zierings,  sondern endgültig im Schloß Waldreichs untergebracht. Das aus verschiedenen Bauepochen stammende Schloß befindet sich in einer traumhaft schönen Lage über dem Kamptal.

Abb. 401 Schloß Waldreichs während der Renovierungsarbeiten

Abb. 402 Schloß Waldreichs von Westen, Frühjahr 1989. Wer will bestreiten, daß ebenso auch viele ruinöse Kirchen und Kapellen auf dem Übungsplatz wiedererstehen könnten?

Abb. 403 Die Schloßkapelle in Waldreichs vor dem Jahre 1911

Die Schloßkapelle Waldreichs zur Maria-Hilf war vom 1. November 1784 bis 19. März 1807 praktisch Pfarrkirche für die Orte Waldreichs und Strones. Der Altar,  entstanden um 1730, war die tüchtige Arbeit eines wahrscheinlich italienischen Stukkateurs. Der Altar nahm die ganze Nordwand der Schloßkapelle ein und zeigte  neben der hl. Familie die lebensgroßen Statuen der Pestheiligen Sebastian und Rochus, denen sich in einer Nische unter dem Altar das Steinbildnis der hl. Rosalia  zugesellte. Im Jahre 1735 rühmte sich Graf Franz Friedrich von Engl gegenüber dem Konsistorium in Passau, daß sich die 1728 unter seiner Führung  (aus)gebaute Kapelle in einem besseren Zustand befände als manche Pfarrkirche.  Außer den Matriken aus dieser Zeit, die sich im Diözesan-Archiv in St. Pölten  befinden, erinnert nur noch der ehemalige Friedhof an diese Zeit. 1797 wurde die schöne, im Jahre 1543 aus Sandstein gehauene Renaissance-Kanzel von  Döllersheim nach Waldreichs verkauft.  Zwischen 1910 und 1920 wurde diese Kanzel abgebrochen und weiterverkauft. Die Kapelle glich schon im Jahre 1938 einer verbrannten Trümmerstätte.  

Abb. 404 Zwischen Nord- und Südtrakt befindet sich die Ruine der Schloßkapelle zur Maria-Hilf.  Auch diese Kapelle darf Auferstehung feiern. Sie hat kein Inventar, kein Dach, keine Decke, keinen Fußboden. 1984

Von 1984 bis 1990 wurden die Mauern und der Ziegelfußboden der ehemaligen Schloßkapelle gründlich saniert. Der neue Dachstuhl reicht von der tieferen  Ostmauer einflächig auf die höhere Westmauer. Die Stuckdecke wurde nicht wiedererrichtet. Vom Stuckaltar aus dem Jahre 1721 ist leider nichts mehr zu  finden. Die steinerne Altarmensa ist vorne an zwei Stellen ausgebrochen worden. Einziges festes Inventar der Kapelle ist ein Opferstock aus Granit. Zur Not könnte  wieder die hl. Messe in der Kapelle gefeiert werden, es wäre nur ein hölzener Volksaltar nötig. Auf dem Friedhof in Waldreichs wurden von 1785 bis 1838 407 Menschen bestattet

Abb. 405 Gutsgebäude von Waldreichs vor 1938, um 1960 entsiedelt und danach abgetragen

Abb. 406 Der Hochaltar der Schloßkapelle Waldreichs mit Altarstufen und Überresten der Altarmensa, 1995

Abb. 407 Schloßkapelle Waldreichs mit einseitig-schrägem Dachstuhl, 1995

Abb. 408 Im Oktober 1984 war die Ostmauer der Kapellenruine innen bereits eingerüstet.

Der Ort Waldreichs, der noch 1955 (!) mit Franzen und Reichhalms eine politische Gemeinde bildete, wurde leider 1960 vom derzeitigen Besitzer, der  Windhag´schen Stipendienstiftung, entsiedelt. Die Häuser - darunter auch die zum Schloß gehörenden Wirtschaftsgebäude mit teilweise sehr beeindruckendem  Mauerwerk - wurden bis auf die Steinmauern abgetragen, ihre Ruinen befinden sich südlich des Schlosses. Der Weg hinunter ist meistens gesperrt.

Abb. 409 Innenhof von Schloß Waldreichs (1995), rechts die Westmauer der Schloßkapelle mit Eingangstür

Abb. 410 Schloß Waldreichs, Eingang, 1984

Abb. 411 Drei mächtige Fichten markieren den einst geweihten Ort, an dem sich einmal der Friedhof für die Orte Waldreichs und Strones befand. 1984

Abb. 412 Gegenüber der Schloßeinfahrt steht auf einem Marmorsockel die Steinstatue des hl. Johannes von Nepomuk aus dem Jahr 1717.

Abb. 413 Westmauer der Schloßkapelle von innen mit Türen vom Hof

 

Ottenstein
Wie die meisten Kampburgen dürfte Ottenstein in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut worden sein. Zur gleichen Zeit, um 1125, entstand auch die  benachbarte Kirchensiedlung Döllersheim, das wirtschaftliche und pfarrliche Zentrum der späteren Herrschaft Ottenstein. 1177/78 wird ein Hugo von Ottenstein  urkundlich genannt. Die Burg dürfte ein freies Eigen gewesen sein, zu deren Stammbesitz die Orte Zierings, Brugg, Motten, Döllersheim, Peygarten und möglicherweise auch Rastenfeld gehörten.

In Urkunden der österreichischen Herzöge werden zahlreiche Repräsentanten der Herren von Ottenstein als Zeugen genannt. Von einer Verwüstung durch die  Hussiten 1427 blieb die Burg verschont, hatte jedoch im Dreißigjährigen Krieg viel zu leiden. Nach mehrfachem Besitzerwechsel setzte sich 1624 Johann Albrecht  Freiherr von Lambrecht in den Besitz der Herrschaft Ottenstein, der eine über 400jährige Familiendynastie begründete. Hans Franz Freiherr von Lamberg stiftete  1660 testamentarisch ein Spital in Döllersheim. Mitglieder der Familie Lamberg wurden mit hohen Funktionen am Kaiserhof in Wien betraut.

Abb. 414 Schloß Ottenstein. Die im Kern romanisch-gotische Burg wurde 1530 erweitert, in der  zweiten Hälfte des 17. Jh. Weitreichend umgebaut und 1867 – 1878 und ab 1962 renoviert. 1984

Abb. 415 Schloß Ottenstein von der Kampbrücke, 1996

Geprägt von überaus großem Kunstsinn, verwendeten einige Repräsentanten der Familie ihr ganzes Vermögen zum Sammeln von Kunstwerken. - das Schloß muß  zu manchen Zeiten übervoll damit gewesen sein. Ein Inventar aus dem Jahr 1765 verzeichnet allein 362 Gemälde. Leopold Joseph Graf von Lamberg, ein wichtiger  Darlehensgeber für das Kaiserhaus, Träger des Goldenen Vlieses und erfolgreicher Diplomat u.a. in Rom, sowie Franz Anton von Lamberg waren die leidenschaftlichsten Sammler. Als dieser 1822 ohne Nachkommen starb,  vermachte er die wertvolle Gemäldesammlung der damaligen kaiserlich-königlichen Akademie der bildenden Künste in Wien, wo sie auch heute den Hauptbestandteil der Gemäldegalerie bildet. Eine besonders wertvolle  Skulptur, ein attisches Bildnis der Göttin Hekate-Artemis aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., gelangte nach bewegtem Schicksal in ein Museum oder in eine  Privatsammlung in den USA. 1940 mußte Graf Vollrath von Lamberg seinen Besitz dem Deutschen Reich verkaufen, als der Truppenübungsplatz Döllersheim errichtet  und das Gebiet um Ottenstein entsiedelt wurde. Das Schloß diente zeitweise als Offiziersquartier, wurde 1945 von den Russen besetzt und erlitt arge Zerstörungen.  Aufgrund eines Rückstellungsvergleiches gelangte die Burg 1959 ins Eigentum der Windhagschen Stipendienstiftung, die - nach den ersten Absicherungsarbeiten in den Jahren 1956/57 (!) - mit Renovierungsarbeiten des  unter Denkmalschutz stehenden Burgschlosses begann.

Die EVN pachtete 1962 im Zuge von Grundablösungen für den Bau der Kampkraftwerke von der Windhag´schen Stipendienstiftung das Burgschloß, betrieb gemeinsam mit der Stiftung dessen Wiederherstellung und errichtete  sowohl das Erholungszentrum Ottenstein als auch das Restaurant im Schloß. Heute ist Schloß Ottenstein ein beliebtes Ausflugsziel, auch wegen seiner  Kulturveranstaltungen. Zudem wählen Jahr für Jahr viele Hochzeitspaare das Schloß für alle Feste für ihre Hochzeitsfeier. In der barocken Kapelle finden auch Trauungen statt.

...die NEWAG [heute EVN] hat vor vielen Jahren Ottenstein vor dem Verfall gerettet. Ich kann mich noch sehr gut an den desolaten Zustand des Gebäudes  erinnern, an die zertrümmerten Renaissancekachelöfen, an die einstürzenden Decken und an den unvorstellbar deprimierenden Eindruck, den die Schloßkapelle  damals gemacht hat. Ottenstein war eines der ersten erfolgreichen Revitalisierungsprojekte in Niederösterreich.

Peter Müller über die Rettung und Revitalisierung von Schloß Ottenstein im Artikel Die `attische Madonna´ aus Ottenstein, in der Kulturzeitschrift morgen 46/86, WS. 126

 

Die romanische Burgkapelle Ottenstein

Abb. 416 Die romanische Kapelle auf Schloß Ottenstein, 1984

Zur Anlage der romanischen Burg des 12. Jahrhunderts, also zu den ältesten Bauteilen, gehörte im Osten die alte Burgkapelle. Wie jeder sakrale romanische  Raum war sie vollständig mit Wandmalereien geziert gewesen. Nach dem Neubau der barocken Schloßkapelle in den Jahren 1680/81 hatte die alte Burgkapelle an Bedeutung verloren und sank zum Abstellraum herab.

Eine Restaurierung ab 1974 legte die noch erhaltenen Wandmalereien in der Apsis und im Gewölbe frei, die Christus als Weltenherrscher, das Lamm mit den  Evangelistensymbolen, christologische Szenen, die Kardinaltugenden u.a. darstellen.

In der über der romanischen Kapelle gelegenen Schatzkammer wurde 1979 ein Fresko, das die römischen Gottheiten Mars und Minerva darstellt, freigelegt.

Die Barock-Kapelle von Ottenstein

Vom inneren Burghof gelangt man ebenerdig durch ein Barockportal in die dem hl. Florian geweihte Burgkapelle, die 1680 im Auftrag des Grafen Leopold Joseph  von Lamberg von Maurermeister Georg Wolff aus Döllersheim an der Stelle eines mittelalterlichen Saales erbaut wurde. Der Kapellenraum ist ein rechteckiger, ganz  in weiß gehaltener spiegelgewölbter Saal mit sehr reicher Stuckdekoration des Stukkateurs Lorenzo Aliprandi.

Zentraler Mittelpunkt der Kapelle ist der Hochaltar mit Statuen der hl. Katharina, Joseph, Felix, Barbara, Florian (Patrozinium), Franz von Assisi und Antonius von  Padua. Das Altarbild vor dem Jahre 1911 stellte Tobias und den hl. Erzengel Michael dar. Das heutige Altarbild zeigt einen Mönch. 1970 wurde die Barockkapelle anläßlich des 300jährigen Bestandes der Windhag´schen  Stipendienstiftung gemeinsam mit der NEWAG (heute EVN) renoviert.

Abb. 417 Portal der Barock-Kapelle der Burg Ottenstein, 1984

Abb. 418 Altarbild vor 1911: Tobias und der Engel

Abb. 419 Das heutige Altarbild, 1984

Eine Besonderheit der Feste Ottenstein bildet das Oratorium oder Papstzimmer. Es ist ein Raum, in dem die Herrschaft am Gottesdienst teilnahm, ohne sich unter  das Volk mengen zu müssen. Der italienische Stukkateurmeister Maurizio Andora hat 1688 das Oratorium ringsum mit den al fresco gemalten Portraits der 241  Päpste von Petrus (+67) bis Innozenz XI. (+1689) geschmückt, die die Wände vom Fußboden bis hinauf zur Decke zieren. Die Fresken wurden erst 1876  wiederentdeckt - sie waren übertüncht worden und von den Ölbildern mit den Kardinalportraits verdeckt, die im 18. Jahrhundert an ihre Stelle gesetzt worden  waren. Auf Schloß Ottenstein befand sich bis 1940 eine großartige und überaus wertvolle Sammlung an Gemälden (insgesamt über 200 Ölbilder!),  Miniaturhandschriften, Kunstgegenständen in Metall, Glas, Keramik, Holz und Textil, eine riesige Waffensammlung usw. Fast alles wurde gestohlen, geraubt oder verkauft, fast nichts ist mehr vorhanden.

Abb. 420 Das Papstzimmer mit 241 Papstportraits, 1984

Renoviert wurde auch die barocke Brunnenkapelle westlich neben der Bundesstraße. Im Innern befand sich eine lebensgroße steinerne Christusfigur, aus  deren Wundmalen sich Wasser in eine Muschelschale aus Marmor ergoß. Die Kapelle hat heute ein Eternit-Schindeldach.

Abb. 421 Renovierte Statue des hl. Johannes von Nepomuk, aufgestellt gegenüber der Einfahrt zum Schloß, 1984

Abb. 422 Allee Schloß Ottenstein, 1995

Abb. 423 Gedächtniskapelle in Ottenstein: Den Opfern er Arbeit beim Bau der Kampkraftwerde, 1996

Ottenstein gehört heute zur Pfarre Rastenfeld. Von den ehemaligen Katholiken, die bis zur Zwangsaussiedelung in Ottenstein lebten, gibt es kaum Nachkommen, die  sich hier wieder angesiedelt hätten. Die Drescherhäuser sind alle weg. Ein Forsthaus steht noch, ebenso auf der Anhöhe hinter dem Schloß der monumentale  dreigeschossige Schüttkasten aus dem 17. Jahrhundert. Durch den Bau des Stauwerks Ottenstein in den Jahren 1954-1956 wurden nicht nur die alten  Strukturen, sondern auch das Landschaftsbild total verändert. Auf felsiger Anhöhe über dem Stausee mahnt eine kleine Kapelle an die Unglücksopfer beim Bau der  Kamptalkraftwerke. Sie ist ein schlichter Betonbau mit bemerkenswerten Glasfenstern von Robert Herfert (1957).

 

Klein-Motten
Die an der Straße Döllersheim-Franzen gelegene Ortschaft Klein-Motten, die zur Zeit der Entsiedelung aus 10 Häusern bestand, gehörte zur Gemeinde Heinreichs  und zur Pfarre Döllersheim. Durch den Ort floß ein kleiner Bach, die Höhen um das Dorf boten eine Fernsicht bis Zwettl.

Abb. 424 Gasthaus in Klein-Motten

Das Dorf (zu dem) Otten ist vermutlich eine Gründung des Otto von Ottenstein (um 1220) und scheint um 1380 auch in einer Urkunde Herzog Albrechts III. auf.  Das Landgericht hatte Ottenstein inne, die Ortsobrigkeit übte Waldreichs aus. 1415 wird der Ort im Zehentverzeichnis der Pfarre Alt-Pölla als Otten genannt. Im  Dreißigjährigen Krieg wurden alle Bewohner von den Schweden ermordet. Die Großeltern Adolf Hitlers, Johann Georg und Anna Maria Hiedler, lebten bis zu ihrem Tod in Klein-Motten Nr. 4.

Laut St. Pöltner Diözesanblatt  war Klein-Motten am Tag der Auflösung der Pfarre Döllersheim, am 30. September 1942, noch besiedelt. Die Betreuung der  Katholiken von Klein-Motten wurde 1942 der Pfarre Franzen übertragen.

Abb. 425 Das Marterl an der Straßengabelung Klein-Motten – Heinreichs, von Döllersheim aus gesehen, steht schon auf dem Gebiet der Windhagschen Stipendienstiftung, 1984

Abb. 426 Gehöft in Klein-Motten, Sterbehaus der Großmutter Hitlers

Abb. 427 Die Kapelle von Klein-Motten stand an der Straßengabelung DöllersheimHeinreichs. Sie wurde 1860 erbaut und hatte einen hölzernen Dachreiter mit spitzem Blechhelm im Süden.

Die Kapelle, ein Ziegelbau mit spitzbogiger Tür, je einem Fenster im Westen und Osten und einem hölzernen Dachreiter mit spitzem Blechhelm, wurde 1868 erbaut.  Heute (1996) ist die Lage der Kapellenruine noch eindeutig zu erkennen. Mauerreste sind bis zu 2m hoch, die Apsisseite im Nordosten der Kapelle ist noch  klar erkennbar. Von der Bundesstraße Nr. 38 geht ein Weg in den Wald hinein. Rechts an einem Baum findet sich ein Schild, gleich die erste Ruine rechts ist die Kapelle.

An der Straße nach Franzen stand ein kapellenartiger Bildstock mit drei Holzstatuen: Maria mit dem Jesuskind, Jesus als Knabe und als Schmerzensmann.

 

Strones
Das von drei Bächen durchflossene Breitstraßendorf Strones lag zwischen Döllersheim und Franzen und gehörte zur Gemeinde Heinreichs bzw. zur Pfarre  Döllersheim. Gehörte die Ortschaft ursprünglich zum freien Eigen der Herren von Ottenstein, so befand sich später in Strones ein Meierhof der Herrschaft Waldreichs.

Bereits 1170 erfolgte die erste urkundliche Nennung. In einer Urkunde des Otto von Ottenstein aus dem Jahre 1224 werden dessen Lehensritter Poppo und Konrad  von Straneis als Zeugen angeführt. 1271 erhält das Stift Zwettl Einkünfte in Straneis. 1665 zählte der Ort 110 Einwohner. 1816 wurde der Meierhof verkauft  und in zwei Bauernhäuser umgewandelt. Überregionale Bekanntheit erlangte Strones 1938 als Geburtsort des Vaters von Adolf Hitler, wodurch ihm jedoch nicht  das Schicksal der Aussiedelung erspart blieb. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Ort aus 39 Häusern. Nach dem Krieg wäre Strones kaum mehr besiedelungsfähig gewesen. Da ist nämlich gesprengt worden.  

Die Dorfkapelle von Strones, ein Ziegelbau mit je einem Rundbogenfenster an der West- und Ostseite, wurde 1830 erbaut. Wie in Klein-Motten besaß der Dachreiter  aus Holz einen spitzen Blechturm. Steine der Kapelle dürften laut Fritz Plasser beim Bau der Bundesstraße 38 verwendet worden sein.

Abb. 428 Das vermutliche Geburtshaus der Großmutter des Führers in Strones Nr. 26, Pfarre Döllersheim, war zeitweise eine NS-Wallfahrtsstätte. Heute findet man von diesem Haus kaum mehr  eine Ruine.

Abb. 429  Strones, Sommer 1938

Abb. 430 Nördlich von Strones steht dieses Marterl. Wer von Horn auf der Bundesstraße 38 kommt,  sieht es schon von weitem. Es ist ein fünfkantig gemauerter Bau mit je einer Nische im Süden und im Nordosten. Im August 1995 wollte ich das Marterl selbst renovieren – durfte jedoch nicht. 1984

Abb. 431 Strones: Kreuz aus Stahlrohren, nördlich neben der Bundesstraße 38. Der Sockel ist gemauert, die Inschrift unleserlich. 1984

Abb. 432 Dorfkapelle von Strones 1938

©Copyright Verein Information Waldviertel

... und über das Gebiet rund um Döllersheim:   www.allentsteig.at   www.walthers.at
 

Ortschaften von Döllersheim