Die Brünnlkapelle von Oberndorf
1888 wurde im Osten, gegenüber vom Aufgang zur Kirche jenseits des Baches, die Brünnlkapelle erbaut. Der ursprüngliche Holzaltar wurde im Jahre 1930 durch einen schönen Granitsteinaltar ersetzt. Dieser wurde vom Maurer Engelbert Schmid aus Steinberg entworfen und vom Steinmetzmeister Matthias Duspiwa aus Oberndorf Nr. 16 angefertigt. Franz Lehr, Gastwirtssohn aus Oberndorf Nr. 32, Jahrgang 1921, hat dem Steinmetzmeister als Kind mit 8 oder 9 Jahren bei der Arbeit zugeschaut. Betreut wurde die Kapelle von den Gasthausbesitzern.
In Margot Schindlers Buch "Wegmüssen" ist über das Brünnl zu lesen: "Ein weiterer Ort der Verehrung in Oberndorf war die Brünnlkapelle, welche 1888 errichtet worden war. Sie befand sich am Fuße des Kirchenberges unweit der Pfarrkirche. Das Wasser des Brünnls galt als hilfreich gegen Augenleiden. Zum Oberndorfer Brünnl ist eine Entstehungslegende überliefert: "Da ist so ein kleines Brünnl gewesen. Oben zur Kirche sind immer Wallfahrer gekommen. Nach der Messe sind sie immer hinunter in die Wiese und haben dort gejausnet und aus der Quelle Wasser getrunken. Das soll dem Besitzer des Grundes zuwider gewesen sein, weil die Wallfahrer immer seine Wiese ruiniert haben. Also hat er seine Notdurft in die Quelle verrichtet, damit man das Wasser nicht mehr trinken konnte. Daraufhin soll der Mann blind geworden sein. Und dann hat er ein Gelübde getan, wenn er wieder sehend wird, wolle er über dem Brünnl eine Kapelle errichten. Und so war es dann."
Abb. 238 Das Brünnl in Oberndorf, vor 1938. Sein Wasser galt als hilfreich bei Augenleiden.
Abb. 239 Der schöne Granitaltar mit der Brünnlstatue in der Kapelle, 1939/40. Diese Statue, die heute verschollen ist, war nie das Gnadenbild.
In der Kapelle stand ursprünglich ein hölzerner Altar, der etwa um 1930 durch einen aus Granit ersetzt worden war. Ein Steinmetz aus Oberndorf hatte ihn gefertigt. Im Tabernakel des Altars befand sich eine Marienstatue mit Jesukind. Der Altar wurde 1983 aus der desolaten Kapelle entfernt und im renovierten Dürnhof bei Zwettl neu aufgestellt. Oberndorfer Aussiedler berichten, daß das Brünnl selbst während der vergangenen 50 Jahre immer wieder besucht worden sei. Am Allerseelentag brannte dort immer ein Licht für die Verstorbenen. "Die Leute sind von weit hergekommen, um das Brünnlwasser zu holen. Das Wasser floß durch die Kapelle und unterhalb der Mauer hinaus. Als Kinder haben wir, wenn niemand da war, immer drinnen Steckerl hineingeworfen und sind dann rausgerannt, um zu sehen, wie sie herauskommen", so die Schilderung von Franz Lehr. Das Brünnl selber ist sehr alt.
Abb. 240 Eines der letzten Bilder vom bewohnten Oberndorf: Der LKW vor der Brünnlkapelle befördert das "bewegliche Eigentum" von Zwangsaussiedlern.
Abb. 241 Die Ruine der Brünnlkapelle in Oberndorf, 1987
Der letzte Aussiedler von Oberndorf
Auch die Brünnlkapelle war, des Daches beraubt, dem Verfall preisgegeben. Am 18. August 1983 führte mich der damalige Ortsvorsteher Josef Poinstingl aus Hörmanns durch seine alte Heimat Oberndorf - es war unser erstes persönliches Zusammentreffen. Ich fuhr über Ober-Plöttbach und Oberndorf nach Hörmanns. Als ich bei der Brünnlkapelle eine Baustelle sah, dachte ich, daß die Kapelle jetzt endlich renoviert würde. Unser erster Gang war deshalb auch in die Brünnlkapelle. Die Arbeiter der Bundesgebäudeverwaltung erschraken nicht wenig, als sie uns sahen. Sie spürten, daß sie etwas Unrechtes taten - sie zerlegten den Brünnlaltar mit einem Kompressor, die Deckplatte war bereits abgetragen. Josef Poinstingl wurde ganz blaß im Gesicht und sprach sehr wenig. Er schüttelte nur den Kopf, daß es so etwas gibt.
Abb. 242 Der Oberndorfer Brünnlaltar vor der Aussiedlung in den Dürnhof, die Deckplatte ist bereits entfernt, 1983
Eine Aussiedlerin, die leider schon verstorben ist, hätte 50.000,- Schilling für den Wiederaufbau der Brünnlkapelle gespendet, zwei weitere bereitwillige Spender leben noch. Doch alle meine Bitten zum Wiederaufbau der Kapellenruine des früher berühmten Brünnls wurden von den militärischen Kommandanten bisher abgewiesen, nicht einmal die Konservierung der Mauern wurde erlaubt.
Abb. 243 Besuch in der Brünnlkapelle am 23. November 1994: Genau an meinem 60. Geburtstag durfte ich Schüler(innen) der HAK Waidhofen/Thaya durch die Sakrallandschaft am Übungsplatz führen. Ihre Religionslehrerin Elisabeth Hetzendorfer geb. Lagler, war 1965-67 meine Schülerin an der Hauptschule Pöggstall.
Allerseelenfeier 1985
Eine große Freude für alle Beteiligten war die 1. Allerseelenfeier - 45 Jahre nach der Zwangsaussiedelung - am Sonntag, dem 3. November 1985, in Oberndorf. Das Totengedenken hielt Ehrendechant Ferdinand Kreutzer, der dem neuen Friedhofskreuz und dem gesamten Friedhof die kirchliche Segnung erteilte. Der NÖ Bauernbund, Ortsgruppe Groß-Globnitz, und die Feuerwehr sorgten für Vorbereitung und Durchführung der Feier, bei der ich die Ansprache halten durfte. Es kamen über eintausend Menschen, vorwiegend Aussiedler bzw. deren Ehepartner oder Nachkommen. Mit Ausnahme von 1986 und 1987 darf seit der zweiten Allerseelenfeier (am Sonntag, 29. Oktober 1989) jährlich ein Totengedenken stattfinden.
Abb. 244 Ehrendechant Ferdinand Kreutzer (rechts) und Pfarrer Johannes Müllner, 3. November 1985
Abb. 245 Besucher der ersten Allerseelenfeier mit Requiem in Oberndorf am 3. November 1985, darunter Johanna Kreutzer (sitzend, mit Brille), die am 3. Juli 1931 Primizbraut gewesen war.
Im Gedenkjahr "50 Jahre nach dem Beginn der zwangsweisen Aussiedlung" konnte am Sonntag, dem 12. Juni 1988, um 10 Uhr - wie auch zur gleichen Zeit in Edelbach, Groß-Poppen und Döllersheim - eine hl. Messe gefeiert werden, wieder mit Dechant Kreutzer und mit dem eigentlich zuständigen Pfarrer Winkler von Groß-Globnitz und Echsenbach.
Abb. 246 Erste Allerseelenfeier mit Requiem in Oberndorf am 3. November 1985 mit Weihe des neuen Friedhofkreuzes und des Friedhofs durch Ehrendechant Fedinand Kreutzer und Pfarrer Johannes Müllner
Verblassende Ruinen
Ortsschilder ohne Orte, ohne Bevölkerung. (...) Wir besuchen die Stelle, an der vor fünfzig Jahren Oberndorf stand. Geblieben sind Ruinen und ein paar verkümmerte Obstbäume. Der Friedhof ist von hohem Gras und Büschen überwachsen. Hinten lehnt ein rostiges Eisenkreuz, der Gekreuzigte ist heruntergefallen. Auf den Mauerresten des einstigen Kirchenschiffs wachsen drei kleine Fichten. Im Altarraum kann man blasse Farbreste von Fresken sehen: Vor einigen Jahren war hier ein Frauengesicht zu erkennen, nun ist auch das verschwunden.
Peter Krobath, Das gesperrte Land, in: Tages Anzeiger, Magazin Nr. 28, 16. Juli 1988, S. 30
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