Was?
In Groß Poppen gab es auch ein Schloß? Oberndorf ein Wallfahrtsort? - das höre ich zum ersten Mal. Oder noch ärger: Dort wurden Dörfer entsiedelt? Solche und ähnliche Aussagen von Leuten, die nicht einmal 10 km entfernt vom heutigen Übungsplatz wohnen, gaben uns zu erkennen, daß hier riesiger Aufklärungsbedarf besteht. Wir wollten schon lange dem schwindenden Wissen bzw. der bewußten Verbildung und Verwässerung über das riesige Gebiet des heutigen Übungsplatzes entgegentreten.

So fiel uns Ende der 80er Jahre das hochinteressante Skriptum von Pfarrer Johannes Müllner in die Hände - die erste Auflage dieses Buches. Den Inhalt fanden wir ausgezeichnet  recherchiert und umfangreich mit vielen Hintergründen dargestellt. Wir wußten, daß dies die beste Dokumentation über das entsiedelte Gebiet bis in die 80er Jahre ist, nur - Pfarrer Müllner möge uns das verzeihen -  der Inhalt war etwas schwer zugänglich. Durch das Kopierverfahren waren viele Fotos nicht gut erkennbar, zudem war dem Werk abzulesen, daß es in mehreren Jahren auf Raten entstanden ist.

Im Sommer 1993 vereinbarten wir mit Herrn Pfarrer Müllner die Überarbeitung seines Werks mit dem Computer und die Herausgabe in Buchform. Sehr einfach hatten wir uns das damals  vorgestellt: Abschreiben, Fotos einlesen und fertig.

Dann aber gewann das Projekt gewaltig an Dynamik. Wir unterschätzten den technischen Aufwand und waren alsbald gezwungen, die Computergeneration zu wechseln. Das vorliegende Buch  entspricht am Computer über 800 Megabyte Speicherplatz, obwohl nur schwarz-weiß-Bilder gespeichert sind. Das Manövrieren in einem so umfangreichen Dokument gestaltete sich dementsprechend zeitaufwendig.

Auch von Seiten des Herrn Pfarrer - teilweise wurde sein Forscherdrang durch die Neuauflage wieder motiviert, teilweise gab es neue Erkenntnisse, die unbedingt eingearbeitet werden  sollten - kamen im Laufe der Zeit wiederholt hochinteressante Ergänzungen und Umarbeitungen. Der Text mußte in das bestehende Werk passend integriert werden, ohne daß es Wiederholungen gibt. Manche Passage mußte bis  zu fünfmal überarbeitet und ergänzt werden. Und so wuchs und wuchs das Projekt und wir glaubten kein Ende mehr zu finden. Durch die Briefe und die oft sehr ausführlichen persönlichen Gespräche mit Pfarrer Müllner  sind wir selbst in das Thema so hineingewachsen, daß auch wir begannen, nach zusätzlichen Fotoquellen, nach Literaturstellen und Ergänzungen in Bibliotheken und Privatsammlungen zu suchen, um an manchen Stellen den  Hintergrund für den unbedarften Leser etwas zu erhellen und in Absprache mit dem Autor noch Ergänzungen hinzuzufügen.

Alle Bilder wurden so gut wie möglich gereinigt und auf elektronischem Wege von Rissen und ähnlichen Schäden befreit. Mit dem Einsatz aktueller Technik konnten wir auch manche  Fotos erst richtig sichtbar machen. Zum Beispiel ist die Abbildung 185 - Hochzeit in Oberndorf - im Original sehr verblaßt und fast nicht mehr erkennbar. Jedes Foto mußte mehrmals in die Hand genommen werden, jede  Textstelle mehrmals gelesen werden, um sie an den richtigen Ort zu bringen. Weit mehr als dreitausend Papierseiten wurden nur für Korrekturausdrucke produziert.

In den 4 Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Thema kam es aber auch vor, daß wir manchmal frustriert waren. Über so lange Zeit immer nur mit Zerstörung konfrontiert zu sein,  kann sich einem schon auf die Psyche schlagen. Und wie sieht´s mit dem effektiven Zeitaufwand aus? Eine ungefähre Berechnung ergibt, daß eine Person mit einer 40-Stunden-Woche über zweieinhalb Jahre beschäftigt  gewesen wäre. Als voll Berufstätige haben wir in diesen 4 Jahren einen Gutteil unserer Freizeit der Entweihten Heimat gewidmet - Abendstunden bis gegen Mitternacht, Wochenenden, Urlaubstage.

Auch Pfarrer Müllner war mit höchstem Einsatz dabei: er hat wohl manche Nacht in das Buch investiert. Seine nette Angewohnheit - man könnte auch sagen, sein Drang - zur minutiösen  Dukumentation zeigt sich auch beim internen Schriftverkehr. Auf den retournierten Korrekturkapiteln fanden wir des öfteren Eintragungen wie Entscheidung um 2 Uhr 32: Wir schreiben das so und so... oder Korrektur am  17. 3. um 5 Uhr 15, vor dem Gang in die Frühmesse...

Pfarrer Müllner nannte uns in seinen Briefen oft meine fleißigen Eichhörnchen ... Auch wir schätzen unseren Herrn Pfarrer sehr, denn er mußte bisweilen einigen Druck aushalten -  etwa wenn wir wieder einige Zeit verstreichen haben lassen, bis das nächste Kapitel zur Korrektur für ihn fertig war, oder unter dem Aspekt, daß ihn einige uniformierte Freunde besuchten, die ihm erklärten, wie er  manche Texte zu formulieren hätte...

Ende 1995 gab es eine Phase, da ein Ende unserer Arbeit absehbar erschien. Dann aber kam der - für die entweihte Heimat überaus zum Nachdenken anregende - Gräberfund von Lambach  mit zahlreichen Stellungnahmen, woraus sich im Waldviertel eine öffentliche Diskussion über Groß-Poppen, Vertreibung oder Aussiedelung, ORF-Beiträge, neue Forderungen der Aussiedler und in der Folge auch neue  Erkenntnisse ergaben. Und das Ende rückte wieder in weitere Ferne.

Dafür kann jetzt aber das umfassendste Werk über die Sakralbauten des Entsiedelungsgebietes mit Beleuchtung der Hintergründe und Zusammenhänge inklusive Diskussion und  Entscheidungen bis zur Jahrtausendwende präsentiert werden. Wir hoffen, daß damit auch ein Buch gelungen ist, welches dieses schwierige und kontroversielle Thema gut zugänglich macht. Für weitere Vertiefungen in das  Thema soll das ausführliche Literatur- und Medienverzeichnis eine Richtschnur bieten.

Gibt es irgend eine Rechtfertigung für die mutwillige Zerstörung von Kulturgut, insbesondere der aus dem Glauben und zur Ehre Gottes errichteten Bauwerke?

Susanne und Robert Berger, Anita und Helmut Pfeiffer

 

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