Gedenkstätte Landschaftsmesser am Allentsteiger Stadtsee

Niemand kann ein Trauma vergessen,
manche können vielleicht Leid vergeben.
Zwischen 1938 und 1941 wurde im Herzen
des Waldviertels eine Untat gesetzt:
Das Trauma heißt Entwurzelung,
das Leid heißt Wegmüssen.
Gerechtigkeit? Entschädigung? Trauma! Leid!
Vergessen ist den Nachgeborenen untersagt!

Liese Prokop, Landeshauptmann-Stellvertreterin von Niederösterreich, in: Valie Export,  Erinnerungsstätte Allensteig. Eine Dokumentation von Rudi Palla (Medienkombination). Hg.: Amt der NÖ Landesregierung, Abt. Kultur und Wissenschaft (Wien: Triton Verlag 1999) 72 Seiten mit CD-Beigabe, S. 13

Am 28. August 1999 wurde an der Seepromenade in Allentsteig die Erinnerungsstätte Landschaftsmesser von Valie Export feierlich enthüllt.

Gnadenloser Geschichts-Schnitt

Einweihung der Erinnerungsstätte Allentsteig von Valie Export

Allentsteig/NÖ – Auf der Niederösterreich-Landkarte fällt eine schraffierte Fläche auf, die außer diesen Kennungsstreifen über keine Ortsbezeichnungen verfügt. Das  190 Quadratkilometer große Niemandsland dient als Truppenübungsplatz des österreichischen Bundesheeres. Seit 1957. Die Rechtssituation hat Österreich aus  der Nazizeit übernommen: Damals robbten und schossen Soldaten der Deutschen Wehrmacht im Gelände und übten Krieg. Von 1938 bis 1942 wurden vierzig Dörfer,  rund 1500 Familien übersiedelt. Dieser Zwangsaussiedlung gedenkt man nun mit einem Mahnmal, vom Land Niederösterreich in einem geladenen Wettbewerb  ausgeschrieben. Valie Exports realisierter Entwurf wird heute, Samstag, um 16 Uhr am Ufer des Allentsteiger Stadtsees offiziell eingeweiht, zusätzlich mit einer  Musikperformance von Konrad Rennert. Das Seeufer ist für mich mein Landschaftsmesser, das den Schnitt, den Einschnitt in das Leben, in die Existenz  der Vertriebenen darstellen soll, so die Künstlerin über das Projekt. Gemeindevertreter von Allentsteig hatten übrigens den Anstoß zur Gedenkstätte  gegeben, vielleicht auch um generell mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Denn in diesem Ort, vor 1938 eine beliebte Sommerfrische, wird sich das Schicksal künftig  eventuell auch noch wenden. Falls Österreichs Neutralität fällt, fallen in hörbarer Nähe die Übungsschüsse von Nato-Soldaten.

Der Standard, Kultur, Samstag/Sonntag, 28./29. August 1999, S 16.

Programm zur Enthüllung der Erinnerungsstätte Landschaftsmesser
Erinnerungsstätte Allentsteig von VALIE EXPORT

16.00 Uhr    Einladung zur Erstbegehung am Samstag, den 28. August 1999,
um 16.00 Uhr an der Seepromenade des Allentsteiger Stadtsees.

Begrüßung Ing. Franz Bendinger, Bürgermeister, i.V. des Herrn Bezirkshauptmannes
Einführung Dr. Robert Streibel, Historiker
Statement Dr. Brigitte Huck, Kunstkuratorin
Eröffnung Karl Honeder, Abg. zum NÖ Landtag, i.V. des Herrn Landeshauptmannes
Segnung Stadtpfarrer Geistlicher Rat Josef Nowak
Musikperformance Uraufführung...And Bid His Ears a Little While be Deaf... von Konrad Rennert
Ausführende Renald Deppe, Anna Hauf, Boris Sinclair Hauf, Konrad Rennert, Burkhard Stangl
Technik Josef Reiter
19.00 Uhr  Filmvorführung Erinnerungen an ein verlorenes Land von Manfred Neuwirth

niederösterreich kultur, Kunst im öffentlichen Raum, Einladungskarte zur Erstbegehung der Erinnerungsstätte Landschaftsmesser von Valie Export an der Seepromenade des Allentsteiger  Stadtsees, Sommer 1999

(Anmerkung: Bei der Eröffnung wurde das Programm sehr gestrafft und der Film im Freien nicht  mehr gezeigt, da ein Riesengewitter die Harmonie - die Feier störte - so gesehen war vielleicht auch das Wetter ganz gut zum Thema passend)

 

Allentsteig: Zur Erinnerung

Rede von Robert Streibel zur Eröffnung des Denkmals von Valie Export in Allentsteig zur Erinnerung an die zwangsweise Aussiedlung der Region in den  Jahren 1938 bis 1941, gehalten am 28. August 1999 in Allentsteig

Für uns wird gesorgt und manchmal wird es uns besorgt. Die Maschine Politik läuft unermüdlich, auf  Hochtouren, auf dem Stand und so scheint das Leben eine Wiederholung des immer Gleichen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie auf diesen Stillstand der Politik reagiert werden kann. Eine  davon ist der Weg zurück zum Ganzen, zur Einheit, begangen mit den Krücken der Mythologie, dieser Weg ist fatal und für viele letal, heißt das Ziel nun der arische Mensch oder das Amselfeld.

Wenn es angebracht ist, die Richtung der Entwicklung zu verschleiern und das Rückwärts als  Vorwärts deklariert werden soll, wenn Feinde gesucht und Abrechnungen geschrieben werden, dann genügt nicht mehr nur der Rechenstift. Die Zeit der Geschichtsmythen in Büchern und Reden ist  dann vorbei. Wenn der nationale Schlußstrich gezogen wird, dann wird das Schwert benötigt, ein klarer Schnitt, eine Operation am Volksganzen muß vorgenommen werden, ein tiefer Schnitt. Heute  wie gestern und nichts hat sich geändert, sieht man vom Motorisierungsgrad der Flüchtlingstrecks ab. Mit den Verlierern wird Politik gemacht und das Berührungs- und Denkverbot hält Jahre und  Jahrzehnte, links und rechts und immer gibt es Verteidiger und Beschöniger: für die Vertreibung der Wolgadeutschen in der Sowjetunion der dreißiger Jahre, der zwangsweisen Umsiedlung der  Deutsch-Balten, der Gottscheer, für die Vertreibung der Sudetendeutschen, der Donauschwaben, der Schlesier nach 1945. Die Geschichten der Vertreibungen werden meist von jenen geschrieben,  die mit den Opfern Politik machen wollen, die mit diesen Verbrechen andere Greuel in den Schatten stellen wollen. Nach dem Schwert ist wieder der Rechenstift gefragt.

Die Geschichte der Vertreibung ist bis heute weitgehend eine Domäne der Politik. Historiker haben  sich kaum damit beschäftigt, auch nicht seit der Öffnung der Archive im Osten, ebensowenig wie etwa mit der Massenvergewaltigung durch sowjetische Soldaten nach dem Krieg. Es fällt den  Deutschen offenbar schwer, Deutsche im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer wahrzunehmen - wie es auch den Polen (und Tschechen) schwerfällt,  sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, daß ihre Landsleute durch die Grausamkeiten bei der Vertreibung nach 1945 von Opfern zu Tätern wurden, konstatiert der englische Historiker Norman  Naimark. Die Berührungsverbote wirken lächerlich angesichts des Leids, das unteilbar, menschlich eben und durch nichts zu entschuldigen ist.

Für uns wird gesorgt, die Maschine Politik läuft und ohne Erbarmen sorgt die Politik für neuen Stoff  für die Zeitgeschichte, und kümmert sich nicht darum, daß wir die alten Verbrechen noch nicht dokumentiert haben, Wir hinken der Geschichte hinterher und ein halbes Jahrhundert ist wie nichts,  ein Augenzwinkern und nichts hat sich verändert: Die Häuser sind bestenfalls verfallen, zerschossen, überwachsen, im schlechtesten Fall haben es sich Erben gemütlich darin gemacht.  Der Schnitt ist so tief, denn niemals mehr wird das Bellen des Hundes vor dem Tor, der Geruch des Wohnhauses, das polierte Stiegengeländer, der Apfelbaum im Vorgarten, die klappernden Fliesen im  Gang ohne Tränen erinnert werden können. Die Stätte, die du für immer verläßt, wird dir darum tausendmal lieb. Du bist mit jedem Fleck verwoben, du hörst Geheimnisse in den Ecken, du  flüsterst Geheimnisse zurück, die Ecke stirbt ein wenig, weil du ziehst, und du stirbst ein wenig mit der Ecke, schreibt Veza Canetti in ihrem Roman Die Schildkröten. Der Schnitt trennt, für immer  und ewig. Die Heimat ist zerteilt, zerschnitten zwischen Erinnern und Vergessen. Jeder Gedanke daran ist ein Gang auf des Messers Schneide und schmerzt.

Nicht nur dieser Gang ist gefährlich und wird [...] von Menschen begangen. Auch die Maschine  Politik läuft nicht von alleine. Für die Bedienung dieser Maschine werden Menschen benötigt, noch immer und noch immer können Reflexe mit dieser Maschine bedient werden. Ohne Reflexe gibt es  für manche keine Politik. Doch die Feindbilder werden rar, nachdem die Juden nicht mehr ungefragt eingesetzt werden können in die Gleichung, eine Variable, die immer gepaßt und zum richtigen  Ergebnis geführt hat, sind viele Zwischenlösungen versucht worden und werden erprobt, internationale Platzhalter wie die Iraker, die Serben. Wer im Lande bleiben will, der fordert eben  Keine Gnade für Drogendealer. Mit dieser Maschine Politik müssen Feinde geschaffen werden. Es heißt nicht umsonst, er wird geschnitten, gemieden, eine Vorform, ein erster Beginn, der  Ausgrenzung, bevor der strenge, scharfe Schnitt erfolgt. Nicht jeder, der geschnitten wird, wird auch vertrieben, aber alle die vertrieben wurden, wurden geschnitten und viele werden vergessen.  Manchmal wundern wir uns vielleicht, wie italienisch die Küste Istriens aussieht und vergessen, daß die Häuser von Menschen gebaut und bewohnt wurden.

Nach mehr als 50 Jahren sind die Schnitte nicht nur in unserem Land noch nicht verheilt. Es gibt  Wunden, die können nicht verheilen und da hilft auch das Pflaster der Beschönigung und der Verband des Reden wir nicht mehr darüber nichts. Nach dem Schnitt ist jeder Schlußstrich nur ein  schwacher Versuch des Vergessens. Vor der Brutalität dieses Messers müssen wir zittern, denn es scheint keinen Ausweg zu geben, wenn es auch hier im Boden steckt, heißt das nicht, daß es dort  bleiben wird und schnell schwebt es wieder über uns. Was sind schon einige hundert Kilometer in der Geographie des Schreckens. Dieses Messer, das teilt, trennt und verletzt hat eine unbändige  Kraft, die scheinbar durch nichts aufgehalten werden kann. Bevor wir uns noch fragen, ob wir verdammt sind, dies fatalistisch hinzunehmen, ist es auch schon wieder passiert. Und wir hören die  Namen von Orten so oft als wären es Nachbarorte und wissen doch nicht, wo sie sich befinden.

Nicht überall, wo das Messer wütet, wird ein Nationalpark errichtet und gepflegt wie hier. Wo nur  Panzer fahren und schießen dürfen, freuen sich die Frösche, Vögel und Insekten, gedeiht die Natur: eine böse Ironie. Weil die Vertreibung hier einsetzte, bevor die Politik des Messers zur mörderischen  Praxis wurde, weil es hier ein Beginn war, und das Vorher mit der Scheinlegalität mit dem Nachher des systematischen Mordens anscheinend nichts zu tun hat, hat sich dieser Nationalpark  Allentsteig erhalten. Besser wäre es, von einer europäischen Wunde zu sprechen, mit Gesetzen umsorgt und verarztet und so schien der Tod, die Zerstörung aller Hoffnungen auf eine  Rückerstattung des Landes 1957 an die zwangsweise Ausgesiedelten als unausweichliche Entwicklung. Nach dem Messer kommen die Sachzwänge und dann glauben wir fast unsere Lügen.  So schön die Fauna und Flora hier auch gedeihen mag, die Menschen haben hier keinen Platz mehr, Leben ist anderswo in diesen 42 Gemeinden, Streusiedlungen und Mühlen. Wahrlich ein  europäischer Nationalpark, der Vergangenheit und leider auch der Gegenwart: Das Messer hat hier nur Station gemacht.

Zitiert nach der Internetseite http://gfpa.uibk.ac.at/akt/inf/art/6203.htm (Juni/Juli 2001)

Valie Export gestaltete Aussiedlerdenkmal in Allentsteig

Sie war Medienkünstlerin der ersten Stunde, sie war für Skandale – Stichwort: Tastkino – gut, sie ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen Österreichs. Und jetzt hat sie  erstmals für Niederösterreich eine Installation geschaffen. Valie Export, 1940 in Linz geborene Künstlerin, hat an der Seepromenade von Allentsteig eine Erinnerungsstätte geschaffen. Thema der  Installation ist die Aussiedler-Katastrophe des Jahres 1938, als die Nazis die Bewohner von 50 Ortschaften aussiedelten, um Europas größten Truppenübungsplatz zu errichten. Ein Unrecht, um dessen  Prolongierung sich die Zweite Republik große Verdienste erworben hat. Das Denkmal besteht aus einer sechs Meter breiten und vier Meter hohen Nirosta- Skulptur in Form einer Messerschneide und  ragt von der Promenade zum Teil ins Wasser. mir war die Verbindung aller Elemente sehr wichtig, sagt die Export. Die Grundaussage des Denkmals: Ich  wollte darstellen, mit welch einschneidender Schärfe politische Systeme mit den Menschen umgehen: Meine Messerskulptur zerschneidet die Landschaft, ein  Hinweis auf die Verletzlichkeit der Menschen, der Zivilisation, der Kultur. Die Skulptur, die durch Wind und Wasser auch zum Klingen gebracht werden kann, wurde am 28. August 1999 erstmals vorgestellt.

Thomas Jorda, Valie export gestaltete Aussiedlerdenkmal in Allentsteig, in: NÖN Zwettler Zeitung, 1. September 1999, zitiert nach: Das Waldviertel 48 (1999/4), S. 414

 

Mit dem `Landschaftsmesser´ an die Verletzbarkeit erinnern

Nüchtern und doch auffällig und ungewöhnlich, mit silberglänzendem spiegelndem Schutzumschlag, außer am Buchrücken und der in der Rückseite eingelegten CD  ohne jede Beschriftung, präsentiert sich die Begleitbroschüre zu der kürzlich eröffneten Erinnerungsstätte Allensteig.

Die Initiative, ein Mahnmal zum Gedenken an die zwangsweise Aussiedlung der Bewohner der Region Allensteig zwischen 1938 und 1941 zu errichten, ging von der  Stadtgemeinde Allensteig aus. In der Folge schrieb die Abteilung Kultur und Wissenschaft der NÖ Landesregierung einen Wettbewerb zur Gestaltung aus. Valie  Export beschreibt ihr Siegerprojekt Landschaftsmesser, das an der Allensteiger Seepromenade realisiert wurde: Die Skulptur besteht aus einer Messerschneide,  einer Glasstele und der Bodenbeleuchtung. Die Messerfläche, die in der Erde steckt, gleitet in den See, in das Wasser, der Metallspiegel bricht sich an der  Oberfläche. Das Messer soll nicht mehr verletzen, jedoch durch seine scharfe Kante auf die Verletzbarkeit des Menschen, der Zivilisation, der kulturellen Vorgänge und  der Natur hinweisen, an die Verletzbarkeit erinnern. (...) In die Glasstele sind die Namen der abgesiedelten Dörfer, Weiler, Gehöfte und Mühlen eingeätzt. Durch die  Transparenz des Glases wird die Umgebung miteinbezogen. Rudi Palla erinnert in seinem Beitrag an die Umstände der Entstehung des Truppenübungsplatzes, aber  auch an den unrühmlichen Umgang mit diesem NS-Erbe in der Zweiten Republik. Die Politiker wählten die gewiß einfachste, aber bei weitem nicht intelligenteste  Lösung: der Truppenübungsplatz blieb Truppenübungsplatz. Ein Prolog zur Broschüre problematisiert landläufige Formen des Gedenkens an NS-Zeit und  Krieg. In der Regel sind es Kriegerdenkmäler, die an die Gefallenen und Vermißten des Krieges erinnern: aber meist nicht als Opfer eines sinn- und aussichtslosen  Eroberungskrieges (wie der Zweite Weltkrieg in der österreichischen Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 bezeichnet wurde), sondern als  ‚Helden, die ihre ‚Vaterlandspflicht erfüllten und ‚deren Blut für Heimaterde floß (so eine Denkmalinschrift). Seit einiger Zeit bemüht sich die Kulturabteilung der  Niederösterreichischen Landesregierung, diesen pathetischen und frostigen Ehrfurchtsunternehmen von gestern Kunstobjekte im öffentlichen Raum  entgegenzusetzen, die an die schmerzhafte Geschichte erinnern. Beispiele dafür sind das Denkmal für die vertriebenen und ermordeten Kremser Juden am jüdischen  Friedhof in Krems oder das Friedensdenkmal in Erlauf. Vorzeigeobjekte wie diese zeigen das Bemühen der Landesbehörden, Bewußtsein für eine neue Gedenkkultur  zu schaffen und auch den fatalen Eindruck, den Österreich in seinem Umgang mit der Vergangenheit international macht, zu verbessern (die vorliegende Broschüre ist  zweisprachig – deutsch/englisch). Für die von der Aussiedlung persönlich Betroffenen wie für heutige Anrainer des TÜPL ist freilich eine noch so  ambitionierte und international beachtete Gedenkstätte ein schwacher Trost, solange das in der NS-Zeit mit Gewalt und ohne Rücksicht auf die vitalen Interessen  der Region geschaffene Sperrgebiet – von vielen verächtlich als das Loch im Waldviertel bezeichnet – in dieser Form fortbesteht.

Franz Pötscher, Rezension von: Valie Export, Erinnerungsstätte Allensteig. Eine Dokumentation von  Rudi Palla (Medienkombination). Hg.: Amt der NÖ Landesregierung, Abt. Kultur und Wissenschaft (Wien: Triton Verlag 1999) 72 Seiten mit CD-Beigabe, in: Das Waldviertel, 4/1999, S. 456-457

 

Musik für die Erinnerungsstätte Allentsteig

Zum Programm der Enthüllung der Erinnerungsstätte Landschaftsmesser gehörte die Uraufführung des Werks ... And Bid His Ears a Little While be Deaf ... – Musik für die Erinnerungsstätte Allentsteig von Konrad Rennert.

Das Werk wurde für eine variable Aufführung mit Live-Musikern (und/oder Tonband) komponiert und setzt sich mit >unerhörten< – und dennoch fast alltäglichen – Geschehnissen auseinander.

Der Komponist Konrad Rennert wurde 1958 in New York geboren und kehrte 1974 mit seiner Familie nach Österreich. 1998 wurde er mit dem Förderungspreis der Stadt Wien für Komposition ausgezeichnet.

In der Dokumentation von Rudi Palla schreibt Konrad Rennert zu seinem Werk:

Von fruchtlosem Widerstand über die Ergebenheit gegenüber Höherer Gewalt bis zu resignativem  Schönreden reicht die breite Palette ohnmächtiger Reaktionen auf vorgesetzte Ereignisse: ohnmächtig, weil die Vorgaben fixierte sind, nicht verhandelbar – höchstens vielleicht – mit großer  Phantasie – interpretierbar in einem Sinne, der den Protagonisten wenigstens noch eine Illusion von Würde und Selbstbestimmtheit läßt. Aus solcher Utopie auszubrechen in eine gewaltlosere  Wirklichkeit kann womöglich nur im Rahmen eines Sandkastenspiels einer musikalischen Komposition gelingen. Ein kompositorisches Statement depressiver Trauer der zum Spielball  erkorenen Protagonisten, welche mit aggressivem Zorn – aber auch beißender Ironie – aus dem ihnen auferlegten Korsett auszubrechen suchen, um dann doch in der dröhnenden Realität zu  erwachen, zu versinken: Der Truppentransporter als Symbol, aber gleichzeitig auch als bitteres musikalisches Grundmotiv, als erschreckender Ausgangs- und Mündungspunkt von Geschehnissen  in einer von Ausweglosigkeiten bestimmten Welt.

Konrad Rennert, ... And Bid His Ears a Little While be Deaf ..., in: Valie Export, Erinnerungsstätte  Allensteig. Eine Dokumentation von Rudi Palla (Medienkombination). Hg.: Amt der NÖ Landesregierung, Abt. Kultur und Wissenschaft (Wien: Triton Verlag 1999) 72 Seiten mit CD-Beigabe, S. 67

 

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