Ausländische Militärs in der entweihten Heimat
Immer wieder waren und sind auf dem Truppenübungsplatz im Waldviertel ausländische Truppen zu Gast. Nach außen hin wird dies mit Interesse an gemeinsamer Erprobung und Tests begründet.
Dieser nordwestlich von Wien gelegene Truppenübungsplatz ermöglicht es, die geplanten Einsätze praktisch ohne Auflagen unter realistischen Bedingungen durchzuführen. Die Vorteile des Übungsgeländes überwiegen den Nachteil des Aufwandes für Material und Personentransporte nach Österreich bei weitem.
Presseaussendung des Eidgenössischen Militärdepartements, 9. November 1995
Plattform SOS Waldviertel
Die Diskussion über einen allfälligen NATO-Beitritt Österreichs löste im Waldviertel Befürchtungen über eine weitere massive Zunahme von Schießübungen oder internationaler Waffenerprobung aus. Genährt wurden diese Sorgen u.a. durch die Tatsache, daß erstmals nach 60 Jahren Hundepatrouillen das Sperrgebiet kontrollieren.
Aufgrund der Zuspitzung verschiedener Probleme (Lärmbelästigung, Verkehrsbehinderung etc.) und der Unnachgiebigkeit des Militärs entstanden 1996/97 die Bürgerinitiativen ARGE Bürger für Allentsteig und Plattform SOS Waldviertel. Bewohnerinnenund Bewohner von Gemeinden rund um das entsiedelte Gebiet, aber auch Interessent(inn)en aus dem übrigen Waldviertel schlossen sich in dieser Bürgerinitiative zusammen, um anläßlich des 60-jährigen Bestandes des Truppenübungsplatzes und der aktuellen NATO-Beitrittsdiskussion die Situation der Region rund um den Tüpl zu diskutieren und neu zu überdenken.
Wird das Waldviertel ein Militärviertel?
In einem Folder der unabhängigen und überparteilichen Plattform SOS Waldviertel vom Frühjahr 1998 heißt es:
Wir fordern:
Wir wollen nicht:
Abschaffung des Bundesheeres.
Auflassung des TÜPL Allentsteig.
Was soll in Zukunft geschehen?
Ziel der Plattform ist es, aus Anlass des 60-jährigen Bestandes des Truppenübungsplatzes und der aktuellen NATO-Beitrittsdiskusion die Situation der Region um den TÜPL zu diskutieren und neu zu überdenken.
Dadurch soll den betroffenen Bewohnern der Umlandgemeinden wieder Hoffnung und Mut für neue zukunftsorientierte Projekte in ihrer Heimat gegeben, aber auch überregional auf die Thematik aufmerksam gemacht und die Gefahren und Auswirkungen eines NATO-Beitritts Österreichs für das gesamte Waldviertel diskutiert werden.
Trifft die derzeitige Übungstätigkeit des österreichischen Bundesheeres vor allem die Tüpl-Randgemeinden, so würde eine Übungstätigkeit von NATO-Truppen sicherlich das gesamte Waldviertel negativ beeinflussen und vor allem zahlreiche Bemühungen der Gemeinden zur Verbesserung der Lebensqualität ihrer Bewohner um einen sanften Tourismus mit einem Schlag zunichte machen!
Es ergeht daher an alle WaldviertlerInnen, die ihre Heimat lieben und schätzen und unter gleichen Bedingungen wie alle übrigen ÖsterreicherInnen leben wollen, die Einladung, unsere Forderung zu unterstützen und bei jeder Gelegenheit an die Entscheidungsträger in Bund, Land und Gemeinde heranzutragen!
Plattform SOS Waldviertel, Wird das Waldviertel ein Militärviertel?, Folder der unabhängigen und überparteilichen Plattform SOS Waldviertel, Sommer 1998
Die Interessen der kleinen Leute mit Füßen getreten
Seid wachsam...!
Sowohl für Mauthausen als auch für das Waldviertel ist der 8. August 1938 ein entscheidendes Datum: in Mauthausen begann die Errichtung des KZ, im Herzen des Waldviertels fand das erste Scharfschießen der Deutschen Wehrmacht statt.
Zum 60. Jahrestag dieses Ereignisses fand am vergangenen Samstag in Franzen, einem der 42 von der Aussiedelung betroffenen Ortschaften, ein Gedenkgottesdienst statt. Der Abt des Stiftes Geras, Prälat Univ.-Prof. DDr. Joachim Angerer, erinnerte in seiner Predigt daran, daß Christen zu verzeihen und zu vergeben hätten, daß jedoch Friede nur auf Gerechtigkeit basieren könne. Ausgehend vom Evangelium und in Anspielung auf Sorgen um die Zukunft der Region um das entsiedelte und noch heute als Schießplatz fungierende Gebiet rief Abt Angerer die rund 130 Besucher des Gottesdienstes auf, wachsam zu sein für ihre wunderschöne Waldviertler Landschaft, denn das 3. Reich sei noch immer nicht bewältigt.
Daß die Causa Übungsplatz Döllersheim-Allentsteig noch immer ein brisantes Thema ist, beweist auch die Tatsache, daß dieser ursprünglich in Döllersheim geplante Gedenkgottesdienst und Gedenkakt aufgrund der Stellungnahmen der militärischen Dienststellen dort nicht stattfinden durfte. Es bestand die Befürchtung, daß dort nicht die Interessen der Republik Österreich vertreten würden – an jenem Ort, der Symbol dafür ist, wie die Republik Österreich die Interessen der kleinen Leute (Wiederbesiedlung, Entschädigung) mit Füßen getreten hat.
Im Anschluß an den Gottesdienst, zu dem die Plattform SOS Waldviertel geladen hatte, wurden im Rahmen eines Gedenkakts vor der Kirche in einem historischen Überblick die Zeit der Aussiedelung, Pläne der Wiederbesiedelung sowie das Unrecht der nicht (bzw. 1995 bestenfalls symbolisch) erfolgten Entschädigung der Betroffenen bis herauf zur Zerstörung von Sakralbauten beleuchtet. 1946 wurde die Wiederbesiedlung durch die Rote Armee gestoppt, 1956 wurde möglicherweise im Licht der Ungarnkrise die weitere Nutzung des Gebiets als Schießplatz festgelegt. Die Frage, die sich uns heute stellt, ist: wird mit der – auch in militärischer Hinsicht sich vollziehenden – europäischen Integration ein drittes Mal eine Entwicklung von unabsehbarer Tragweite über ohnmächtige Waldviertler hereinbrechen?
Dr. Michael Benedikt ging auf die brennende Aktualität von Zwangsentsiedelungen und Vertreibung ein und erneuerte die Forderungen der Plattform SOS Waldviertel, darunter: Kein NATO-Schießplatz im Waldviertel, keine Stationierung von Atomwaffen im Falle eines NATO-Beitritt Österreichs, Rücksichtnahme des Militärs auf das zivile Umfeld (Öffnung der LH 75 etc.). Anschließend wurde vor dem Kriegsopferdenkmal ein Bouket mit der Aufschrift 60 Jahre Aussiedelung im Waldviertel 1938 – 1998. Zum Gedenken niedergelegt. Mit den Anliegen der Plattform SOS Waldviertel solidarisch erklärte sich die einzig anwesende Vertreterin des NÖ Landtags, Mag. Brigid Weinzinger.
Presseaussendung der Plattform SOS WV, August 1998
Pazifisten als Feindbild
Betrifft: Erpressung und Bespitzelung von Katharina Krawagna-Pfeifer, Standard Nr. 3009, 6.11.98
Die von Ihnen angeführte Gefahr der Bespitzelung von Personen, die sich kritisch über Militärs äußern, läßt sich konkret an folgendem Beispiel beweisen:
Der überparteiliche, christlich orientierte Internationale Versöhnungsbund (dessen Vorsitzender ich bin) veranstaltete vom 22. bis 30. August eine Radtour für aktive Neutralität, Frieden in Gerechtigkeit ohne Militärbündnisse.
Die Reise begann in Allentsteig, wo sich der Truppenübungsplatz des Bundesheeres befindet. Bei dieser Radtour wurde eine zirka zehn Kilometer lange Bundesstraße durch den Truppenübungsplatz von 32 Teilnehmern – darunter acht Kinder – durchquert. Die Tour war ordnungsgemäß den Sicherheitsbehörden und dem Militärkommando von Allentsteig gemeldet worden.
Nun standen bei jeder Straßenabzweigung militärische Meldetrupps, die das Passieren der Friedensdemonstranten ihrer Zentrale meldeten. Sogar Hubschrauber waren unterwegs.
Als schließlich am Sonntag, dem 23. August, programmgemäß ein Friedenshain auf öffentlichem Grund gepflanzt wurde, gab es ein Beobachteraufgebot von zwei Gendarmen und einem bemannten Heeresfahrzeug.
Welche Systembedrohung stellen doch eine Gruppe friedlicher Radfahrerinnen und Radfahrer dar! Und wie umfangreich könnte demnach mein persönlicher Geheimakt als Quäker und religiöser Pazifist in den Archiven des Bundesheeres sein?
Prof. Ernst Schwarcz, 1190 Wien, Leserbrief in: Der Standard, 11. November 1998
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... und über das Gebiet rund um Döllersheim: www.allentsteig.at www.walthers.at