Christliche Politiker haben die Zerstörung der Kirchen geduldet

Es wurde jetzt der Herr Brig. Teszar ersucht, ein Kreuz auf dem Friedhof von Groß-Poppen zu setzen. Er soll zur Antwort gegeben haben: `Das hat keinen Sinn, es ist ja gleich wieder zusammengeschossen.´ Wenn er das so  gesagt hat, dann müssen dort noch Schüsse hinkommen.

Die Kirche [von Groß-Poppen] ist eine Schuttgrube – die wurde zusammengeschossen bis in unsere Zeit herauf. Ich gebe auch der Diözese St. Pölten eine Schuld. Von der Kirche kam überhaupt kein Protest, zumindest läßt  er sich nicht nachweisen. Gerade christliche Politiker haben geduldet, daß die Kirchen [des entsiedelten Gebietes] heute in so einem Zustand sind. Ja, sie sind sogar dabei gewesen bei der ersten Beschießung von  Groß-Poppen. Und wenn vielleicht das Ziel Rausmanns war (...), applaudieren können sie nur, wenn sie sehen, was zusammenfällt – und das muß Groß-Poppen gewesen sein.

Pfarrer Johannes Müllner, in: Stefan May, Leben am Rande des Schußfeldes, in: Journal Panorama, Ö1, 12. August 1998

 

Der Schießplatz im Waldviertel – militärische oder politische Entscheidung? Die Diskussion dauert an.

Pfarrer Johannes Müllner

Seit Beginn meiner Forschungsarbeiten am 12. August 1982 habe ich viele Freunde aus den Reihen der Aussiedler und deren Freunde sowie aus den Reihen unseres Bundesheeres gewonnen. Im Herbst 1998 sagte mir ein  Unteroffizier: Es war höchste Zeit, dass Sie dieses Buch geschrieben haben! Wir wissen ja selbst vieles nicht! Ich gab zur Antwort: Mein Ziel war und ist es, die Unwissenheit über die Sakrallandschaft am Tüpl zu  beheben. Auch jetzt noch wäre vieles zu retten!

Brigadier Franz Teszar schrieb mir am 18. September 1998 u.a.: Nach Errichtung des Tüpl-Döllersheim durch die Deutsche Wehrmacht (was übrigens eine rein militärische und keine  parteipolitisch/nationalsozialistische Entscheidung war) wurden alle Pfarren innerhalb dieses Gebiets aufgelöst.

Ich antwortete ihm am 22. September 1998 u. a.: Zu mir sagte der damalige Oberstleutnant Oberleitner Ende August 1984 ungefähr folgendes: ‚Wir behaupten seit 1957, dass die  Errichtung des Tüpl Döllersheim eine rein militärische Entscheidung war, also keine nationalsozialistische. Es könnte uns sonst wer vorhalten, wir benützen zum Großteil Hitlers Schießplatz. Die Errichtung des Tüpl  Allentsteig sei eine rein politische Entscheidung, die nicht das Militär getroffen habe, sonder die Politiker (s. auch Oberst Lösch, S. 320 in meinem Buch). Ich sehe darin eine UNGEREIMTHEIT!

Weiters schrieb mir der neue Tüpl-Kommandant am 18. September 1998:

Dass die Kirchen zerstört wurden, ist – wie Du selbst weißt – auf Abbrucharbeiten hauptsächlich durch die eigene Bevölkerung während der russischen Besatzung und vor allem in der  Zeit von 1955 bis 1957, als das Gebiet offen war, zurückzuführen. Die Kirchen – ausgenommen Döllersheim – sind ein für allemal verloren und nicht wieder restaurierbar.

Obigen Absatz habe ich noch nicht schriftlich beantwortet, trotzdem einige Gedanken dazu: Der erste Satz ist klar. So mancher, der dringend Baumaterial brauchte, versuchte es bei den Russen. Traurig ist, dass auch  vor den Kirchen nicht Halt gemacht wurde. Nur die Kirche in Edelbach wurde vor dem Abbruch verschont. In Döllersheim waren zwei Kommunisten aus Zwettl erst nach 1950 (Entweihte Heimat S. 199) die Totengräber der  Kirche.

Vor allem in der Zeit von 1955 bis 1957... Diese Worte geben zu denken. Erst vor einigen Tagen entdeckte ich einen Zeugen. Gend.Insp. Johann Pfeiffer hatte als junger Gendarm von Göpfritz/Wild aus das Lager Edelbach zu bewachen, damit niemand illegal Baracken des Lagers Edelbach abtrage. Er sagte mir, die Russen hätten das Lager Edelbach noch komplett hinterlassen. Nach dem Staatsvertrag jedoch sei das ganze Lager Edelbach – wahrscheinlich mit Erlaubnis der Niederösterreichischen Landesregierung – abgetragen worden. Hier kann niemand das Bundesheer beschuldigen, weil es damals noch gar nicht am Tüpl war. Das Gefangenenlager Edelbach, wo die französischen Kriegsgefangenen eine Gefangenenuniversität aufbauten, wäre heute mit Sicherheit eine Fremdenverkehrsattraktion!

Die Kirche in Edelbach hatte 1958 – also ein Jahr nach Übernahme des Tüpl durch das Österreichische Bundesheer – noch ihr zerschossenes Dach, das Gewölbe der Kirche fehlte bereits. Ich konnte noch immer nicht  eruieren, in welcher Zeit das Gewölbe des Langhauses der ehemaligen Pfarrkirche entfernt wurde oder eingestürzt ist. Jedenfalls konnten die Soldaten im April 1958 am Fußboden schlafen (s. weiter oben). Sie sahen  aber direkt auf das schadhafte Dach.

Ich meine, daß weder die Kirchenruine in Edelbach noch die Kirchenruine in Oberndorf ein für allemal verloren und nicht wieder restaurierbar sind. In Edelbach wurde, laut Oberst Oberleitner, die Südmauer der Kirche von der ABC-Schule abgebaut und nach Wien gebracht. Diese Schule möge die Südostecke des Presbyteriums in Edelbach fachgerecht abbauen und an  Ort und Stelle wieder aufbauen und alle Mauern der Kirchenruine konservieren!

In Oberndorf sollten die Längsmauern der Kirchenruine und der Turm konserviert, sowie das Sänger- und Orgelchor wieder aufgebaut werden.

In Groß-Poppen hat unser Bundesheer leider ganze Arbeit geleistet. Auch jetzt noch wird gezielt auf das Schloß – in unmittelbarer Nähe des Friedhofs von Groß-Poppen – geschossen, wie mir unser Jugendführer Johannes  Keusch am 22. November 1998 versicherte. Die Soldaten mussten die Schußtechnik so einstellen, dass sie direkt das Schloß trafen. Von der Kirche ist nur mehr ein Schutthaufen übrig, also werden die letzten Reste vom  Schloß beschossen. Direktor Franz Willinger, der im Herbst 1955 gemeinsam mit dem späteren Kardinal König alle vier Tüpl-Kirchen besucht und beschrieben hat, hat einmal den Ausspruch getan: Wir müssten uns davor hüten, dass immer nur die ANDEREN die Schuld haben.

 

Die Zerstörungen seit dem Staatsvertrag sind Tatsachen –

Die Frage nach der Verantwortung

Unser Bundesheer würde sehr an Ansehen gewinnen, gäbe es zu, dass es z.B. für die Zerschießung der 1959 noch  respektablen Kirchenruine von Groß-Poppen, für die gezielte Beschießung des Kirchturms von Oberndorf und für die Demolierung der Kirche in Edelbach verantwortlich ist!

Die Diözese St. Pölten ist durch ihr Schweigen zu diesen Vorgängen mitschuldig geworden, dafür habe ich als Referent der Diözese St. Pölten die Aussiedler am 25. August 1995 im Fernsehen um Verzeihung gebeten. Die  Diözese könnte leichter Verzeihung finden, wenn sie bereit wäre, zur Konservierung und Rettung sakraler Ruinen am Tüpl beizutragen, auch wenn sie ihr nicht mehr gehören.

Dasselbe wäre natürlich auch für die Eigentümerin, die Republik Österreich, dringend notwendig! Auch das Land Niederösterreich muss sich seiner Schuld bewusst sein!

1998 sind am jüngeren Friedhof in Edelbach und in der Brünnlkapelle in Oberndorf Aufbauarbeiten geschehen. Dafür ein herzliches Vergelts Gott! Die Südostecke des Presbyteriums in Edelbach muss gerettet werden. Das  Todesurteil über den Friedhof in Groß-Poppen muss aufgehoben werden!

Im Namen vieler Aussiedler bitte ich herzlich darum!

Pfarrer Johannes Müllner, an seinem 64. Geburtstag am 23. November 1999

 

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