Stadtrundgang
 
Von weitem schon bietet sich dem Besucher, der sich Allentsteig von Westen nähert, die markante Silhouette der beiden Türme, die die Stadt überragen. Es ist eine der schönst gelegenen Städte des Waldviertels. Die Fahrt durch den Ort führt vorbei an den Wohnhäusern in der Zwettler Straße, den Schulen bis zum Beginn der Hauptstrasse beim Gasthaus Kratochvil. Hier stand einst eines der Stadttore.

Am Hauptplatz, in einer Kombination eines langgestreckten Dreiecks mit einem Rechteck (heute das erhöhte Areal des oberen Platzes) angelangt, steht der Besucher nicht nur vor Gebäuden, die als ehemalige Geschäfte Zeugnis für die vergangene wirtschaftliche Blütezeit  Allentsteigs ablegen, sondern auch vor einigen markanten Fassaden: Der geschwungene Giebel des Edelbacherhauses (heute Raiffeisenbank) geht zurück auf die Barockzeit, das Jubiläumshaus mit der klassizistischen Fassade erinnert an das 60. Thron - Jubiläum 1908 von Kaiser Franz Joseph, dessen Büste sich hoch oben findet. Im Kern sind die meisten Häuser um den Hauptplatz jedoch weit älter. Aus der Gründungszeit der Stadt datiert das Heilhirschhaus, der ehemalige Freihof der Herrschaft, gegenüber der Sparkasse. Dort befand sich noch im 19. Jahrhundert das Osttor der Stadt, das ebenso wie das in der Mitte des Hauptplatzes gelegene Grätzel um 1880 abgerissen wurde. Das imposante zweigeschossige Gebäude des Amtshauses war ursprünglich eine Brauerei.

Vom oberen Hauptplatz mit der Florianisäule und dem mittelalterlichen Metzen über den von Bürgerhäusern gesäumten Stadtberg hinauf zum Pfarrer Josef Edinger-Platz vor der Kirche. Tafel1Pfarrer Edinger war der Begründer des Krankenhauses. Ein großer Stein mit einer Kupfertafel erinnert an ihn. Das goldene zweifache Kreuz und das Zifferblatt der Turmuhr leuchten dem Besucher entgegen. Von dort oben, von den Fenstern über der Zwiebel des Turmdachs, bietet sich – nach einem mühsamen Aufstieg (mit Sondererlaubnis) – ein großartiger Blick über die Stadt “hinaus bis zu den friedlichen Dörfern”. Das erhöhte Terrain um die dreischiffige Kirche läßt noch heute die Größe des Alten Friedhofs erkennen, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor die Stadt verlegt wurde. Das Innere des Gotteshauses beeindruckt durch die schlichte Form des Hochaltars mit dem von einem goldenen Strahlenkranz umgebenen gekreuzigten Christus an dem großen Kreuz und den zu allen Zeiten prächtigen Blumenschmuck.

Nächst der Kirche befindet sich das Gebäude der Alten Schule, an die sich der Pfarrhof anschließt. Gegenüber thront das Spitalsgebäude aus den 60er Jahren – in der Zwischenzeit geschlossen – neben dem älteren aus den 20er Jahren über dem Stadtzentrum. Das Alte Bürgerspital aus dem 17. Jahrhundert in der Spitalstraße, die vor mehr als 100 Jahren gegründete St. Ulrichsstiftung und das neu adaptierte Rot-Kreuz-Haus, seit vielen Jahren ein beliebter Treffpunkt der Jugend, bezeugen die lange Tradition der Gesundheitsversorgung in dieser Stadt.

In nächster Nähe zur Kirche befindet sich das Schloß. Auf dem Weg dorthin zurück kommen wir vorbei am LandschaftsTitler - eine interessante Installation um über die Dächer “mit Untertiteln” zu blicken. Die alte Burg der Kuenringer wurde nach und nach zum Wohnschloß aus- und umgebaut, der prächtige dreigeschossige Arkadenhof im Stil der Renaissance hat in dieser Region nur wenige Parallelen und beweist Geschmack, Bedeutung und Wirtschaftskraft der Hager, die in Österreich Vorkämpfer für die Reformation waren. Das Wappen über der Toreinfahrt geht auf die Familie Pereira-Arnstein zurück, die im vorigen Jahrhundert auch Besitzer von Schwarzenau, Waldreichs, Krumau, Dobra-Wetzlas und Neudegg waren. Die Beschlagnahme der Ländereien, die für den Erhalt des Schlosses notwendig waren, beraubte 1938 die Besitzerin, Baronin Preuschen-Lenz, ihrer Existenzgrundlage. Seit der Errichtung des Schießplatzes durch das NS-Regime, hat das Burgschloß dem Militär zu dienen.

Das Kriegsopferdenkmal, an den Schloßpark (mit dem Stamm der angeblich tausendjährigen “Hager-Eiche”) angrenzend, gedenkt auch jener Waldviertler aus den Dörfern um Allentsteig, “denen man zwar die Heimat genommen hatte, die aber trotzdem als Verteidiger der Heimat sterben mußten”. Von hier sind es nur wenige Schritte zum Engel im Giebelfries der Aufbahrungshalle, die an den heutigen Friedhof angrenzt. Neben diesem liegt, von Bäumen dicht umgeben, der kleine Friedhof für die Soldaten der sowjetischen Besatzungsmacht nach dem 2. Weltkrieg. Auch die Häuser der von hier weiterführenden Straßen erinnern an die Zeit vor 70 Jahren: einst Unterkünfte des Wehrmachtspersonals, sind sie heute Wohnhäuser.

Will der Besucher im Stadtrundgang ein Intermezzo über grüne Wiesen einflechten, so gelangt er Richtung Osten gehend, ebenfalls mit hübschem Ausblick, ins Oberndorf, ehemals Obere Vorstadt, an die sich eine junge Siedlung anfügt. Einen knappen Kilometer ostwärts wurde 1981 ein minutiös gepflegter Friedhof für 1939 – 1945 gefallene Soldaten, viele davon namenlos, angelegt. Vom benachbarten Wasserturm sieht man in die im Sperrgebiet gelegene Senke von Groß-Poppen. Der Friedhof dort wird immer wieder von Granaten getroffen.

Von der Leutmezerkapelle führt der Weg durch Äcker und Felder weiter zu der früher “Auf der Scheiben” genannten Anhöhe. Das Hotel Schaich und die benachbarten Villen sind stumme Zeugen, daß Allentsteig in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein Zentrum der “Sommerfrische” (wie damals der Tourismus hieß) war. Dahinter liegt das öffentliche Waldbad mit Pool und Zugang zum See. Das ehemalige Kino - genannt auch “Lichtspielhaus” - war angeblich bei der Eröffnung das modernste Kino Österreichs. In den 1990-er Jahren bis 2005 war das Jugend-Kulturzentrum Avalon darin untergebracht welches waldviertelweit Bekanntheit erlangte. Vom Areal des Kindergartens, hinter dem Kino gelegen, ergibt sich erneut eine schöne Aussicht auf die gegenüberliegende Anhöhe mit Schloß und Kirche. Unten in der Dr. Ernst Krenn-Straße ist im alten Saal der Bürgerschule das kleine Theater der “Allentsteiger Antiprofis” untergebracht.

Nur wenige Schritte vom Kindergarten entfernt, bietet sich dem Besucher der Panoramablick über den Stadtsee, der sich rund einen Kilometer nach Südosten hin erstreckt. Der See, gerne als das Juwel der Stadt bezeichnet, wird an der Ostseite von einem idyllischen Promenadenweg gesäumt, der hinaus zur Lourdesgrotte führt. Ein Spaziergang hier ist zu jeder Tages- und Jahreszeit ein Erlebnis, ob nun Schwäne und Enten über die Wasserfläche gleiten, in der sich das gegenüberliegende Ufer mit dem dominierenden Bau des Landesjugendheims spiegelt, oder Eisläufer ihre winterlichen Runden ziehen. Unter den alten Eichen am Damm erinnert seit August 1999 das Mahnmal “Landschaftsmesser” der Künstlerin Valie Export daran, daß dem Waldviertel 1938 mit der Entsiedelung von 42 Ortschaften südlich von Allentsteig und der Errichtung des Schießplatzes eine Wunde zugefügt wurde, die bis heute nicht verheilt ist.Blick Richtung Osten
Unweit vom Damm führt eine der Straßen hinauf auf den Kalvarienberg, auf
dem in den letzten Jahrzehnten eine ausgedehnte Siedlung entstanden ist. Von der Wiese unterhalb der Kuenringerstraße und besonders von der Steinbachstraße kann der Besucher nochmals den – vielleicht schönsten – Blick auf den Burghügel genießen.

Wieder in das Stadtzentrum zurückgekehrt, empfiehlt sich dem Besucher noch die Besichtigung des “Malerwinkels” vor dem Unteren Schloß (Meierhof) welches zurzeit leer steht, im Innenhof mit schöner Renaissance-Loggia und Niederösterreichs längstem gedeckten Verbindungsgang hinauf zum Schloß. Der benachbarte Schüttkasten (Alter Getreidespeicher - 11./12. Jh., in der heutigen Form aus dem 16. Jh. mit 4 Etagen zur Bevorratung) birgt die Dokumentation über die Lokalgeschichte (Aussiedlermuseum) und wechselnde Ausstellungen im Erdgeschoß. Einen lohnenden Besuch verspricht auch das zweite Museum der Stadt, das Privatmuseum von Lotte Henschl im Wolfganghof im Oberndorf (Hauptstraße 40) mit einem heimatkundlichen Teil, landwirtschaftlichem Gerät vor allem aus der Zwischenkriegszeit und dem putzigen Eulenmuseum – einer Sammlung von mehr als 2000 Eulen-Variationen.

Im Stadtzentrum (Dr. Ernst Krenn-Straße) an einer Hauswand befindet sich der nette Spruch neben der Sonnenuhr - ein Denkmal der Wirtschaftsgeschichte! (Kommentar: “Geh mit der Zeit, sonst gehst Du ...”)

Wer danach wieder Sehnsucht nach Natur verspürt, dem sei (unter einigen anderen markierten Wanderwegen im Umkreis der Stadt, auch auf Tüpl-Gebiet) ein Spaziergang  durch den ehemals herrschaftlichen Eichenwald, entlang dem Thauabach (der Kleinen Thaya), oder auch von Bernschlag hinaus zum Walther-Stein empfohlen. Dieser erinnert an das bereits im Mittelalter wieder verschwundene Dorf Walthers, das – so besagen die jüngsten Forschungsergebnisse (und das ist wirklich eine kleine Sensation) – höchstwahrscheinlich der Heimatort des größten Dichters deutscher Sprache vor Goethe war: Walther von der Vogelweide.



 

 

 

 

 

 


 

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