Führende Germanisten von vier Universitäten gehen davon aus, daß Walther von der Vogelweide wahrscheinlich aus diesem Waldviertler Dorf Walthers stammte – manche von ihnen schätzen die Wahrscheinlichkeit sogar auf 70%.

Walther von der Vogelweide – ein Waldviertler?

In den letzen Jahren haben literaturwissenschaftliche und heimatkundliche Forschungen überzeugende Argumente dafür geliefert, daß auch der Minnesänger Walther von der Vogelweide, der als größter deutschsprachiger Dichter vor Goethe gilt, aus dem Waldviertel stammt - vielleicht sogar aus dem Bereich des späteren Aussiedelungs- und Truppenübungsgebietes. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts erhoben fast alle süddeutschen Landschaften - Schweiz, Franken, Westfalen, Südtirol - aber auch Böhmen und Ungarn den Anspruch, die Heimat Walthers gewesen zu sein.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden wissenschaftliche Stimmen laut, daß Walthers Heimat im heutigen Nieder- oder Oberösterreich zu suchen sei, sagt Walther doch selbst, wie auch auf dem Gedenkstein im einstigen Dorf WALTHERS zitiert: „in Österreich lernte ich Singen und Sagen“ (=Dichten und Sprechen).

Um das Jahr 1170 in unruhige Zeiten hineingeboren, kam Walther um 1190 an den Hof der Babenberger in Wien - seine Heimat wird daher zum Machtbereich der Babenbergerherzöge gehört haben. Er genoß deren Förderung, insbesondere Friedrichs I. und wurde zum Minnesänger ausgebildet. Die einzige sichere Nachricht aus seinem Leben beinhaltet eine Urkunde von 1203: sie überliefert, daß der Passauer Bischof Wolfger von Erla einem gewissen „Walthero cantori de Vogelweide“für einen Pelzrock fünf „lange Schillinge“ gab.

Nach dem Tod Friedrichs I. reiste Walther in den Deutschen Landen herum und nahm in seiner Spruchdichtung zu den Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst Stellung. 1220 erhielt Walther vom jungen Stauferkönig und späteren Kaiser Friedrich II. ein Lehen, vermutlich im Würzburger Viertel Am Sand. Um 1230 dürfte Walther gestorben sein, noch im 18. Jahrhundert soll sein Grab im Neumünster-Stift zu Würzburg zu sehen gewesen sein.

Schon 1977 machte Prof. Dr. Bernd Thum von der Universität Karlsruhe das Waldviertel als wahrscheinliche Heimat des Dichters glaubhaft. Er ging dabei von Walthers sogenannter „Alterselegie“ (1227) mit der Verszeile „bereitet (vermessen und parzelliert) ist das Feld, gerodet ist der Wald“ aus. Sein Argument: nirgendwo sonst sei um diese Zeit noch Wald gerodet worden. In Walthers Heimat müssen demnach um 1180/1200 noch ausgedehnte Wälder vorhanden gewesen sein, deren Rodung während seiner Abwesenheit erfolgte. Daß der vielgereiste Dichter seine Heimat erst nach so langer Zeit wiedersah, spricht dafür, daß sie abseits der damals wichtigen Straßen lag.

1987 untersuchte Walter Klomfar im Archiv von Stift Zwettl eine Flurkarte aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, die anläßlich von Grundstreitigkeiten zwischen der Herrschaft Stift Zwettl und der Herrschaft Allentsteig von Mönchen angefertigt wurde. Die Kartenskizze zeigt „eines jener typischen Längsangerdörfer dieses Gebietes, deren Entstehung im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts anzunehmen ist“. Der Name dieses Dorfes: WALTHERS. Darüber hinaus zeigt diese Kartenzeichnung eine mehrere Quadratkilometer große „Vogelweide“, die im Osten unmittelbar an das Dorf WALTHERS anschließt.

WALTHERS, nahe Bernschlag gelegen, wird zwar erst 1275 erstmals urkundlich erwähnt als Friedrich von Liechtenstein Grundstücke an das Kloster Imbach verkaufte, doch dürfte zu diesem Zeitpunkt der Niedergang des Dorfes bereits begonnen haben wie weitere Verkaufsurkunden bezeugen. Um 1350 war WALTHERS bereits völlig verödet. Anfangs des 13. Jahrhunderts, während Walthers jahrzehntelanger Abwesenheit, entstand in der Vogelweide, einem ausgedehnten Gebiet aus Wald und Wiesenflecken der aus einigen Häusern bestehende Weiler Perweis wobei Rodungen in der Vogelweide - bis an den Ortsrand des Dorfes WALTHERS - erfolgten.

Der Ortsname WALTHERS leitet sich - wie vielerorts im Waldviertel - von einem Personennamen ab - die Gründung des Ortes wird daher einem Walther zugeschrieben. Tatsächlich scheint 1175 in einer Urkunde des Marquart de Tige, des damaligen Besitzers der Herrschaft Allentsteig, unter 23 Zeugen auch ein Walther de Tige auf - offensichtlich einer der Gefolgsleute des Burgherrn, die zu jener Zeit in diesem Gebiet mit ihren Untergebenen den Wald rodeten und Dörfer gründeten, die dann ihren Namen trugen. Dem Brauch der Zeit entsprechend, könnte sich dieser Ortsgründer auch nach der Flurbezeichnung „Vogelweide“ benannt haben - die Jagd mit Vögeln (Falken) war im Mittelalter eine beliebte „Sportart“. Dieser Walther war jedoch sicher nicht der große Dichter, dessen Jugendjahre in die Zeit von 1170-1190 datiert werden. Wohl aber könnte es sein Vater gewesen sein, der (wie allgemein üblich) seinen Taufnamen auch einem seiner Söhne gab.

Auch in dem überlieferten Werk des Dichters Walther von der Vogelweide finden sich zahlreiche Hinweise, die diese Hypothesen untermauern: Als „der von der Vogelweide“ bezeichnen ihn andere Dichter und auch er sich selbst. In der berühmten Manessischen Handschrift zeigt das Bild Walthers im Wappen wie auch in der Helmzier einen Vogel in einem Käfig - ein Hinweis auf ein Vogelgehege, das es auf einer Vogelweide sicherlich gab. Dazu kommt, daß auch Walthers Gönner, Bischof Wolfger von Passau, ein großer Freund der Beizjagd war und sich nachweislich einige Male im nahen Stift Zwettl und seiner Umgebung aufgehalten hatte. Und daß Allentsteig ein Zentrum der Falknerei war und die Vogelweide von Walthers möglicherweise zur kaiserlichen Falknerei gehörte, ist daraus ersichtlich, daß Hans Hager von Allentsteig 1587 kaiserlicher Falknermeister war.

Zusätzlich verweist Walter Klomfar auf die gesellschaftlichen Beziehungen: „Die Besitzer der Herrschaft Allentsteig stehen in einem verwandtschaftlichen Naheverhältnis zu den Kuenringern, die ihrerseits wieder gute Kontakte zu Bischof Wolfger von Passau pflogen. Das gesamte Gebiet gehörte ja zur Diözese Passau, und Bischof Wolfger hielt sich hier wohl des öfteren auf. Sowohl Wolfger als auch die Kuenringer hatten Verbindungen mit den Babenbergerhöfen in Wien bzw. Klosterneuburg und auch zur babenbergischen Nebenlinie der `Herzoge´ von Mödling, die für die Förderung des Minnesangs berühmt waren.“

Den gewichtigsten Anhalt liefert Walther selbst in der sogenannten „Alterselegie“: er beklagt darin die Entfremdung von Land und Leuten, erwähnt die nun träge und alt gewordenen Spielgefährten von einst und im gleichen Atemzug auch die Veränderungen in der Natur - Felder seien bestellt, der Wald gerodet. Walter Klomfar sieht darin „eine auffällige Übereinstimmung mit Walthers Enttäuschung bei der Rückkehr in die Heimat und den offensichtlichen Veränderungen im Bereich der Walthers´schen Vogelweide durch die schon früh einsetzende Verödung des Dorfes Walthers und vermutlich auch durch das Entstehen des Weilers Perweis mit den damit verbundenen Rodungen auf dem Gebiet der Vogelweide.“

1992 wurde im Bereich der einstigen Ortschaft Walthers ein „Walther-Gedenkstein„ errichtet. Seine Aufschrift, mit einem Zitat aus einem Gedicht des Dichters, lautet: „An dieser Stelle stand einst das mittelalterliche Dorf `Walthers´ mit einer großen Vogelweide. `In Österreich lernte ich Singen und Sagen´. Walther von der Vogelweide.“ 1994 wurde der Dorfbrunnen von Walthers ausgegraben, nach mittelalterlichen Vorbildern rekonstruiert und feierlich gesegnet. Seit Sommer 1997 gibt es in Walthers zwei neue Informationstafeln.

Nach dem großen internationalen Walther von der Vogelweide-Symposion (vom 24. bis 27. September 2003 in Zeiselmauer), an dem führende Waltherforscher- und Forscherinnen aus USA, Kanada, England, Frankreich, Schweden, den Niederlanden sowie aus Deutschland und Österreich teilnahmen, wurden am 11.11. 2005 die Vorträge sämtlicher Teilnehmer – darunter auch der Vortrag Walter Klomfars -  in den Sitzungsberichten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch Historische Klasse Band 721 veröffentlicht.

Der 800jährige Pelzrock 
Walther von der Vogelweide/Wolfger von Erla/Zeiselmauer
(Hg. Helmut Birkhan)
Alle Rechte vorbehalten, ISBN 3-7001-3467-3
Copyright  2005 by Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
http://hw.oeaw.ac.at/3467-3

Führende Germanisten der Universitäten Wien, Karlsruhe, Bamberg und Salzburg gehen mittlerweile davon aus, daß Walther von der Vogelweide wahrscheinlich aus diesem zwischen Allentsteig und Zwettl gelegenen, verödeten Dorf Walthers im Waldviertel stammte – manche von ihnen schätzen die Wahrscheinlichkeit auf 70%.

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... und über das Gebiet rund um Walthers:
www.allentsteig.at
www.doellersheim.at

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