Gedenkgottestdienst in Döllersheim 20. Juni 1998

< Faksimile Einladung Verein der Freunde der Alten Heimat zum Gedenkgottesdienst zum 60. Jahrestag der  Bekanntmachung der Aussiedelung in der Friedenskirche Döllersheim am 20.6.98

Am 20. Juni 1998 fand in der Friedenskirche Döllersheim der Gedenkgottesdienst des Vereins der Freunde der Alten Heimat anläßlich des 60. Jahrestags der Bekanntmachung der Aussiedelung statt.

Die Predigt (hier wiedergegeben nach dem Döllersheimer Nachrichtenblatt, Ausg. Nov. 1998, mit ausdrücklicher Erlaubnis des Autors) hielt Kaplan Mag. Hans Lagler, Kaplan in Zwettl und Groß-Globnitz. Den  liebenswürdigen Herrn Kaplan hat der Autor schon als Priesterstudenten und Sprecher der Alumnen zu schätzen gelernt.

Wenn ich dich je vergesse, Döllersheim ...

 

Die Bitte von Kaplan Mag. Lagler galt der gesamten Sakrallandschaft am Tüpl. Seine Worte verdienen, dass alle Angesprochenen sie befolgen (können): Nehmen  Sie uns junge Menschen bei der Hand! Nicht jeder Großvater, der Zwangsaussiedler ist, kann seine Enkelkinder bei der Hand nehmen und ihnen seine alte zerstörte Heimat zeigen. Sie ist nicht nur zwangsentsiedelt und  verwahrlost, sondern zerstört und gesperrt. Glücklich die Großväter, die aus der Pfarre Döllersheim stammen. Sie könnten ihren Enkelkindern zuerst den Friedhof  zeigen: In den Jahren 1654 – 1942 wurden dort 15.225 Menschen zur letzten Ruhe bestattet. Die Namen der verstorbenen Ahnen sind in den Totenbüchern  aufgeschrieben. Der Großvater weiß die Namen seiner Eltern, Großeltern und Verwandten. Etwas mehr als 360 Grabstellen sind noch zu finden. 97 Grabtafeln  bzw. Grabsteine tragen Inschriften, davon sind 9 nicht mehr zu lesen. Von den 88 Gräbern mit lesbaren Grabtafeln oder Grabsteinen sind 28 ohne Ortsangabe. An  manche Namen könnte sich der Großvater erinnern und auch wissen, in welchen Orten sie wohnten:

15 aus Döllersheim
1 aus Dietreichs
6 aus Nieder-Plöttbach
6 aus Söllitz
5 aus Brugg
7 aus Flachau
8 aus Heinreichs
3 aus Klein-Motten
3 aus Stron(n)es
0 aus Waldreichs
1 aus Zierings
2 aus Ottenstein (mit der Gruft)
2 aus der Fürnkranzmühle, Ort Nieder-Plöttbach
1 aus der Bruggmühle, Ort Flachau

Zusammen also 88 Gräber mit lesbaren Grabtafeln und Grabsteinen!

 

Wenn auch die sanierte Kirchenruine von Döllersheim nicht immer offen ist, so können wir doch zu jeder Tageszeit die jungen Menschen bei der Hand nehmen und  die Ruinen zum Leben erwecken. Das gilt auch für alle Ruinen, an denen wir beim Hinaufgehen zum Friedhof und beim Heruntergehen vorbeigehen.

 

Auch am Friedhof in Franzen – jenem Ort, dessen Ausgliederung aus dem Schießplatz und Wiedererrichtung neben den tapferen Frauen nicht zuletzt dem  damaligen Bürgermeister Franz Waldhäusel zu verdanken ist – können wir zu jeder Tageszeit die jungen Menschen bei der Hand nehmen. Die vorerst unbekannten Namen könnten auch für sie zu leuchten beginnen!

Die Fragen unserer jungen Menschen an ihre Großväter könnten lauten: Warum gibt es auf dem Friedhof in Franzen zwei Gräber mit verstorbenen Döllersheimern?  Warum sind auf dem Friedhof in Franzen große Grünflächen ohne Gräber? Wieso haben Verstorbene aus Ober-Plöttbach in Franzen ihr Grab? Zu welcher Pfarre  gehörte Dobra? Warum gibt es nur ein Grab mit Verstorbenen aus Dobra? Dieselbe Frage gilt für Thaures, Schwarzenreith und Eichhorns: Warum kannst du  mir zeigen, wo Dobra war und warum dürfen wir nicht dort hingehen, wo Thaures, Schwarzenreith und Eichhorns standen?

 

Noch schlechter ergeht es den Großvätern auf dem Friedhof in Neu-Pölla. Warum ist dort kein einziges Grab von Verstorbenen aus den ehemaligen Ortschaften  Loibenreith und Mestreichs zu finden? Warum ist der Friedhof in Neu-Pölla zu groß?

Auf dem Friedhof in Stift Zwettl befindet sich ein einziges Grab, das die sterblichen Überreste einer Familie aus Pötzles birgt. Wo sind die übrigen Gräber mit  Verstorbenen aus Pötzles? Großvater, ich möchte wenigstens Pötzles sehen! Warum gibt es in Groß-Globnitz kein einziges Grab von Verstorbenen aus dem  ehemaligen Ort Wildings? Wieso liegen auf dem Friedhof in Allentsteig Menschen begraben, die um 1950 in Edelbach gestorben sind? Gibt es Gräber von  Verstorbenen, die bis 1961 in Wurmbach oder Steinbach gewohnt haben? Wieso siedelten sich in Edelbach, Wurmbach, Steinbach und Pötzles wieder Menschen als  Pächter an, wenn doch die, denen die Häuser gehörten, bald nach 1939 vertrieben wurden?

Auf alle diese Fragen soll das Buch von Pfarrer Johannes Müllner eine Antwort geben.

Leider kann ein Großvater seinem Enkelkind den Friedhof beim Munitions-Lager in Edelbach nur mit Erlaubnis des Tüpl-Kommandos zeigen. Die Gräber ihrer  Angehörigen werden sie sehr schwer finden. Sie sind seit Sommer 1998 eingeebnet. Der Friedhof von Oberndorf darf ebenfalls nur mit Erlaubnis des  Tüpl-Kommandos betreten werden. In Groß-Poppen kann und darf der Friedhof überhaupt nicht aufgesucht werden.

Wer trägt denn die Schuld, dass die ehemaligen Pfarrkirchen in Oberndorf und Edelbach trostlose Ruinen sind? Wie war ihr Aussehen, bevor im Jahre 1957 das Bundesheer den Tüpl übernahm?

An diese Fragen anknüpfend zitiert Pfarrer Johannes Müllner nochmals aus der Predigt von Kaplan Mag. Lagler: Heute trägt das Bundesheer Verantwortung für  das entsiedelte Gebiet. Liebe Vertreter des Bundeseheeres: Sie haben da kein Niemandsland unter Ihren Füßen, sondern ein Stück Österreich, ein Stück  Waldviertel. Da wünsche ich Ihnen ein besonderes Gespür für dieses Gebiet, für die Kirchenruinen für die Bildstöcke und Marterln (falls sie noch stehen) und für die  Friedhöfe. Auf den Friedhöfen sind ja nicht irgendwelche Menschen begraben, die vor Jahrtausenden gelebt haben, sondern die Eltern und Verwandten vieler Menschen, die da heute mitfeiern.

 

Gedenkgottesdienst 60 Jahre Aussiedelung 1938 – 1998

Am 8. August 1998 – dem 60. Jahrestag gleichzeitig des Beginns der Errichtung des KZ in Mauthausen und des ersten Scharfschießens der Deutschen Wehrmacht  im Herzen des Waldviertels – gestaltete die Plattform SOS Waldviertel einen Gedenkakt und einen Gottesdienst mit Univ.-Prof. DDr. Joachim Angerer OPraem, dem Abt von Stift Geras.

Faksimile Einladung SOS WV

Der Gottesdienst und der Gedenkakt sollten in bzw. vor der Friedenskirche Döllersheim stattfinden. Im Ansuchen der Plattform SOS Waldviertel an die  zuständige Bundesbaudirektion – sie ist für die bauliche Verwaltung der Friedenskirche zuständig – wurde Univ.-Prof. DDr. Joachim Angerer, der Abt von  Stift Geras, als Zelebrant genannt. Dieses Ansuchen wurde jedoch aufgrund der Stellungnahmen der militärischen Dienststellen abgelehnt. Die Begründung: es sei  zu befürchten, daß Veranstaltungen an diesem Ort dazu benützt werden, eigene Interessen zu vertreten – und nicht die Interessen der Republik Österreich, heißt es  in dem Schreiben wortwörtlich. In einer Presseaussendung schrieb die Plattform SOS Waldviertel, gerade Döllersheim sei jener Ort, der Symbol dafür ist, wie die  Republik Österreich die Interessen der kleinen Leute (Wiederbesiedlung, Entschädigung) mit Füßen getreten habe.

 

Feier vertrieben! Gottesdienst muß in Franzen stattfinden

Franzen – Eigentlich sollte der Gottesdienst zum Gedenken an die  Aussiedlung aus dem Gebiet des heutigen Truppenübungsplatzes vor 60 Jahren am 8.8. in Döllersheim stattfinden. Doch auch die Veranstaltung wurde vertrieben...

In diesem Sommer jährt sich zum 60. Mal ein Ereignis, das im Waldviertel tiefgreifende Spuren hinterlassen hat: Zwischen 1938 und 1942 errichtete die Deutsche Wehrmacht im Herzen des Waldviertels den  Truppenübungsplatz Döllersheim (heute Allentsteig). Dafür wurde eine Fläche von 190 km² mit 42 Ortschaften und Streusiedlungen mit insgesamt rund 7000 Waldviertlern entsiedelt. Am 8. August 1938 fand das erste  Scharfschießen statt.

Anläßlich dieses Gedenkens findet am Samstag, 8.8., um 14 Uhr in Franzen ein Gedenkgottesdienst statt, zelebriert vom Abt des Stiftes Geras, Prälat Univ.-Prof. DDr. Joachim Angerer (Foto). Im  Anschluß daran wird vor der Kirche ein Gedenkakt zur Erinnerung an die Aussiedelung gestaltet, bei dem engagierte Waldviertlerinnen und Waldviertler auch über ihre Sorgen  über Gegenwart und Zukunft der Region um das entsiedelte Gebiet artikulieren wollen.

Veranstalter dieses Gedenktages ist die unabhängige Plattform SOS Waldviertel. Anliegen dieser im Herbst 1997 gegründeten Initiative ist es, aus Anlaß dieses  Jahrestages die Situation und die Zukunftsaussichten der Region um den Truppenübungsplatz zu diskutieren und neu zu überdenken. Die Proponenten der  Plattform sind davon überzeugt, daß ein allfälliger NATO-Beitritt Österreichs massive Auswirkungen auf die militärische Übungstätigkeit im Waldviertel hätte und  damit die Bemühungen des Waldviertels zur Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner und um sanften Tourismus gefährdet würden.

Das Ansuchen um Abhaltung des Gottesdienstes in der Friedenskirche von Döllersheim wurde übrigens von der Bundesbaudirektion Wien aufgrund der  Stellungnahmen der militärischen Dienststellen abgelehnt. Es sei zu befürchten, daß Veranstaltungen an diesem Ort dazu benützt werden, eigene Interessen zu  vertreten – und nicht die Interessen der Republik Österreich, heißt es in dem Schreiben.

Feier vertrieben! Gottesdienst muß in Franzen stattfinden, in: Neue NÖN Woche 32/1998, S 28.

 

Millitärische Allerseelenfeier

Im Herbst 1981 wurde etwa 1km östlich von Allentsteig ein Soldatenfriedhof mit Opfern des 2. Weltkriegs angelegt – 3.855 deutschen Soldaten und 45 Kriegstoten verschiedener Nationen, die  von verschiedenen Friedhöfen v.a. Niederösterreichs umgebettet wurden.

< Titelseite Millitärische Allerseelenfeier

Alljährlich zu Allerseelen beehrt sich der Kommandant der Garnison Allentsteig, zur Militärischen Allerseelenfeier – zum Totengedenken der Garnison Allentsteig für die Opfer beider Weltkriege und die im Dienst  verunglückten Angehörigen des Österreichischen Bundesheeres – einzuladen.

Das Programm der Allerseelenfeier 1999 umfaßte ---  Meldung an den militärisch Höchstanwesenden  ---  Choral
Liturgische Handlung durch den Militärpfarrer  ---  Kreuzritterfanfare   ---   Grußworte des Kommandanten der Garnison  Allentsteig  ---  Brigadier Franz Teszar   ---   Musikstück  ---  Grußworte des Herrn Bezirkshauptmannes von Zwettl
Hofrat Dr. Werner Nikisch  ---  Musikstück   ---   Ansprache des Präsidenten des Schwarzen Kreuzes   ---   Abg. z. NÖ Landtag  a.D. ÖKR Franz Rabl  ---  Musikstück   ---   Kranzniederlegung am Hochkreuz  ---  Deutsche Nationalhymne [!] und  Österreichische Bundeshymne  ---  Bitte um weitere Befehle   ---   Abtreten

Militärische Allerseelenfeier 2. November 1999 am Soldatenfriedhof Allentsteig, xerokopierter Programmzettel, November 1999

Wenige hundert Meter vom schön gepflegten Soldatenfriedhof entfernt liegt der Friedhof der ehemaligen Pfarre Groß-Poppen.

 

60 Jahre Truppenübungsplatz – 60 Jahre Zweiter Weltkrieg

Veranstaltungsprogramm des Ersten österreichischen Museum für Alltagsgeschichte im Kulturhof Neupölla
* Waldviertler Heimatbilder, Sonderausstellung 15.8.-3.10.1999
* Waldviertler Heimatfilm, Sonntag 15.August 1999, 17 Uhr
* Entweihte Heimat –Zerstörte Kultur, Filmvorführung von Manfred Neuwirth und Vortrag von Pfarrer Johannes Müllner, Samstag, 21. August 1999, 19 Uhr
* Soldaten-Schicksal zwischen Heldentum und Kriegsverbrechen, Vortrag und Diskussion mit
* Univ.-Prof. Dr. Ernst Hanisch (Universität Salzburg) und Doz.Dr. Attila Bonhardt (Ungarisches  Kriegsarchiv), Freitag, 24. September 1999, 19 Uhr
* Polleroß Friedrich, Folder 60 Jahre Truppenübungsplatz – 60 Jahre Zweiter Weltkrieg, Veranstaltungen August – Oktober 1999, in Neupölla 10, Kulturhof

 < Faksimile der Titelseite mit Abbildung Turm  der ehemaligen Pfarrkirche Edelbach (vor dem Einsturz 1979)

60 Jahre Truppenübungsplatz – 60 Jahre Zweiter Weltkrieg

Veranstaltungen im Museum für Alltagsgeschichte in Neupölla

Anläßlich der vor 60 Jahren erfolgten Aussiedlung der heute zur Marktgemeinde Pölla gehörigen östlichen Teile des Truppenübungsplatzes (Räumungstermin 1. April 1939) sowie des Beginns des Zweiten Weltkrieges  mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen am 1. September 1939 bot das Erste österreichische Museum für Alltagsgeschichte in Neupölla im Herbst 1999 ein kleines zeitgeschichtliches Programm. Dies  schien umso naheliegender, als auch die früheren Besitzer des heutigen Museumsgebäudes, deren Schicksal im ausgebauten Dachboden präsentiert wird, von beiden Ereignissen direkt betroffen waren. Der  Veranstaltungszyklus umfaßte eine Sonderausstellung und drei Veranstaltungen.

1. Waldviertler Heimatbilder

Vom 15. August bis zum 3. Oktober 1999 konnte eine Sonderausstellung von Zeichnungen und Aquarellen aus Privatbesitz präsentiert werden, die während der  nationalsozialistischen Herrschaft entstanden waren. Diese Darstellungen sind Teil einer insgesamt etwa 500 Blätter umfassenden Dokumentation der Waldviertler  Sachkultur aus den Jahren 1938-1943. Ausgestellt waren Arbeiten der teilweise an den Akademien geschulten Künstler Milly Niedenführ (*1893) aus Wien, Hans  Neumüller (1908-53) aus Zwettl, Helmut Deringer (1922-69) aus Rapottenstein, Friedrich Stadler (*1904) aus Salzburg und von Franz Bilko (1894 –1968) aus  Baden, aber auch mehrere Blätter des Döllersheimer Volksschuldirektors Seitner. Während letzterer mehr ideologisch als künstlerisch geschult war und unter anderem  das Grabkreuz der Großmutter von Adolf Hitler zeichnete, erreichte der an der Ausstellung Kunst der Ostmark 1938 in Berlin beteiligte und später als Kriegsmaler tätige Bilko eine beachtliche graphische Qualität.  Entstehungsgeschichte und Funktion dieses Papiermuseums sind nicht gänzlich bekannt.

Ein Teil entstand im Rahmen einer volkskundlichen Arbeitsgemeinschaft Waldviertel zur Dokumentation des Entsiedlungsgebietes des Truppenübungsplatzes Döllersheim-Allensteig, also parallel zur historischen und  fotografischen Erfassung für das Erinnerungsbuch Die alte Heimat (Berlin 1942). In diesem Zusammenhang entstanden die Ansichten von Gehöften und Sakraldenkmälern in Edelbach.

 

Ein anderer Teil wurde offensichtlich vom damaligen Zwettler Kreisleiter Reisinger in Auftrag gegeben und betrifft vorwiegend das Gebiet um Groß-Gerungs und Arbesbach. Dabei sollte die künstlerische Kraft des Volkes festgehalten werden,  um den Künstlern undHandwerkern von heute zu wertvoller Anregung zu dienen. Dementsprechend wurden neben Hausansichten auch zahlreiche Möbel,  Hauszierden und konstruktive Details dokumentiert. In diesem Zusammenhang spielt offenbar der aus Altpölla stammende Lehrer Josef Frank (1895-1980) eine  wichtige Rolle. Er war seit 1935 Direktor der Bürgerschule in Groß-Gerungs und ab 1938 offiziell im Bezirk Zwettl mit der Heimatpflege betraut. In einer  entsprechenden Verlautbarung von Kreisleiter Reisinger aus dem Jahre 1938 heißt es daher: Wer mit offenen Augen durch unsere Heimat wandert, muss leider  feststellen, dass die alten, schönen Bauernhöfe bei Umbauten immer mehr entstellt werden. (...). Viel wertvolles Kulturgut ist bereits zerstört, anderes in Gefahr, für  immer verloren zu gehen, wenn nicht raschestens eingegriffen wird. (...). Damit folgten die lokalen Machthaber nicht nur der gerade in Lehrerkreisen, aus denen  auch Reisinger kam, weit verbreiteten Heimatschutzbewegung der Zwischenkriegszeit, sondern auch einem wichtigen Thema der nationalsozialistischen Ideologie. (...)

Bei der Ausstellungseröffnung konnten Museumsleiter Dr. Friedrich Polleroß sowie Schuldirektor Josef Gabler, Kulturgemeinderat und Obmann des  Dorferneuerungsvereins, in Vertretung des Bürgermeisters unerwartet viele Gäste begrüßen, darunter den Ehrenbürger der Marktgemeinde Pölla Msgr. Josef  Zimmerl, den Gemeindepfarrer Dechant Johann Pöllendorfer, den Eggenburger Bürgermeister Willi Jordan und den Waidhofner Altbürgermeister Franz Gföller.

Der Waldviertel-Manager Dipl.-Ing. Adolf Kastner, der die Festrede hielt, griff den Hinweis des Museumsleiters auf sein ebenfalls 60jähriges Leben und den  zeittypischen Vornamen auf und schilderte in ebenso bewegenden wie humorvollen Worten seine wohl für viele Familien typische Kindheit zwischen rußschwarzer  Waldviertler Mutter und braunem Braunauer Vater, die zur katholischen Taufe des gemeinsamen Kindes auf den Namen Adolf geführt hätte. Wie viele Familien hatte  auch jene von Kastner unter der schwierigen Wirtschaftslage jener Zeit zu leiden, sodass die erfolgreiche Karriere des Mister Waldviertel auch beispielhaft für den  Aufschwung des Waldviertels insgesamt gesehen werden kann. Musikalisch umrahmt wurde die Eröffnungsfeier von Frau Anna Dirnberger, der Gattin eines Aussiedlers aus Döllersheim.

2. Waldviertler Heimatfilm

Anläßlich der Eröffnung der Ausstellung konnte auch eine kleine filmische Sensation präsentiert werden: der Kulturfilm Das Waldviertel der Wien-Film von Wilhelm  Hipssich aus dem Jahre 1940. Ebenso wie die Graphiken der Ausstellung liefert er ein eindringliches Bild der zwar wirtschaftlich rückständigen, aber dafür umso volkstümlicheren deutschenHeimat der Ahnen unseres Führers.

Präsentiert werden unter anderem die Stifte Altenburg und Zwettl, die Burgen Heidenreichstein, Rappottenstein, Rosenburg und Gars sowie das Horner  Höbarthmuseum. Neben der mit Pferden und Ochsen betriebenen Landwirtschaft sowie der Arbeit an Spinnrad und Webstuhl wird auch die Tätigkeit in einem  Granitsteinbruch und beim Torfstechen gezeigt. Ein besonderes Dokument bilden zweifellos die Aufnahmen von Josef Höbarth bei der Ausgrabung eines  urgeschichtlichen Hakenkreuzes. Hebt der Film einerseits die kulturelle Bedeutung der katholischen Stifte lobend hervor, so zeigt sich andererseits der  nationalsozialistische Zeitgeist auch in der Betonung der Grenzfunktion der Ahnenheimatdes Führers gegen die Slawen, in der Einbeziehung des damals  annektierten Frain/Vranov in Südmähren sowie in der Huldigung an Schönerer und Hamerling als Vorkämpfer des Nationalsozialismus.

3. Entweihte Heimat – Zerstörte Kultur

Unter diesem Titel stand die am 21. August 1999 abgehaltene Abendveranstaltung, die aus einer Filmvorführung von Manfred Neuwirth und einem Vortrag von Pfarrer  Johannes Müllner aus Roggendorf bestand und ebenfalls sehr gut besucht war. Wie die Waldviertler Heimatbilder sowie die Foto- und Sammelkampagne des  Museums für Volkskunde im Entsiedlungsgebiet beweisen, waren sich die nationalsozialistischen Machthaber durchaus bewußt, dass mit der Errichtung des  Truppenübungsplatzes Döllersheim dem Militär nicht nur fruchtbares Bauernland und die Heimat von 7000 Menschen, sondern auch wertvolle Kulturgüter geopfert wurden.

Diesem Bewußtsein und dem Engagement der Aussiedler ist die Rettung einzelner Objekte wie der Madonna der Kapelle in Äpfelgschwendt (im Museum in Neupölla)  zu verdanken. Alte Bauernhöfe sowie Kirchen und Kapellen fielen hingegen großteils den teilweise planmäßigen Zerstörungen in der Zeit der sowjetischen  Besatzung sowie des Österreichischen Bundesheeres zum Opfer. So befindet sich etwa der Sockel der Mariensäule von Edelbach, das ja noch bis 1952 bewohnt war, heute in einer Kaserne in Baden.

Während der Dokumentarfilm Erinnerungen an ein verlorenes Land von Manfred Neuwirth (1988) einen Überblick über die Entstehung des Truppenübungsplatzes  und seine Auswirkungen auf die Menschen der Region bot, dokumentierte Konsistorialrat Johannes Müllner, der Autor des Buches Die entweihte Heimat, ausführlich in Wort und mit zahlreichen Dias den nachlässigen und  verantwortungslosen Umgang der Zweiten Republik mit dieser Kulturlandschaft. In diesem Zusammenhang haben jedoch nicht nur staatliche, sondern auch kirchliche Stellen versagt.

4. Soldatenschicksal zwischen Heldentum und Kriegsverbrechen

Am 24. September 1999 veranstaltete das Museum in Neupölla gemeinsam mit der Waldviertel Akademie einen Kulturstammtisch unter dem Titel Soldatenschicksal  zwischen Heldentum und Kriegsverbrechen, der zahlreiche Interessierte aus nah und fern anzog. Bürgermeister Ing. Johann Müllner und Mag. Werner Neuwirth von  der Waldviertel Akademie konnten u. a. Altbürgermeister Josef Fröhlich, den TÜPL-Kommandanten Brigadier Franz Teszar sowie den Direktor der Horner Museen, Dr. Erich Rabl, unter den Gästen begrüßen. (...)

Friedrich Polleroß, 60 Jahre Truppenübungsplatz – 60 Jahre Zweiter Weltkrieg. Veranstaltungen im Museum für Alltagsgeschichte in Neupölla, in: Das Waldviertel 48 (1999), S. 404 - 413

30 Jahre Soldatenkirche am Truppenübungsplatz Allentsteig

Anläßlich des 30-jährigen Bestehens der Soldatenkirche am Tüpl Allentsteig feierte die Militärpfarre am Sonntag, den 19. Oktober 1997 ein Kirchweihfest, unter der Patronanz von Militärbischof Mag. Christian Werner.

Die Übungsplatz-Kirche im Lager Kaufholz wurde in fast zweijähriger Bauzeit von 1966 bis 1967, unter dem Architekten Prader, in Form eines Zeltes erbaut. Sie  bietet ca. 250 Kirchenbesuchern Platz und ist auch durch einen Vorbau an der Rückseite für Feldmessen ausgestattet. Die Einweihung fand durch Bischof Dr.  Franz Zak am 28. Oktober 1967 statt. Im Jahr 1970 wurde die Kirche für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ab diesem Zeitpunkt wird auch jeden Sonn- und  Feiertag ein Gottesdienst abgehalten. Die kirchliche und seelsorgliche Betreuung alles Angehörigen des Bundesheeres obliegt dem zuständigen Militärseelsorger.  Da in der Truppenübungsplatz-Kirche zumeist rhythmische Messen abgehalten werden, sind die Gottesdienste auch ein Anziehungspunkt für Jugendliche.

30 Jahre Soldatenkirche am Truppenübungsplatz Allentsteig, in: Tüpl Rundschau, Die Truppenzeitung des Truppenübungsplatzes Allentsteig, Jahrgang 2/Ausgabe 9 (5/97), Dezember  1997, S 9.

Allerseelen der Aussiedler im Millenniumsjahr

Am 2. November 2000 fand die 43. Allerseelenfeier der Aussiedler in der Friedenskirche Döllersheim und auf dem Friedhof statt. Der Gottestdienst wurde  zelebriert von Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn, der in seiner Predigt u.a. sagte:

Gott ist nicht so armselig, Gott ist nicht so ohnmächtig, daß er nicht auch aus diesen Ruinen hier, aus diesen Zerstörungen hier, die viele Eurer Hoffnungen  getroffen haben, wieder etwas entstehen läßt.

Robert Berger, privater Amateur-Video-Mitschnitt der Predigt von Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn bei der Allerseelenfeier der Aussiedler, Döllersheim, 2. November 2000

 

Erneut zu Gehör gebracht wurde bei dieser Allerseelenfeier die Döllersheimer Messe, die bereits mehrmals in der Döllersheimer Friedenskirche aufgeführt  worden war. Ihr Komponist, Dir. Herbert Loskott, schrieb im Textblatt: Die Döllersheimer Messer will einen Beitrag zur Aussöhnung leisten. Das bittere  Schicksal der Bewohner des Döllersheimer Ländchens wird in der Messe weder verdrängt noch übergangen, aber auch die mehr oder weniger vernarbten Wunden  sollen nicht neu aufgerissen werden. Christliches Vergeben ist wohl die beste Definition.

 

Im Tode vereint

Unter dem Titel Im Tode vereint gedachte ein Artikel in der Neuen Kronenzeitung zu Allerheiligen 2001 (1.11.2001, S. 28-29) der Friedhöfe in der entweihten  Heimat. Allerdings: unter Verwendung von Bildern zum Thema Aussiedelung war hauptsächlich von Kriegsgräbern gefallener Soldaten die Rede, die von Schwarzem Kreuz und Bundesheer gemeinsam gepflegt würden.

Foto Crepaz/Hinczica aus Kronen-Zeitung 1.11.2001, S.29

Auf einem der Fotos waren vor der Friedenskirche von Döllersheim und einem Militärfahrzeug der Tüpl-Kdt Franz Teszar, Josef Poinstingl und Franz Lehr  abgebildet. Gemeinsam pflegen sie die Gräber stand darunter zu lesen. Dazu gehen mir folgende Gedanken durch den Kopf:

Seit 1957 gibt es in Döllersheim Allerseelenfeiern. Nicht jeder Tüpl-Kommandant war bei diesen Feiern anwesend. Franz Teszar ist anwesend. Dass er selbst Gräber pflegt, glaube ich nicht. Ich wollte als Priester das Priestergrab in Oberndorf – mehrmals im Jahr – pflegen. Tüpl-Kommandant Teszar erlaubte es mir nicht ! Josef Poinstingl und Franz Lehr müßten eigentlich vor ihrem Friedhof  in Oberndorf stehen, wo des einen Schwester und des anderen Vater begraben sind. Immerhin:  Teszar ließ einen Teil des Friedhofs vom Wildwuchs befreien  und dort eine Rasenfläche anlegen, der Großteil des Friedhofs von Oberndorf ist jedoch ebenso völlig verwildert wie jener von Groß-Poppen, über den nach wie vor eine Schießbahn verläuft.

Über den alten Friedhof von Edelbach sah ich schon öfter Panzer fahren. Oberst Oberleitner ließ im neuen Friedhof in Edelbach das Friedhofskreuz renovieren und  die Umgebung mit Riesel bestreuen. Teszar ließ 1998 den gesamten Friedhof von Edelbach vom Wildwuchs befreien. Dabei wurden aber auch die vielen  Grabsteine und Grabeinfassungen weggenommen und an den 4 Ecken des Friedhofs provisorisch gestapelt. Der Friedhof bekam eine Rasenfläche, die  zeitweise auch gemäht wird. Ohne Passierschein darf er aber nur zur alljährlichen hl. Messe am Allerheiligentag um 14 Uhr betreten werden. Da alle Gräber eingeebnet  wurden, kann von einer Gräberpflege nicht wirklich die Rede sein.

Soviel zum Thema gemeinsame Pflege der Gräber.

Mark Perry, Im Tode vereint. Schwarzes Kreuz und Bundesheer pflegen gemeinsam die Kriegsgräber der gefallenen Soldaten, in: Neue Kronenzeitung, 1.11.2001, S. 28-29

 

 

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