Walther und die Kuenringer 

Das Dorf Walthers zwischen Allentsteig und Zwettl lag im Herrschaftsbereich der Kuenringer. Der Stammvater dieses Adelsgeschlechts, Azzo von Gobatsburg († um 1100), stammte wahrscheinlich aus Sachsen oder dem Rheinland und war Lehensträger in Bayern. 1056 schenkte ihm der im gleichen Jahr zum König gewählte Heinrich IV. „drei königliche Hufen Land“ (ca. 141 Hektar) – bei Hezmannswiesen, wohl nahe Kühnring bei Eggenburg im Waldviertel. Von der dort errichteten Stammburg, von der außer der heutigen Pfarrkirche nur noch spärliche Reste vorhanden sind, wurde der Name des Geschlechts abgeleitet.

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Teil aus der Zwettler „Bärenhaut“
Kuenringer-Stammbaum

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Azzo von Gobatsburg mit drei Knappen

Die Kuenringer leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Erschließung des Waldviertels und des Weinviertels und zählten bald zu den mächtigsten und einflussreichsten Ministerialen der Babenberger Markgrafen bzw. Herzöge. Vor allem im Gebiet nördlich der Donau besaßen sie weite Gebiete, Burgen und feste Plätze.

Hadmar I. von Kuenring († 27. Mai 1138) gehörte zum engeren Umfeld des Markgrafen Leopold III. – des heutigen Landespatrons von Niederösterreich und Wien – und fungierte mehrmals als Zeuge bei landesfürstlicher Schenkungen. Wie bedeutend die Kuenringer waren, zeigt sich u.a. darin, dass sie nur wenige Jahre nach der Gründung von Stift Heiligenkreuz im Wienerwald 1133 durch die Babenberger im Gebiet des von den Kuenringern erschlossenen Nordwaldes, dem heutigen Waldviertel, 1137/1138 ebenfalls ein Zisterzienserkloster errichten konnten – noch zu Lebzeiten des später heiliggesprochenen Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153).
In diesem Kloster, etwa 12km südlich von Walthers gelegen, könnte Walther von der Vogelweide seine erste Ausbildung erhalten haben. Möglicherweise wurde Hadmar II. dort auf ihn aufmerksam²²  – oder der Passauer Bischof Wolfger hatte Walther bereits zuvor bei einem Besuch auf der Vogelweide von Walthers entdeckt.
Hadmar II. von Kuenring hielt von Dezember 1192 bis März 1193 Richard Löwenherz, König von England, auf Burg Dürnstein, die von seinem Großvater Azzo im späteren 11. Jahrhundert erbaut worden war, gefangen. Bei der Freilassung des Königs vermittelte Hadmars Freund Bischof Wolfger von Passau. 

Kupferstich von Georg Matthäus Vischer 1672

Königsschenkung an Azzo

Walther und Allentsteig

Das Gebiet um Allentsteig wird 1056 durch eine Königsschenkung an Azzo, den Stammvater des Geschlechts der Kuenringer, übertragen. Wälder werden gerodet, Allentsteig wird als Wehr- und Verteidigungsplatz angelegt. Bereits in dieser Zeit entstehen die Burg, die 1150 erstmals urkundlich erwähnt und 1430 als herzogliches Lehen bestätigt wird, sowie das Untere Schloss (Meierhof), Schüttkasten und Pfarrkirche. Stadt und Burg sind in ihrer Entwicklung eng verbunden. Die Besitzer der Burg wechseln sehr oft.

Auf Zeiten kriegerischer Einfälle lässt der Münzfund des Jahres 1934 in Allentsteig schließen: es handelt es sich um einen Siedlungsfund in einem Gebäude. Das Tongefäß mit rund 3.000 Silbermünzen aus der Zeit von 1160-1170 dürfte um 1175 – in der Zeit, als Walthers bei Bernschlag gegründet wurde – vergraben worden sein. 

Der Münzfund umfasst 2.973 Exemplare, davon 2.346 Kremser Sirenenpfennige Herzog Heinrichs II. Jasomirgott von Österreich (1156–1177), 619 Fischauer Pfennige Ottokars III. von Steier († 1164) und 8 Regensburger Pfennige.
Der Fund ist einer der bedeutsamsten der Babenbergerzeit. Ein Zusammenhang mit dem Einfall der Böhmen 1175 scheint möglich. 80% des Fundbestandes stammen aus der nächstgelegenen Münzstätte Krems. Die Münzen ergeben zusammen etwa 2,5kg Feinsilber. Die damalige Kaufkraft lässt sich auf etwa 100 Schweine schätzen. Der Eigentümer des Schatzes scheint wohlhabend gewesen zu sein. Die Münzen befinden sich ebenso wie der 17,5cm hohe Topf aus grobem, graphitvermengten Ton heute im Höbarth-Museum in Horn, eine Auswahl im Wiener Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien.

Münzfund von Allentsteig aus der Zeit um 1170

Ausschnitt aus der Urkunde von 1175
Ausschnitt aus einer älteren Landkarte 

Um das Jahr 1170 werden in einer Schenkungsurkunde unter den Zeugen, die vom Kuenringer Burggrafen Erckenbert von Gars angeführt werden, ein Walther und ein Alber als „Verwandte von Raabs“ genannt.
Um 1175 finden sich vermutlich dieselben Personen als Albewin von Steinbach und Walther de Tige („von Tige“, dem heutigen Allentsteig) in einer Urkunde des Besitzers der Herrschaft Allentsteig, Maquard de Tige. Dieser ist mit Gisela, der Tochter des Burggrafen Erckenbert von Gars verheiratet und damit als dessen Schwiegersohn mit den Kuenringern verwandt. Albewin und Walther dürften nunmehr Besitzer eine festen Sitzes oder Dorfes gewesen sein. Die Dörfer Walthers (in einer alten Schreibung auch „Waldhersch“) und Steinbach²³ sind etwa 4,5km voneinander entfernt. 

Walter Klomfar sieht in diesem urkundlich genannten Walther de Tige – als dem nunmehrigen Gefolgsmann der Herrschaft Allentsteig – den Führer eines Rodungstrupps, der als Gründer des Dorfes Walthers, 6,5km westlich von Allentsteig gelegen, diesem auch seinen Namen gab²⁴. Genitivische Ortsname wie Walthers, d.h. „Walthers Dorf“, sind typisch für diese Zeit und für das Waldviertel. Klomfar sieht in diesem Walther den Besitzer der „Hofstatt“, einem größeren Gebäude als die üblichen Bauernhöfe. Vermutlich war dieser als Falkner der Betreiber der Vogelweide – und Vater des Dichters. Dass ein Sohn denselben Namen wie der Vater hatte, war eine Tradition, die bis ins 20. Jahrhundert weiterlebte.

Der Name der Stadt (ab 1380) Allentsteig war ursprünglich – nach dem heutigen Thauabach benannt – Tygia, Tigin und Thige. Abgeleitet von dem alten illyrischen Wort dujas (rauschend) für die kleine Thaya, bedeutet der erste Stadtname so viel wie „der Ort am rauschenden Bach“. Der erste Teil des Stadtnamens geht auf Adelold von Kaya-Kamegg (Besitzungen bei Hardegg und Gars/Kamp) zurück, der 1188-1216 Besitzer der Burg war. In einer Urkunde im Stift Zwettl aus dem Jahr 1212 ist erstmals der Name „Adelo(ld)stige“ (etwa „der Besitz des Adelold an der Tigia“) belegt, aus sich dem über verschiedene Zwischenstufen um 1700 der Stadtname in der heutigen Schreibung entwickelte.

Das Dorf Walthers gehörte ursprünglich zum Herrschaftsbereich des Allentsteiger Burgherren. Durch Verkauf und Wiederverkauf von Lehen und Hofstätten gelangte das Dorf Walthers bzw. das Gebiet der Ortswüstung im Lauf von Jahrhunderten zunehmend in den Besitz des nahegelegenen Klosters Zwettl und damit in das Gebiet der heutigen Großgemeinde Zwettl.
Die heutige Ortswüstung Walthers dürfte nur eines von mehr als zehn wieder aufgegebenen und verschwundenen Dörfern in der Umgebung von Allentsteig sein²⁶. 

Walther und Stift Zwettl

Klöster waren im Mittelalter Zentren der Bildung für Klerus und Adel, während die einfache Bevölkerung nicht oder kaum lesen und schreiben konnte. Das Zisterzienserstift Zwettl – 1137/38 als erstes der drei heute noch bestehenden Stifte im oberen Waldviertel, im Gebiet der Kuenringer gegründet – liegt von Walthers – auf den alten Wegen – rund 12km entfernt, etwa zweieinhalb Stunden Fußmarsch, also gewissermaßen vor der Haustür. Hier könnte Walther seine unzweifelhaft vorhandenen Kenntnisse der lateinischen Sprache und Literatur sowie musikalische Grundkenntnisse und auch klerikale Bildung erworben haben.²⁷

Die von den Mönchen des Stiftes Zwettl im 12. Jahrhundert erbaute Brücke über den Kamp dient noch heute dem Straßenverkehr.²⁹

Unvollständige, teilweise ausradierte Professformel: „Ich, Bruder Walther, verspreche …", Stiftsarchiv Zwettl²⁸ 

Im Stiftsarchiv Zwettl findet sich in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert als Randnotiz die teilweise auf Rasur stehende (also ausradierte) Professformel „Ich verspreche Beständigkeit“ eines Schreibers Walther: „Ego Frater Walther“ („Ich, Bruder Walther, …“) ist lesbar, das „promitto“ steht auf Rasur (d.h. wurde nachträglich ausradiert), das „stabilitatem“ wurde gar nicht mehr geschrieben. Der volle Wortlaut dieser Professformel findet sich im Codex ein paar Seiten später von einem Frater Otto: „Ego Frater Otto promitto stabilitatem“ – „Ich, Bruder Otto, verspreche die >Beständigkeit (des Ortes)<“ („Ortsgebundenheit“, d.h. die dauerhafte Bindung an ein bestimmtes Kloster). 

Für Walter Klomfar liegt der Schluss nahe, dass dieser Frater Walther – der sich möglicherweise bereits einige Jahre als Schüler, Chorknabe und Cantor im Stift aufgehalten hat – aus irgendeinem uns nicht bekannten Grund plötzlich nicht mehr als Mönch in das Kloster eintreten konnte oder wollte und das Kloster sogar verlassen hat – weil dieser „Frater Walther“ als Walther von der Vogelweide einen anderen Weg hinaus in die Welt gehen sollte.

Stift Zwettl könnte für Walther das Tor zur Welt gewesen sein.
Das Zisterzienserkloster besaß im 12. Jahrhundert ein „Zwettl Haus“ im Zentrum von Wien, unmittelbar an der romanischen Stephanskirche, dem heutigen Stephansdom gelegen, dort wo sich heute die Einfahrt zur Tiefgarage befindet.
Für den Neubau des gotischen Chores wurde dieses Gebäude abgerissen, allerdings ein neuer Zwettl Hof errichtet, der bis 1885 existierte. Doch auch der Neubau aus dem 19. Jahrhundert, in dem sich heute das Dommuseum, das Pastoralamt und andere wichtige Einrichtungen der Erzdiözese Wien befinden, trägt bis heute die Bezeichnung „Zwettlerhof“. 

Zwettlerhof in Wien - Lageplan

Zwettlerhof 1842

Walther von der Vogelweide könnte Walter Klomfars Theorie zufolge nach der ersten Ausbildung im Stift Zwettl über den Zwettlhof in Wien an den Wiener Hof von Herzog Friedrich I. empfohlen worden sein, wo er nachweislich geschätzt und gefördert wurde.

Zwettlerhof Totale

Zwettlerhof Orientierungstafel

Walther, Wien und die Welt 

In der Forschung gilt als gesichert, dass Walther von der Vogelweide sich in jungen Jahren am Babenbergerhof in Wien aufhielt. Walter Klomfar zeigt mit seiner Indizienkette, dass Walther von Bischof Wolfger, der die Falkenjagd liebte und mehrfach in Stift Zwettl zu Gast war, entdeckt worden sein könnte, dass der Bischof ihm die erste Ausbildung im Zisterzienserkloster ermöglichte und Walther über den Zwettlerhof in Wien, im Besitz des Klosters und unmittelbar neben dem heutigen Stephansdom gelegen, den Weg an den Babenbergerhof ebnete.
Feststeht, dass Walther in Herzog Friedrich I.³⁰ einen Förderer fand, der ihn in hohem Maße schätzte. Es müssen glückliche Jahre für Walther gewesen sein, da sich immer wieder nach dem wunderbaren Hof in Wien – „wünneclîche Hof ze Wiene“³¹  – zurücksehnte. 

Die Forschung geht davon aus, „dass der junge Sänger Walther als konventioneller Liedermacher mit höfischen Themen in die Unterhaltungsbranche eintrat, dass er diese Kunst weiterhin pflegte und perfektionierte, dass er aber auch schon bald nach dem Beginn seiner musikalischen Erwerbstätigkeit als politisch-moralisierender Sangspruchdichter brillierte.“³² 
Ob Reinmar der Alte, auch Reinmar von Hagenau genannt, ein deutscher Minnesänger der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (dessen Person urkundlich nicht belegt ist!), dort Walthers Lehrer war, der von seinem Schüler alsbald übertroffen wurde, muss Spekulation bleiben³³. Was als „Fehde“, als Auseinandersetzung zwischen Reinmar und Walther gesehen wurde, lässt nur erschließen, dass die beiden Dichter die Werke des jeweils anderen kannten, diese in ihren Liedern bearbeiteten und satirisch-polemische Gegenpositionen dazu bezogen. 

Für das Ende seiner Zeit am Wiener Hof nennt Walther selbst einen einzigen Grund: den Tod von Herzog Friedrich I., der am 16. April 1198 auf der Rückreise vom Kreuzzug Kaiser Heinrichs VI. unverheiratet starb. Sein jüngerer Bruder Leopold VI. „der Glorreiche“ erbte das Herzogtum.

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Der Leichnam Friedrich I. wird auf dem Rückweg vom „Deutschen Kreuzzug“ aus Palästina nach Österreich überführt³⁴

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Herzog Leopold VI. „der Glorreiche“ (der Ehrenreiche)³⁴

Leopold VI. mochte Walther nicht, verwies ihn vom Wiener Hof und verweigerte ihm die Rückkehr. Die Gründe kennen wir nicht. Waren die beiden einander charakterlich zu ähnlich? Leopold VI. wird als eitel beschrieben. Verletzte Walther den Herzog mit seinem Anspruch in Gedichten wie dem ersten Reichstonspruch „Ich saz ûf eime steine“ (1198?)? Erschien Walther als anmaßend und arrogant, zumal gemessen an seiner Herkunft bestenfalls aus dem niederen Adel?

Nur wenige der mittelhochdeutschen Dichter haben das Wort ich in ihrem Werk so oft benützt wie Walther. Eine Sichtung der Anfangszeilen von 175 überlieferten Walther-Gedichten ergibt, dass 68, also mehr als ein Drittel, mit den Wörtern ich, meiner, mir, mich beginnen. Peter Rühmkorf sieht „keinen Zweifel mehr daran, dass ein in seinen Selbstwertgefühlen tief verunsichertes Ich ein Leben lang um seine Selbstbehauptung gekämpft hat, und dass der sogenannte Spielmann des Reiches eigentlich ein Spielmann seiner selbst war: der Vater und Erfinder des deutschen Ich-Gedichts.“³⁵

Helmut de Boor schreibt in „Die großen Deutschen“, Walther habe diesen Schlag, vom Wiener Hof verwiesen zu werden, nie verwunden. Und doch sei dieser im Rückblick der entscheidende Augenblick in seinem Leben gewesen: „Er löst sich aus der Enge der Wiener Hofverhältnisse, tritt in die Weite der großen Welt und kann damit seine besten Kräfte entfalten. In Wien wäre er ein bedeutender Minnelyriker unter vielen geblieben; in der Not und Unsicherheit des jetzt beginnenden Wanderlebens wurde er der einzige und einmalige Walther von der Vogelweide.“³⁶



Walther und das Nibelungenlied 

Das Nibelungenlied, ein mittelalterliches Heldenepos, wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts in mittelhochdeutscher Sprache niedergeschrieben. Der Stoff der Nibelungensage stammt aus dem 5. und 6. Jahrhundert und ist damit wesentlich älter. Entstanden ist das Epos zwischen 1190/1198 und 1204 (spätestens 1208) im Umfeld des Passauer Bischofs Wolfger von Erla. 

Im Unterschied zu den antiken Heldenepen wie Homers „Ilias“ und „Odyssee“, der Bearbeitung des Argonauten-Stoffes durch Apollonios von Rhodos oder Vergils „Äneis“ ist das Nibelungenlied ohne den Namen eines Autors überliefert. In der Forschung herrscht die Sichtweise vor, dass die mittelalterliche „Heldendichtung die Anonymität als Gattungsgesetz kennt.“³⁷
Dem gegenüber steht u.a. der Versroman „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach. Dieses Werk der mittelhochdeutschen höfischen Literatur umfasst etwa 25.000 paarweise gereimte Verse, die Entstehungszeit wird auf 1200 bis 1210 datiert.
In der Zeit, als das Nibelungenlied im Umfeld des Passauer Bischofs Wolfger von Erla entstand, befand sich auch Walther von der Vogelweide in Wolfgers Gefolge: mit 12. November 1203 ist das einzige außerliterarische Lebenszeugnis zu Walther datiert – der Eintrag in Wolfgers Ausgabenregister, wonach er „dem Sänger Walther von der Vogelweide fünf lange Schillinge für einen Pelzrock (oder Pelzmantel)“ gegeben hat.
Der oder die Autoren zeigen im Nibelungenlied beste Kenntnisse der Donaulandschaft zwischen Passau und Wien und der beiden Städte. Die Gestalt des „guten Bischofs Pilgrim“ wird als Huldigung an Bischof Wolfger verstanden, die Hochzeit des Hunnenkönigs Etzel (Attila) mit Kriemhilde könnte von Augenzeugen der Hochzeit des Babenbergerherzogs Leopold VI. mit der byzantinischen Prinzessin Theodora Angelina (im Herbst?) 1203 oder 1204 in Wien inspiriert worden sein.
Trotz der umfangreichen Literatur zum Nibelungenlied bleiben viele Fragen offen. Ist das Werk deshalb ohne einen Autorennamen überliefert, weil es eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer Dichter war, von denen der Stoff im Laufe vieler Jahre erweitert und bearbeitet wurde? Wurden verschiedene Texte „zusammengenäht“, aus politischem Kalkül, im Auftrag der Staufer?³⁸  Wie weit ist das Werk Konrad von Fußesbrunn (heute Feuersbrunn bei Krems) zuzuschreiben? Oder Wolfram von Eschenbach (bei Nürnberg)? War Walther von der Vogelweide an der Endredaktion des Werkes beteiligt?³⁹

Es ist schwer vorstellbar, dass Walther „den Autor“ oder „die Autoren“ des Nibelungenliedes nicht kannte bzw. nichts von der Entstehung des Werks wusste.  
Verbirgt sich hinter dem Spielmann Volker von Alzey im Nibelungenlied Walther von der Vogelweide?
„Das Nibelungenlied hat einige Gemeinsamkeiten mit Walther, nicht nur den Bischof von Passau und den Wiener Herzog als Gönner: das Lob der Spielleute (allen voran Volkers, des von den Königen geschätzten Fiedlers) und Fahrenden und die Betonung der milte [Großzügigkeit] als herausragender Tugend des Fürsten, der die Fahrenden mit Gold, Kleidern und Pferden beschenkt; die Vertrautheit mit der Landschaft zwischen Passau und Wien; die Verwendung von Langzeilen der Kürenbergerstrophe (…), die Minnekonzeption (…). Doch vor allem wegen des Fehlens überzeugender gemeinsamer Stilmerkmale wird man dabei bleiben, dass Walther nicht der Autor des Nibelungenliedes ist.“⁴⁰